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Staatsanwaltschaft muss im Quadroni-Fall nochmals über die Bücher

Staatsanwaltschaft muss im Quadroni-Fall nochmals über die Bücher

16.01.2024, 15:58
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Die Bündner Staatsanwaltschaft muss im Fall des Baukartell-Whistleblowers Adam Quadroni ein eingestelltes Strafverfahren gegen einen leitenden Polizisten wieder aufnehmen. Das Kantonsgericht hat eine entsprechende Beschwerde Quadronis weitgehend gutgeheissen.

Adam Quadroni, Whistleblower im Buendner Bauskandal, aufgenommen am Donnerstag, 10. Mai 2018, in Ramosch. (KEYSTONE/Gian Ehrenzeller)
Adam Quadroni, Whistleblower im Bündner Bauskandal.Bild: KEYSTONE

Wie dem kürzlich veröffentlichten Urteil zu entnehmen ist, handelt es sich beim Polizeibeamten um den damaligen Chef des Polizeipostens Scuol. Dieser war 2016 und 2017 in verschiedene Polizeieinsätze gegen den Whistleblower mehr oder weniger direkt involviert.

Es handelte sich insbesondere um die Verhaftung Quadronis am 15. Juni 2017, nachdem dieser das Baukartell hatte auffliegen lassen, und um dessen anschliessende fürsorgerische Unterbringung in einer Klinik. Zudem gab es Hausdurchsuchungen und einen Vorermittlungsrapport über Quadroni.

Strafverfahren wegen Amtsmissbrauchs

Die Bündner Staatsanwaltschaft hatte im Juni 2018 gegen den Scuoler Polizeipostenchef aufgrund von Strafanzeigen Quadronis und des kantonalen Departements für Justiz Sicherheit und Gesundheit ein Strafverfahren eröffnet, unter anderem wegen mutmasslichen Amtsmissbrauchs. Hauptgegenstand der Untersuchungen war die Verhaftung Quadronis beziehungsweise die Rolle des Polizeibeamten bei deren Vorbereitung und Durchführung.

Am 20. Juni 2022 stellte die Staatsanwaltschaft das Strafverfahren ein mit der Begründung, es habe sich kein Tatverdacht gegen den leitenden Polizisten ergeben. Die den Anfangsverdacht begründenden Ungereimtheiten im Vorgehen des Polizeibeamten hätten selbst in einer Gesamtschau keine Amtspflichtverletzungen gebildet, meinte die Staatsanwaltschaft.

Gegen die Einstellung des Strafverfahrens erhob Quadroni Beschwerde beim Kantonsgericht und bekam nun in mehreren Punkten recht.

Polizeieinsatz «möglicherweise nicht rechtmässig»

Es bestünden Hinweise darauf, dass der Polizeieinsatz vom 15. Juni 2017 «möglicherweise nicht rechtmässig» gewesen sein könnte, schrieb das Kantonsgericht im Urteil. Gleichzeitig bestünden Anhaltspunkte, dass der Polizeipostenchef mittelbar für die Anordnung des Einsatzes der Interventionseinheit der Kantonspolizei verantwortlich sei.

Entgegen den Ausführungen der Staatsanwaltschaft, könne nicht von vornherein zweifelsfrei ausgeschlossen werden, dass der Polizeibeamte sich in Zusammenhang mit der Anordnung des Polizeieinsatzes gegen den Whistleblower einer Straftat schuldig gemacht habe, so die Richter.

«Es kann somit nicht von einer derart klaren Sach- und Rechtslage gesprochen werden, dass eine Einstellung des Strafverfahrens gerechtfertigt wäre», lautete das Fazit des Gerichts.

Zudem anerkannte das Gericht, dass Quadroni in mehreren Sachverhalten das rechtliche Gehör nicht gewährt wurde. Es hob die Einstellung des Strafverfahrens in fünf von sieben Punkten auf und wies die Angelegenheit zur Fortführung des Verfahrens an die Staatsanwaltschaft Graubünden zurück.

Regionenchef entlastet

Hingegen lehnte das Kantonsgericht eine ähnlich gelagerte Beschwerde Quadronis gegen die Einstellung des Strafverfahrens gegen den damaligen Leiter der Regionenpolizei Ost ab. Dieser Polizeioffizier hatte den hinterfragten Polizeieinsatz beantragt, gestützt insbesondere auf Informationen durch den Sculoer Polizeipostenchef.

Die Staatsanwaltschaft habe den Sachverhalt richtig dargestellt und beurteilt, schrieb das Kantonsgericht. Für eine strafrechtliche Verantwortlichkeit hätten sich keine Hinweise gefunden.

Beide Entscheide sind noch nicht rechtskräftig und können an das Bundesgericht weiter gezogen werden. (saw/sda)

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5 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Maya Eldorado
16.01.2024 17:40registriert Januar 2014
Er deckt ein Kartell auf, das sich bereichert, auch gegenüber dem Kanton.
Statt dass sich der Kanton bedankt, wird er grausam abgestraft.
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