Sie fliegt im Helikopter nach Saint-Tropez; sie posiert vor der Skyline in Dubai; sie entspannt sich im Liegestuhl am Strand von Miami. Die Zürcherin Jessica Gismondi präsentiert ihr Luxusleben auf Instagram. 1,3 Millionen Menschen folgen ihr auf dem sozialen Netzwerk. Wenn sie eine Story postet, schauen Hunderttausende zu. Es ist der perfekte Ort, um Werbung zu platzieren.
Gegen Honorar wirbt Gismondi für Luxusmodemarken, Hotels oder Schönheits- und Langlebigkeitskliniken. Alles im gehobenen Preissegment. Die Influencerin schwimmt auf einer Trendwelle: Marketing über die sozialen Medien gewinnt immer mehr an Bedeutung. Doch oftmals ist Werbung in Instagram-Posts oder Tiktok-Videos nicht klar als solche gekennzeichnet.
Das sagt auch Jessica Gismondi selbst. Am Telefon erklärt sie gegenüber CH Media: «Es gibt sehr viele Kunden, die nicht wünschen, dass der Post an prominenter Stelle mit dem Banner ‹Bezahlte Werbepartnerschaft› versehen wird.» In diesen Fällen verzichte sie auf das Banner. Doch dafür müsse bei den Hashtags oder in der Beschreibung ein Hinweis auf die Werbung enthalten sein, das sei ihr wichtig.
Gismondi stellt klar: «Es geht nicht darum, Schleichwerbung zu machen.» Vielmehr sei das Ziel, dass die Werbung nicht aggressiv, sondern authentisch wirke: «Ich nutze das Produkt privat und kann es auch weiterempfehlen.» Mit einer Portion «gesundem Menschenverstand» könne jeder Follower und jede Profilbesucherin relativ schnell erkennen, bei welchen Posts es sich um Werbung handle und bei welchen nicht.
Doch ist das wirklich so? CH Media hat einen Blick auf die Profile von einigen bekannten Schweizer Influencerinnen und Influencern geworfen. Vielerorts herrscht ein Wildwuchs bei den Kennzeichnungen.
Bei Jessica Gismondi fällt auf: In manchen Posts ist das Logo oder der Schriftzug einer Marke deutlich zu erkennen, doch es fehlt jeglicher Hinweis auf Werbung. Darunter sind auch Marken wie Prada oder Bulgari Hotels, mit denen die Influencerin eine Werbepartnerschaft hat. Gismondi erklärt: «Bei dem Leben, das ich führe und auf Instagram zeige, gehört eben mal eine Louis-Vuitton-Handtasche oder ein Prada-Pullover dazu.» Das seien Artikel, die sie selbst gekauft und bezahlt habe. Somit sei es keine Werbung.
Wir scrollen weiter zum Profil von Fabian Egger alias «Der Praktikant». Für seine insgesamt über 200'000 Follower auf Instagram und Tiktok stellt er täglich ein neues Ausflugsziel in der Schweiz vor; manchmal aus eigenem Antrieb, manchmal aber auch im Zuge einer bezahlten Partnerschaft.
Da ist etwa ein Video, in dem der «Praktikant» ein Hotel mit dem «schönsten Spa der Schweiz» lobpreist. Obwohl der Post in der Aufmachung deutlich an Werbung erinnert – er enthält detaillierte Informationen zum Anreiseweg, Übernachtungspreis und Halbpension -, fehlt jeglicher Hinweis auf eine bezahlte Partnerschaft.
Auf eine wiederholte Anfrage von CH Media betreffend die Kennzeichnung von Werbung hat der «Praktikant» nicht reagiert. Bei einigen Beiträgen findet sich zwar neuerdings das Banner «bezahlte Partnerschaft». Doch dieses wird nicht einheitlich verwendet: So prangt es über einem Beitrag, der die Erlebniswelt «KUHniversum» von Sänger Trauffer bewirbt; es fehlt jedoch bei einem nur wenige Tage jüngeren Post über das Bretterhotel von Trauffer.
