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US-Gruyère-Produzenten wehren sich gegen Kritik aus der Schweiz

Amerikanische Gruyère-Produzenten: «Wir stehlen weder Namen noch imitieren wir Stile»

Die Schweiz ist mit dem Versuch gescheitert, die Marke Gruyère in den USA zu schützen. Aber amerikanische Produzenten des Hartkäses sind dennoch auf dem Rückzug, wie ein Streifzug durch das Käse-Paradies Wisconsin zeigt - wäre da nicht der Schweizer Milchriese Emmi.
29.08.2023, 06:0329.08.2023, 10:55
Renzo Ruf, Madison (Wisconsin) / ch media
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Eine abgewandelte, klar amerikanische Version des Gruyère, gefunden in einem Supermarkt in New York.
Eine abgewandelte, klar amerikanische Version des Gruyère, gefunden in einem Supermarkt in New York.Bild: Shutterstock

Gross war die Aufregung in diesem Frühjahr, als ein amerikanisches Berufungsgericht in wohl letzter Instanz entschied: Gruyère sei in den USA eine geläufige Käsebezeichnung, unabhängig vom Ursprungsort. Damit durchkreuzten die Richter die Pläne der schweizerischen und der französischen Sortenorganisation, Gruyère in der grössten Volkswirtschaft der Welt als Marke zu schützen.

Rund 10 Prozent des in der Schweiz produzierten Gruyère wurden 2022 in die USA exportiert; aufgrund des fehlenden Markenschutzes wird der Käse dort nicht nur von heimischen Greyerzer-Kopien bedrängt, sondern auch von Imitaten aus Finnland und Deutschland.

Eine herbe Niederlage für den meistproduzierten Käse der Schweiz. Doch nun, ein halbes Jahr später, gibt es zumindest Anzeichen dafür, dass die Interprofession du Gruyère ein Ziel ihrer Klage erreicht hat: Im Detailhandel werden Gruyère-Kopien aus amerikanischer Produktion seltener. Und die Verwechslungsgefahr für die Konsumentinnen und Konsumenten sinkt - selbst in Wisconsin, dem Käse-Paradies im Mittleren Westen der USA, wie sich während einer kurzen Reise zeigt.

Erste Station dieses Streifzuges: Der Wisconsin Cheese Mart in Madison, der Hauptstadt von Wisconsin. Auf dem Schaufenster des Geschäfts unweit des Parlamentsgebäudes steht geschrieben: «Die weltgrösste Auswahl» von Käsesorten aus Wisconsin, angeblich 150 an der Zahl. Ein heimischer Gruyère aber fehlt in der beachtlichen Angebotspalette, auch wenn eine Regalanschrift darauf hindeutet, dass dies früher anders war. Stattdessen preist die Verkäuferin ein Produkt der Käserei Uplands Cheese aus Dodgeville an. Dieser Käse trägt den Namen «Pleasant Ridge Reserve», und ist gemäss dem Hersteller eine Mischung aus Beaufort und Gruyère. Dieses Rohmilch-Produkt schmeckt tatsächlich vorzüglich, und erinnert an einen schweizerischen Bergkäse.

Verkauft ausgerechnet Emmi eine Gruyère-Kopie?

Zweite Station: Ein Supermarkt am Stadtrand von Madison, unter Käse-Fans ein Geheimtipp. Brennan's Market heisst der Lebensmittelladen, der tatsächlich eine beeindruckende Zahl von «authentischen» Käsesorten verkauft. Im Angebot befindet sich auch ein «Grand Cru Gruyere», der sich angeblich vorzüglich für eine Zwiebelsuppe französischer Art eignet. (Ob das ein Kompliment für den Hersteller ist, sei hier dahingestellt.) Ein Blick auf das Label der Eigenmarke zeigt, dass der Käse aus Wisconsin stammt und angeblich von einer Tochterfirma des Schweizer Milchverarbeitungsriesen Emmi Group herstellt wurde.

Der «Grand Cru Gruyere» hat im Namen ein Wort zu viel.
Der «Grand Cru Gruyere» hat im Namen ein Wort zu viel.bild: rr/chmedia

Kann das sein, dass ausgerechnet Emmi - deren Le Gruyère AOP in vielen amerikanischen Supermärkten verkauft wird - die Bestrebungen der Sortenorganisation untergräbt? Eine Sprecherin von Emmi Roth, wie der amerikanische Zweigbetrieb seit 2009 heisst, will das so nicht bestätigen. Stattdessen sagt Kaya Freiman: «Möglicherweise wurde der Käse vom Detailhändler falsch etikettiert und wir werden uns mit ihm in Verbindung setzen.» Eine Anfrage bei Brennan's Market blieb unbeantwortet.

Was die Emmi-Roth-Sprecherin nicht sagt: Fehlerhaft an der Etikette ist wohl nicht, dass der amerikanische Käse unter dem Namen «Gruyere» verkauft wurde. Fehlerhaft ist vielmehr, dass die Konsumenten ebenfalls darüber informiert wurden, dass es sich dabei um ein Produkt einer Emmi-Tochter in Monroe (Wisconsin) handelt.

In amerikanischen Gerichtsakten ist nämlich nachzulesen, dass Emmi Roth seit 2013 darauf verzichtet, Käse aus Wisconsin als Gruyère zu verkaufen. Diese Abmachung mit der Sortenorganisation in der Schweiz gilt aber nicht für artverwandte Eigenmarken - also für Gruyère-Käse, den Supermärkte von Emmi Roth beziehen und dann mit einer eigenen Etikette in den Handel bringen. So verkauft die Supermarkt-Kette Wegmans nicht nur rezenten Le Gruyère AOP aus der Schweiz, sondern auch das billigere und mildere Imitat aus Wisconsin. Alle Greyerzer-Käse im Angebot stammen aus dem Hause Emmi, auch wenn auf der amerikanischen Kopie der Name des Herstellers nicht erwähnt wird.

