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Graubünden: Baukartell-Whistleblower Quadroni erhält keine Entschädigung

Bündner Regierung entschädigt Whistleblower Adam Quadroni nicht

04.02.2025, 11:4704.02.2025, 15:57
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Der Whistleblower Adam Quadroni erhält von der Bündner Regierung keine Entschädigung, wie zuvor tausende Personen in einer Petition forderten. Es gebe keine rechtliche Grundlage, begründete die Exekutive.

Weil die Situation des Mannes, der das Bündner Baukartell auffliegen liess als Härtefall eingestuft wurde, erlässt ihm die Regierung jedoch offene Forderungen.

Die Einstufung als Härtefall ermöglicht es den Behörden, auf offene Forderungen gegen Quadroni zu verzichten, wie der Bündner Finanzdirektor Martin Bühler (FDP) am Dienstag vor den Medien in Chur erklärte. Dies bedeutet, dass seitens der Behörden keine weiteren Betreibungen und Verlustscheine gegen den Whistleblower ausgestellt werden.

Um wie viel Geld es dabei geht, wollte Bühler nicht sagen. Dies aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes. Zwei unabhängige Quellen bestätigten jedoch der Nachrichtenagentur Keystone-SDA am Dienstag, dass es sich dabei um rund 40'000 Franken handelt.

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Adam Quadroni erhält von der Regierung keine Entschädigung.Bild: keystone

Verschiedene Entschädigungsforderungen

Für eine finanzielle Entschädigung in Millionenhöhe, wie sie von Quadronis Rechtsvertreter und den Initianten einer 4231-fach unterschriebenen Online-Petition gefordert wurde, fehle es national und kantonal an einer rechtlichen Grundlage, so Bühler. Weiter stützten sich die Behörden auf den Entscheid des Nationalrats, der im Frühjahr 2024 zum wiederholten Male die Schaffung eines Rechtsrahmens zum Schutz von Whistleblowern abgelehnt hatte.

Die Gründe für die Forderungen Quadronis waren einzelne Polizeieinsätze, seine fürsorgerische Unterbringung und eine vermutete Nichtberücksichtigung bei öffentlichen Aufträgen. Seit 2019 bat er die Behörden mehrmals mithilfe von Zahlungsbefehlen um insgesamt 3 Millionen Franken.

Die Initiantin der Petition gab an, dass die Bündner Behörden dank Quadronis Enthüllungen rund um die Preisabsprachen in der Bündner Baubranche riesige Beträge eingespart hätten. Von über 100 Millionen Franken war die Rede. Sie verlangte einen einstelligen Millionenbetrag als Wiedergutmachung.

Initiantin hoffte auf Entgegenkommen

«Ich hab’ diesen Entscheid befürchtet», sagte die Initiantin Karin Huber am Dienstag nach dem negativen Entscheid der Bündner Regierung zu Keystone-SDA. Dennoch habe sie auf mehr Entgegenkommen der Behörden gehofft.

Während der von zahlreichen Journalisten besuchten Medienkonferenz fragte sie die Regierungsvertreter wiederholt, weshalb sie sich nie mit Adam Quadroni persönlich getroffen hätten. Er könne mittels Unterlagen beweisen, wie viel der Kanton durch ihn eingespart habe.

Quadroni, der selbst einst Mitglied des Baukartells war, deckte mit seinen Hinweisen den grössten Schweizer Fall von Bauabsprachen auf. Zunächst informierte er 2009 die kantonalen Behörden über die illegalen Preisabsprachen, doch niemand schenkte ihm Glauben. Erst als er sich später an die Eidgenössische Wettbewerbskommission (Weko) wandte, kam der Fall ins Rollen.

PUK-Empfehlungen umgesetzt

Die Aufdeckung des Baukartells zog zwei Untersuchungen nach sich. In einer Parlamentarischen Untersuchungskommission (PUK) und einer von der Bündner Regierung in Auftrag gegebenen Studie kam schliesslich ans Tageslicht, dass hochrangige Mitarbeiter des kantonalen Tiefbauamtes ihre Sorgfaltspflicht verletzt hatten. Ausserdem wurde die Arbeit verschiedener Behörden kritisiert, die Quadroni falsch eingeschätzt und ihn deswegen ungerechtfertigt zwangseinweisen liessen.

Aus beiden Berichten resultierte eine Reihe von Massnahmen, die nach Angaben der Regierung per Juni 2023 vollständig umgesetzt wurden. Unter anderem besteht seit Oktober 2022 im Kanton eine unabhängige Whistleblowing-Meldestelle für anonyme Meldungen im öffentlichen Beschaffungswesen. Die Weko habe die umgesetzten Prüfprogramme des Kantons schweizweit als vorbildhaft eingestuft, betonte die heutige Baudirektorin Carmelia Maissen (Mitte) am Dienstag in Chur.

Quadroni habe mit seinen Enthüllungen einen wichtigen Beitrag geleistet, so die Regierungsvertreter. Dafür habe man ihm gegenüber in einem Brief Dank und Respekt ausgedrückt. Dennoch wäre es ein schweizweites Novum gewesen, dass Hinweisgeber, die selbst Teil von kriminellen Absprachen waren, entschädigt werden. (rbu/sda)

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28 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Nett sein ist keine Schwäche
04.02.2025 12:23registriert August 2024
Einfach nur eine Schweinerei, was Quadroni widerfahren ist.
Wir brauchen endlich ein Whistleblower-Gesetz. Aber die Bürgerlichen haben kein Interesse. Warum? Das lässt tiefe Abgründe erahnen.
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TrueSherlock
04.02.2025 14:20registriert Juli 2024
Bei erfolgreichen Kartellen ist es wie sonst bei morganisierten Verbrechen: Sie haben lange Tentakeln, die manchmal weit nach oben reichen. Von einer unbeteiligten Obrigkeit hätte man erwartet, dass sie sich für ihren mutigen Mitbürger, der trotz hohen persönlichen Opfern eine solche Straftat aufzudecken half, auf jede denkbare Weise einsetzt und ihn wenigstens finanziell für sein von ihr mitverschuldetes Leiden entschädigt.
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insert_brain_here
04.02.2025 14:42registriert Oktober 2019
Wo kämen wir denn hin wenn diejenigen die krumme Geschäftemachereien aufdecken vom Gesetz geschützt oder gar belohnt werden? Da kämen die Nestbeschmutzer ja plötzlich aus allen Löchern gekrochen und so manch ehrbarer Unternehmer und gmögiger Politiker müsste sich plötzlich vor Gericht verantworten. Niemals, ein solcher Entwicklung steht der bürgerliche Block geschlosen entgegen. Ihr wisst schon warum 😉
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