Im Modebereich hat sich die Influencerin und Bloggerin Michèle Krüsi alias «The Fashion Fraction» einen Namen gemacht. Ihr Instagram-Profil zählt über 400'000 Follower. Auch bei ihr ist die Kennzeichnung nicht einheitlich. Da ist etwa ein Post, der einen hybriden SUV von Toyota bewirbt - diskret gekennzeichnet mit «Collab with Toyota», kurz für «Zusammenarbeit mit Toyota». Doch bei einem anderen Post, in dem ein Toyota-Modell als «das perfekte Familienauto» bezeichnet wird, fehlt ein Hinweis auf eine Werbepartnerschaft.
Das sind keine Einzelfälle, wie auch Jessica Gismondi festhält. «Wenn ich über die Profile von Schweizer Influencern scrolle, gibt es kaum jemanden, der Werbung ganz genau und gradlinig kennzeichnet.» Bei den deutschen oder österreichischen Mitbewerbern sehe das wegen der strengeren Regulierung anders aus.
Als Influencerin, die auch viele Aufträge aus den USA oder dem asiatischen Raum erhält, muss Gismondi über die Rechtslage in verschiedenen Ländern Bescheid wissen. Sie sichert sich immer mit einem Anwalt ab, bevor sie einen Werbevertrag unterschreibt. «Aus meiner Sicht wäre es wünschenswert, wenn es eine international einheitliche Richtlinie gäbe. Das würde vieles vereinfachen.»
Heute gibt es grosse Unterschiede. In Deutschland etwa besteht eine Pflicht zur Werbekennzeichnung. Nicht so in der Schweiz. Zwar steht im Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG), dass Influencer sich an Transparenz halten müssen und ihr Publikum nicht täuschen dürfen.
Und auch die Schweizerische Lauterkeitskommission, das Selbstregulierungsorgan der Werbebranche, hält in ihren Grundsätzen fest: Werbung müsse «eindeutig erkennbar» sein und vom «restlichen Inhalt klar getrennt werden». Darüber hinaus sei Schleichwerbung verboten. Sponsoring, Produktplatzierung und PR-Botschaften seien «nur im Falle einer klaren Transparenz gegenüber dem Publikum erlaubt».
Doch es bleibt ein gewisser Interpretationsspielraum bei der Frage: Wann ist Werbung eindeutig als solche erkennbar? «In der Schweiz muss diese Frage in jedem Fall einzeln beurteilt werden», erklärt Anja Kutter von der Lauterkeitskommission. Bei der Frage, was noch private Meinungsäusserung und was bereits kommerzielle Kommunikation ist, bestehe eine Grauzone, die in Einzelfällen zu einer gewissen Rechtsunsicherheit führe.
Wer dies ausnutze, bewegt sich laut Kutter aber auf dünnem Eis. Ein Verstoss gegen die Regeln hat bei der Schweizerischen Lauterkeitskommission zwar keine Sanktionen zur Folge. Ihre Entscheidungen sind nicht rechtlich bindend. In den meisten Fällen würden die Beschlüsse jedoch auf freiwilliger Basis respektiert und umgesetzt. Dies gilt auch für Influencerinnen und Influencer sowie die Firmen, welche diese beauftragen. «Wenn es blöd läuft, wird eine Influencerin oder eine Firma deswegen bekannt, dass sie Werbung nicht sauber kennzeichnet», sagt Kutter. Deshalb seien die Influencer wie auch die Firmen grundsätzlich darauf bedacht, dies seriös zu tun.
Doch auch wenn die Influencerinnen und Influencer ihren Ruf mit aufs Spiel setzen, wenn sie für eine Marke werben: Neutral ist ihr Blick nicht. So sagte der «Praktikant» Fabian Egger kürzlich in einem Podcast: «Es ist wie im Autojournalismus: Wenn du über etwas berichtest, berichtest du gut darüber.» (aargauerzeitung.ch)
Grundsätzlich hat sie nicht unrecht. Allerdings schliessen sich gesunder Menschenverstand und Follower gegenseitig aus.