Ohne institutionelles Rahmenabkommen werde die Beziehung zur Schweiz «erodieren», sagt die EU-Kommission. Bilaterale Abkommen würden nicht mehr aktualisiert oder nur noch dort, wo es der EU nützt. Ist das schlimm und wo genau könnte es als erstes zu Problemen kommen? Eine Übersicht.
Wegen des Streits ums Rahmenabkommen blockiert die EU die Verhandlungen über die Teilnahme der Schweiz an den Forschungsprogrammen, wie dem mit über 90 Milliarden Euro dotierten «Horizon Europe»-Programm. Schweizer Hochschulen drohen ihren privilegierten Zugang zum europäischen Forschungs-Netzwerk zu verlieren.
Ob die EU an ihrer Blockadehaltung festhält, muss sich zeigen: Immerhin verfügt die Schweiz neben Grossbritannien über die besten Universitäten in Europa. Und auch andere Drittländer wie Israel dürfen an «Horizon Europe» teilnehmen. Wahrscheinlich ist aber, dass sich ohne Rahmenabkommen die Teilnahme-Bedingungen verschlechtern werden.
Einen konkreten Vertrag, den die EU nicht mehr aktualisiert, ist das Abkommen über die technischen Handelshemmnisse. Es regelt die gegenseitige Anerkennung von Produktestandards und garantiert einen hindernisfreien Zugang der Schweizer Industrie zum europäischen Binnenmarkt.
Wegen der Nicht-Aktualisierung muss bereits ab heute Mittwoch die Medizinalbranche zusätzliche Hürden gewärtigen. Der Branchenverband «Swiss Medtech» fürchtet um die Attraktivität des Standorts Schweiz. Als nächstes dürften die Maschinenbauer und die Hersteller von Baustoffen von der Nicht-Aktualisierung betroffen sein. Das Abkommen umfasst zwei Drittel aller Industrieexporte in die EU.
Will die Schweiz den Atomausstieg und die Energiestrategie 2050 umsetzen, wäre es gut, wenn sie vollständig in die europäische Energieunion eingegliedert ist. Dafür wäre aber ein Stromabkommen nötig. Ein solches ist bereits ausgehandelt und liegt in der Schublade.
Die EU verweigert ohne institutionelles Rahmenabkommen jedoch die Unterschrift. Mittelfristig droht die Schweiz beim Stromhandel benachteiligt zu werden. Allerdings: Auch die EU ist auf die «Stromdrehscheibe» Schweiz und die Transitleitungen angewiesen.
Die Pandemie hat gezeigt, dass eine enge Gesundheits-Kooperation zwischen der Schweiz und der EU unabdingbar ist. Es geht unter anderem um Seuchenprävention und Frühwarnsysteme. Ein bilaterales Gesundheitsabkommen ist weitgehend ausgehandelt, bleibt jedoch wegen dem Rahmenabkommen blockiert.
So ist die Schweiz auf den Goodwill der EU angewiesen: Mal zeigt sich Brüssel offen, wie beim Grünen Impfzertifikat. Ein anderes Mal wird die Schweiz ausgesperrt, wie beim Zusammenschluss der europäischen Covid-Apps.
Die Schweiz hat ihr Datenschutzgesetz überarbeitet und den neuen EU-Normen angepasst. Die EU müsste das Schweizer Schutzniveau nun als gleichwertig anerkennen, was eigentlich schon überfällig ist.
Schweizer Unternehmen fürchten nun, dass die EU diese Anerkennung verweigert. Schweizer Firmen könnte dann die Verarbeitung kundenbezogener Daten aus der EU untersagt und neue Hürden auferlegt werden. Das betrifft längst nicht nur den Digital-Standort Schweiz, sondern eine Vielzahl kleiner und mittlerer Unternehmen.
In einem geheimen Papier über die möglichen Folgen eines Rahmenabkommen-Aus nennt der Bundesrat unter anderem das Landwirtschaft, wo es zu Problemen kommen könnte, wie die «NZZ» berichtet.
Tatsächlich würde ohne Aktualisierung des Abkommens Schweizer Lebensmittelexporte wie Milch und Fleisch erschwert und zudem Import-Kontrollen an den Grenzen nötig werden. Dieses Szenario beschreibt auch die EU-Kommission in einem am Dienstag veröffentlichten Faktenblatt. (bzbasel.ch)
Aber eben, ist sie das nicht schon heute?
Was ich nicht nachvollziehen kann, wie wenig Kenntnis auf Schweizer Seite über die EU vorhanden ist. Die EU verhandelt prinzipienbasiert und im Vordergrund stehen dabei die sog. Grundfreiheiten. Daran und an der Rolle des EuGH als alleiniger Ausleger des Binnenmarktrechts wird keine Verhandlung vorbeikommen. Die EU würde sich in ihrem Selbstverständnis sonst aufgeben.
Keine Ahnung, warum man lange getan hat, als wäre das anders🤷