Die Aussagen des «Verhaltenskodex» von Frontex sind unmissverständlich und vorbildlich - würden sich alle auch nach ihm richten, gäbe es an der EU-Aussengrenze viele Probleme nicht.
«Die Teilnehmer müssen die Menschenwürde und die Grundrechte jedes Einzelnen fördern, achten, gewährleisten und schützen», heisst es etwa unter Artikel 4 zu «Grundrechten». «Unabhängig von Geschlecht, Rasse, Hautfarbe, ethnischer und sozialer Herkunft, genetischen Merkmalen, Sprache, Religion oder Weltanschauung, Staatsangehörigkeit, politischer oder sonstiger Anschauung, Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit, Vermögen, Geburt, Behinderung, Alter oder sexueller Ausrichtung.»
Und in Artikel 18 zu «Gewaltanwendung und Waffengebrauch» steht ebenso deutlich: «Die Anwendung von Gewalt, insbesondere der Gebrauch von Waffen, darf nur als Ultima Ratio in Betracht gezogen werden.»
Es ist der Verhaltenskodex, den auch jeder Schweizer und jede Schweizerin erhält, wenn er oder sie für Frontex im Einsatz steht. Kurz vor der Abstimmung zum Ausbau der EU-Grenzschutzagentur sind das 13 Personen. Sie sind einerseits an der ukrainischen Grenze (Rumänien) im Einsatz, andererseits an der russischen Grenze - in Estland und Finnland. Dokumentenspezialisten überprüfen dort die Echtheit von Dokumenten direkt an der Grenze.
Frontex hat in der Zwischenzeit zusätzliche Unterstützung angefordert für die Fluchtbewegungen aus der Ukraine nach Rumänien. Es ist vorgesehen, dass die Schweiz Ende Mai drei zusätzliche Dokumentenspezialistinnen an die rumänisch-ukrainische Grenze schickt. Frontex-Mitarbeiter sind im Moment aber auch noch in Deutschland, Italien und Spanien stationiert.
Neben Dokumentenspezialisten stellt die Schweiz vor allem Grenzschutzexperten, Befragerinnen, Hundeführerinnen, Rückkehrspezialisten und Spezialisten für Information und Risiko und für logistische Unterstützung.
Befragerinnen führen (freiwillige) Interviews durch mit Migranten. Sie wollen etwa wissen, über welche Routen diese an die EU-Aussengrenze gekommen sind. Hundeführerinnen suchen nach Betäubungsmitteln und nach Sprengstoff. Und Spezialisten für Information und logistische Unterstützung arbeiten in der Warschauer Frontex-Zentrale. Je nach Dienst sind auch Schweizer Frontex-Mitarbeiter bewaffnet.
Schon früher hatte das Aussendepartement (EDA) Frontex vorgeschlagen, zwei Grundrechtsexpertinnen in die Zentrale in Warschau zu delegieren. Das fand Frontex eine gute Idee. Die beiden Frauen arbeiten seit 2021 in Polen. Sie sollen auch nach einem allfälligen Ja am 15. Mai dort bleiben.
2022 bilden total 66 Personen den Frontex-Pool, aus dem die Schweiz das Personal abstellt, um die sechs geforderten Vollzeitjobs abzudecken. Im Falle eines Ja zum Ausbau wird der Pool 2023 auf 76 und 81 Personen aufgestockt. Ende 2023 überprüft Frontex wieder, wie es um die personelle Situation steht. Bis 2027 soll die Schweiz gemäss Planung von heute 40 Vollzeitjobs abdecken.
Der Frontex-Pool ist im Bundesamt für Zoll und Grenzsicherheit (BAZG) angegliedert. Frontex-Stellen werden intern ausgeschrieben. Wer sich dafür bewirbt, durchläuft ein Assessment. Geprüft werden unter anderem berufliche Qualifikationen, Englisch-Kenntnisse und die familiären Verhältnisse.
Die Schweiz stellt aber auch permanent zwei Verwaltungsräte für Frontex: Marco Benz, stellvertretender Direktor des Bundesamts für Zoll- und Grenzsicherheit (BAZG) und Medea Meier, Chefin Sektion Schengen, Frontex und Internationale Sicherheitszusammenarbeit des BAZG.
Sie konnten den bislang geheimen Bericht der EU-Antibetrugsbehörde Olaf vor Ort physisch einsehen und berichteten im Nachgang Finanzminister Ueli Maurer darüber. «Ich wurde mündlich darüber orientiert von unseren Leuten, die ihn gelesen haben», sagte Maurer in der «Arena» zu Frontex auf SRF.
«Es gibt diese Missbräuche bei Frontex, darum hat man auch gehandelt und überhaupt angefangen mit den Untersuchungen», hielt der Finanzminister fest, der im Bundesrat für Frontex zuständig ist. «Der Bericht ist offenbar so erdrückend, dass der Frontex-Chef zurücktreten musste.»
Das zeige aber auch, dass das System gesamthaft funktioniere. «Es gab Hinweise von Missbräuchen, man hat es untersucht und jetzt wurden die Konsequenzen gezogen.» Fabrice Leggeri, der umstrittene Frontex-Direktor, musste am Freitag gehen.
Leggeri war es auch, der den glasklaren und unmissverständlichen Frontex-«Verhaltenskodex» unterschrieben hat. Es bleibt nun dem Nachfolger oder der Nachfolgerin überlassen, diesen auch konsequent umzusetzen. (aargauerzeitung.ch)