2019 geschah im Kanton Glarus Historisches: Zum ersten Mal in der Geschichte des Alpenkantons ging einer der beiden Ständeratssitze an eine linke Partei – an die Grünen. Und zwar auf Kosten der wählerstärksten Partei – der SVP.
Der Verdruss darüber, dass die SVP 252 Stimmen weniger machte als die Grünen, hielt lange an. Der SVP-Politiker Werner Hösli soll seinen Kontrahenten Mathias Zopfi unterschätzt haben, heisst es im Glarnerland. Während sich Hösli im Wahlkampf auf den Lorbeeren ausruhte, ging Zopfi all-in.
Der 39-jährige Grüne-Politiker hatte schon Wochen vor der Wahl ein Ladenlokal im Hauptort Glarus gemietet und war dort beinahe täglich für die Bevölkerung zum persönlichen Austausch und gemeinsamen Jassen anzutreffen. So gelang «Risiko-This», wie er von seinen Jass-Kollegen genannt wird, der Sprung in die kleine Kammer. Für die SVP endete damit eine 20-jährige Ära – seit 1998 belegte die Volkspartei einen Sitz im Ständerat.
Nun stehen im Oktober wieder Erneuerungswahlen an. Gleich zwei von drei Glarner Parlamentariern treten zurück: der ehemalige FDP-Ständeratspräsident Thomas Hefti sowie der letzte Parteipräsident der BDP und einzige Glarner Nationalrat Martin Landolt.
Die Ständeratswahlen werden im Kanton mit Spannung erwartet. Den frei werdenden FDP-Sitz wollen die Freisinnigen mit dem 44-jährigen Benjamin Mühlemann verteidigen, seit 2014 Regierungsrat des Kantons. Seine Chancen stehen gut: Bei den letzten Regierungsratswahlen holte Mühlemann die meisten Stimmen von allen Amtierenden.
Gegenüber watson zeigt sich Mühlemann zuversichtlich bezüglich seiner Wahlchancen. Politisch vertrete er ähnliche Positionen wie der abtretende Thomas Hefti. «Wir machen beide eine restriktive Finanzpolitik. Als Ständerat würde ich mich aber auch in der Europapolitik, der Altersvorsorge und Energiepolitik einsetzen», sagt Mühlemann.
Die Frage, ob er sich als Amtskollegen lieber den bisherigen Grüne-Politiker Mathias Zopfi wünscht oder jemand aus der SVP, will er nicht beantworten: «Von den Positionen her liege ich logischerweise näher bei der SVP als bei den Grünen. Aber auch mit This Zopfi könnte ich sicher problemlos und bestens zusammenarbeiten.»
Die SVP hatte im Vorfeld bereits verlauten lassen, explizit den amtierenden Ständeratssitz von Mathias Zopfi angreifen zu wollen – statt des Sitzes der FDP. Sollte dies gelingen, würde der Kanton Glarus drei Neulinge nach Bundesbern schicken.
Am Donnerstagabend wurde nun an der Delegiertenversammlung der SVP Glarus beschlossen, wer gegen den Grünen Zopfi in den Wahlkampf steigt: Landrat und Vorstandsmitglied der Kantonalpartei Peter Rothlin. Der 57-Jährige gilt als Hardliner und verpasste den Einzug ins Bundesparlament bereits einmal im Jahr 2009, als er erfolglos für den Nationalrat kandidierte. Damals verlor er gegen Martin Landolt mit knapp 2000 Stimmen. Ob er sich nun bessere Chancen ausrechnet oder ob die Ständeratskandidatur einfach ein Trick ist, um die Nationalratskandidatur hervorzuheben, bleibt offen.
Die SP will für den Sitz im Nationalrat die Fraktionschefin Sabine Steinmann ins Rennen schicken. Die Mitte versucht den Sitz mit der Landrätin (Kantonsparlament) und Glarner Gemeinderätin Andrea Trummer zu verteidigen. Aber auch die SVP hat das Nationalratsmandat im Visier und will dieses mit Markus Schnyder gewinnen, Landrat und Gemeinderat in Glarus.
Der abtretende Mitte-Nationalrat Landolt weiss, was ein Glarner Politiker in Bundesbern braucht, um erfolgreich zu sein. «Eine Person, die Allianzen schmieden und Brücken bauen kann», schreibt Landolt auf Anfrage von watson. Und: Es sei «definitiv von Vorteil, wenn ein Bisheriger» im Parlament sei.
Für Landolt ist klar, wer gewählt werden sollte: «Mir gefällt die Vorstellung extrem gut, dass Benjamin Mühlemann zusammen mit Mathias Zopfi und Andrea Trummer ins Parlament einzieht.» Diese Kombination würde den Kanton sehr breit repräsentieren. Nicht zu den Wahlen äussern wollte sich der abtretende FDP-Ständerat Thomas Hefti.
Und was sagt der Grüne-Ständerat Mathias Zopfi zu dem drohenden Kampf um seinen Sitz? Für ihn gehöre das zum Politgeschäft dazu, sagt Zopfi am Telefon zu watson. «Angst vor den anderen Kandidaturen habe ich nicht, aber Respekt schon.» Für den Wahlkampf werde er wieder mit einer «Spezialidee» trumpfen, denn seiner Meinung nach müsse «jeder Wahlkampf besser sein als der vier Jahre davor». Der Grüne-Ständerat hofft darauf, dass die Glarner Stimmbevölkerung anerkenne, was er in den letzten vier Jahren für seine Heimat erreicht habe.
«Im Ständerat werde ich zuerst als Vertreter des Gebirgskantons Glarus wahrgenommen und erst dann als Grüne-Politiker», sagt Zopfi. Er würde sich deshalb eher als Brückenbauer bezeichnen, der mit direkten Gesprächen mit der Verwaltung oder dem Bundesrat etwas bewirke. «Besonders viele Vorstösse machen häufig die, die ihre Ziele anders nicht erreichen und in den Medien sein wollen», ist der Ständerat überzeugt. Und: «Glarus braucht vor allem Vertreter in Bern, die ein Netzwerk haben.»
Als Erfolge zählt er auf, dass die Glarner Delegation in Bern geschlossen und einig auftrete und so viel erreiche. So sei man daran, sich gegen die Verschlechterung der Zugverbindungen zu wehren. Das für den ÖV wichtige Personenbeförderungsgesetz habe er aktiv mitgestaltet und erreicht, dass beim ÖV topographische Gegebenheiten berücksichtigt werden. So wird der ÖV im Gebirge unterstützt. Und immerhin sei er bereits in seiner ersten Legislatur Präsident einer wichtigen Kommission geworden.
Mathias Zopfi sagt dazu: «Ich unterstütze die wichtigen Ziele der Grünen, aber als Ständerat ist es meine Aufgabe, den Kanton Glarus zu vertreten. Deshalb habe ich mich auch einmal gegen meine Partei entscheiden müssen. Als Bergler oder zum Beispiel als Hauptmann bringe ich zum Teil andere Perspektiven ein. Das ist aber auch wertvoll.»
Schade um unser schönes Land.