Die Emmi-Sprecherin Simone Burgener bestätigt dieses Arrangement auf Anfrage. Sie sagt: «Im Auftrag von Handelspartnern produzieren wir wie andere Hersteller auch vor Ort artverwandte Käse, deren Vermarktung inklusive Auslobung nicht in unserer Verantwortung liegen.» Die Kunden der Eigenmarken würden jeweils «auf die rechtliche Situation sowie die Risiken» hingewiesen. Auch empfehle Emmi, auf den Gebrauch des Begriffs Gruyère zu verzichten, sagt Burgener. «Auf die Art, wie, unter welchem Namen und zu welchem Preis derartige Eigenmarken verkauft werden, haben wir aber letztlich keinen Einfluss, auch nicht rechtlich.»

«Wir stehlen weder Namen noch imitieren wir Stile»

Während des Streifzugs entlang der Käsetheken in Wisconsin fällt allerdings auf, dass viele unabhängige Käsereien keine Lust dazu haben, die Kundschaft zu verwirren. Stattdessen deklarieren sie auf der Etikette, dass ihr Gruyère nicht importiert wurde. (Der Interprofession-Geschäftsführer Philippe Bardet sagt dazu, dass ihm die meisten amerikanischen Greyerzer-Hersteller seit Jahren bekannt seien und in den vergangenen Jahren keine neuen US-Anbieter dazugekommen seien.)

So verkauft die Burnett Dairy Cooperative aus Grantsburg ihren Greyerzer als «Cheddar Gruyere» - eine einzigartige Mischung, die schmeckt wie ein milder Gruyère. Die Käserei Cheese Brothers aus Barron, die ihre Produkte online vertreibt, wiederum preist ihren Greyerzer als «Wisconsin Gruyère» an, Accent grave inbegriffen. Inspiriert von der Schweiz, aber gefertigt mit Milch aus Wisconsin, sei dieser Käse ein Fan-Favorit, ist auf der Internet-Seite der Firma nachzulesen.

Ein kleiner Geschmackstest beweist: Meine Familie teilt diese Meinung. Während der Emmi-«Grand Cru» meinem 11 Jahre alten Sohn zu räss ist, mundet ihm der «Wisconsin Gruyère». Er sagt, der Käse erinnere ihn an Swiss Cheese, wie der Emmentaler-Verschnitt in den USA häufig genannt wird.

Der «Wisconsin Gruyère» der Käserei Cheese Brothers.
Der «Wisconsin Gruyère» der Käserei Cheese Brothers.bild: rr/chmedia

Das hat wohl auch mit der Familiengeschichte der Cheese Brothers zu tun, wie Co-Gründer Eric Ludy erklärt. Zwar sind er und sein Kompagnon Gene Graf nicht miteinander verwandt, beide verdanken ihre Liebe zum Käse aber Ludys Vater, einem Käser. Dessen Vorfahren wiederum wuchsen im Kanton Bern auf; der Ur-Grossvater von Eric Ludy wanderte vor etwas mehr als 100 Jahren aus dem Emmental nach Wisconsin aus.

Ludy bezeichnet es deshalb als «Missverständnis», dass in der Schweiz der Eindruck entstanden sei, amerikanische Käser seien Trittbrettfahrer. «Wir stehlen weder Namen noch imitieren wir Stile», sagt er. Vielmehr seien Käse wie der «Wisconsin Gruyère» eine Art Verbeugung vor den Traditionen der Heimat seiner Vorfahren, so wie das im Einwandererland USA häufig vorkomme. Allerdings «respektiere» er den Standpunkt der Schweizer, sagt Ludy. Die «Cheese Brothers» würden deshalb den Namen des Käses wohl bald ändern - er habe schliesslich kein Interesse daran, in der Schweiz zum Paria gemacht zu werden. (bzbasel.ch)

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67 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Pafeld
29.08.2023 07:02registriert August 2014
«Wir stehlen weder Namen noch imitieren wir Stile»

Das spielt auch keine Rolle bei einer geschützten Orts- oder Herkunftsbezeichnung. Warum unsere Behörden Apple das universelle Recht am Apfel-Logo gewähren wollen, während die USA geschützte Herkunftsbezeichnungen mit lokalen Gerichten (die als Geschworenengerichte lediglich die örtlichen Interessen durchsetzen) einfach aushebelt ist mir schlicht schleierhaft.
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frereau
29.08.2023 06:14registriert Januar 2019
Die Geschichte erinnert mich an den Tilsiter, der ursprünglich aus Sowetsk, im heutigen Kaliningrad stammt.
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Macca_the_Alpacca
29.08.2023 08:55registriert Oktober 2021
Ich habe in New York jeweils Gruyère in bester Qualität im Delikatess Laden gekauft, zum halben Preis, der in der Schweiz üblich ist. (War bei den Swatches und Swatch phone genauso). Ist ja auch klar warum das geht. Den besten Käse verlauft die Schweiz ins Ausland uns das auch noch subventioniert! Leider waren die Sturen Bauern und Kser in den 80er Jahre zu stur und bünzlig um die Marke zu schützen. Die haben ihr Geld ja von Staat in den Allerwertesten geschoben bekommen. Kein Wunder kopiert nun jeder was und wo er will. Selber Schuld.
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