Das dürfte unter den Ärzten für Bluthochdruck sorgen: Die Krankenkasse Swica – mit 687'000 Grundversicherten einer der grösseren Anbieter – schickt einen Teil ihrer Kunden künftig direkt in die Apotheke, wenn sie krank sind. Sie sollen den vorgängigen Arztbesuch weglassen. So will es eine neue Versicherung, die Swica ab kommendem Jahr im Rahmen ihrer Managed-Care-Modelle anbieten wird.
Die Versicherung «Medpharm» erlaube hohe Rabatte auf die Grundversicherungsprämie, sagt Swica-Sprecherin Silvia Schnidrig. In Zürich und im Aargau lägen sie bei rund 19 Prozent. Zwar stehe die formelle Zulassung durch das Bundesamt für Gesundheit noch aus. Da man alle Forderungen des Amtes erfülle, gehe man aber davon aus, dass der Einführung nichts im Weg stehe.
Konkret sieht die Versicherung vor, dass Patienten im Krankheitsfall für die Beratung als erstes eine der Partner-Apotheken aufsuchen. Diese haben vom Verkaufsraum abgetrennte Besprechungszimmer. Zudem arbeiten dort Apotheker, die vom Verband Pharmasuisse als sogenannte Netcare-Spezialisten ausgebildet sind.
Stellt sich bei der Untersuchung heraus, dass es für die Behandlung einen Mediziner braucht, wird der Patient weiterverwiesen an einen der Ärzte auf der Swica-Ärzteliste. Alternativ können sich Patienten für die Beurteilung an eine Telefonhotline wenden.
Vorerst arbeitet Swica exklusiv mit Apotheken des Toppharm-Verbundes zusammen. Dieser hat 118 zertifizierte Apotheken, primär in der Deutschschweiz zwischen Basel, Bern und Zürich. Später sollen sich andere zertifizierte Apotheken anschliessen können, sagt Schnidrig. Ein Partner für die Romandie und das Tessin werde noch gesucht.
Die Toppharm-Apotheken bieten die Netcare-Beratung bereits seit drei Jahren an. Dabei habe sich gezeigt, dass sich drei Viertel aller Fälle bereits in der Apotheke lösen lassen, sagt Toppharm-Geschäftsführer Stefan Wild. Im Rahmen der Beurteilung können die Apotheker auch kleinere Untersuchungen wie das Messen des Blutdrucks vornehmen. In 5 Prozent der Fälle verweise man Kunden an einen Arzt oder das Spital. In 17 Prozent aller Fälle schalte man einen Telemediziner der Firma Medgate hinzu, sagt Wild. Alle zertifizierten Apotheken seien für entsprechende Videokonferenzen ausgerüstet.
Normalerweise kostet die Untersuchung in der Apotheke 15 Franken, die nicht über die Krankenkasse abgerechnet werden können. Im Fall der neuen Versicherung übernimmt die Swica diesen Betrag. Kosten für Medgate-Telemediziner müsse der Kunde selbst tragen, da diese nicht Teil des Versicherungsprodukts seien, sagt Sprecherin Schnidrig. Die Krankenkasse will alle Anreize für eine Arztkonsultation vermeiden.
Während die Kooperation für die Apotheken einen gesicherten Mehrumsatz bietet, verspricht sich die Swica tiefere Arztkosten. «Viele Fälle lassen sich in der Apotheke lösen», sagt Sprecherin Schnidrig. «Wir sparen Geld im Gesundheitswesen, wenn die Versicherten nicht bei jeder Bagatelle erst zum Arzt gehen.» Viele Leute handelten bereits heute so. Mit einem solchen Versicherungsmodell könne man sie belohnen.
Gar keine Freude daran hat der Ärzteverband FMH. Er bezweifle, dass dieses Modell wirklich die Kosten senke, sagt Verbandspräsident Jürg Schlup. «Der Apotheker wird nur wenige Fälle abschliessend behandeln können.» Für eine Diagnose genügten die Kenntnisse der Apotheker im Vergleich zu jenen der Ärzte nicht, auch wenn die Kompetenzen der Apotheker unlängst erweitert worden seien, sagt er. «Falls der Apotheker Zusatzuntersuchungen empfiehlt, um seine Diagnose abzusichern, kann es durchaus teurer werden.»
Zudem könnte das Modell zur weiteren Fragmentierung der Gesundheitsversorgung führen. Hausärzte könnten die meisten Leiden selbst behandeln und koordinierten die Weiterbehandlung soweit nötig. «Der Apotheker ist nicht dafür ausgebildet, diese koordinierende Rolle wahrzunehmen.»
Unklar sei, ob das Modell zu mehr Medikamentenkonsum führe. Schlup verweist auf das revidierte Heilmittelgesetz, das voraussichtlich 2017 in Kraft tritt. Ab dann wird das Apotheker-Modell der Swica noch potenter, denn das Gesetz erlaubt den Apothekern neu, verschreibungspflichtige Medikamente direkt abzugeben, die heute eine Arzt-Diagnose und ein Rezept voraussetzen.