Ihnen wird seit Langem eine grosse Zukunft prognostiziert: Unternehmen wie Beyond Meat, Oatly, oder auch Schweizer Produzenten wie Planted, die den Markt für vegane Ersatzprodukte revolutionieren und gross machen wollen.
Doch zuletzt kamen ebendiese Unternehmen arg unter Druck; die Aktien der börsenkotierten Unternehmen kennen seit geraumer Zeit nur noch eine Richtung, und zwar nach unten. Ist der Appetit nach Ersatzprodukten wie veganen Bratwürsten oder Burgern aus Erbsenprotein schon wieder vorbei?
Nicht ganz, denn die Gründe sind vielseitig.
Bei seinem Börsengang setzte Beyond Meat zum Höhenflug an. Im Mai 2019 schoss die Aktie des Fleischersatz-Herstellers aus Kalifornien auf fast 66 Dollar pro Aktie – das waren ganze 160 Prozent höher, als der Preis, zu dem die Aktie am Morgen herausgegeben wurde. Es war der beste Börsengang in den USA seit dem Jahr 2000.
Bereits damals wurden Stimmen laut, wonach die Aktie wohl völlig überbewertet sei. Das würde den ersten Preisfall noch im selben Jahr erklären – nicht aber die deutliche Abnahme seit Mitte 2021. Nach regem Auf und Ab verliert die Aktie seit diesem Zeitpunkt kontinuierlich an Wert. Zurzeit beträgt der Preis noch einen Sechstel des Preises am Tag des Börsengangs – und noch knapp 5 Prozent des Höchststandes im Juli 2019.
Kaum anders ging es dem schwedischen Hersteller von Hafermilch, Oatly. Auch diese Aktie hatte im Mai 2021 einen starken Börsengang und kletterte vom Einstiegspreis von 17 Dollar auf einen Höchstwert von knapp unter 30 Dollar. Jetzt notiert sie zwischen 1.20 und 1.30 US-Dollar – ebenfalls ein Bruchteil des Werts, der die Oatly-Aktie noch vor zwei Jahren hatte.
Nun wird als naheliegender Grund die nachlassende Nachfrage herangezogen. Rein anhand des Umsatzes gehören Fleisch- und Milchersatzprodukte noch immer zu einem Nischenmarkt: Gemäss Zahlen vom Bundesamt für Landwirtschaft, machten Milchersatzprodukte (Milch, Joghurt, Käse, Quark) in der Schweiz im Jahr 2021 – trotz starkem Wachstum seit 2017 – lediglich 4,2 Prozent des Gesamtmarktes aus. Und bei Fleischersatzprodukten sind es nur gerade 3 Prozent. Neuere Zahlen sind allerdings noch nicht vorhanden.
Da es sich (noch) um einen Nischenmarkt handelt, wird jetzt spekuliert, dass der Markt von veganen Produkten eine «natürliche Grenze» erreicht habe: «Ist der Boom vorbei?» fragen jetzt viele. Und Analysten meinen gar, Hersteller von Ersatzprodukten sehen «wie eine Modeerscheinung aus, deren 15 Minuten Ruhm schon wieder vorbei sind». Andere sagen, der «Veggieboom» sei «eine Legende».
Dabei wird das nachlassende Interesse als einer der Gründe für die darbenden Aktienkurse ins Feld geführt: Wer sich vegetarisch oder vegan ernähren wolle, tue das bereits, erklärt zum Beispiel eine SRF-Analyse. Denn noch ernähren sich in der Schweiz lediglich 5,3 Prozent komplett vegetarisch. Es handle sich dabei um einen Nischenmarkt, der nicht stetig grösser werde, so die Analyse.
Dieses Argument verkennt jedoch die Bedeutung der sogenannten «Flexitarier». Die Grenzen des Marktes verlaufen nämlich nicht entlang der einzelnen Menschen – sondern innerhalb des Konsums dieser Menschen. Das zeigen die Zahlen im «Plant Based Food Report 2023» von Coop: Der Anteil Personen in der Schweiz, die mehrmals pro Monat bewusst auf tierische Produkte verzichten («Flexitarier») steigt kontinuierlich an. 2022 waren es 63 Prozent – 2014 gaben noch 40 Prozent an, «Flexitarier» zu sein.
Das bedeutet also: Es können sich immer noch gleich viele Menschen für den Fleisch- oder Milchkonsum entscheiden. Die Frage lautet nur, wie oft sie das tun. Wie viel Luft hier noch nach oben ist, ist unmöglich zu prognostizieren.
Nach einem starken Anstieg während und kurz nach der Pandemie sind in den USA 2022 die Verkäufe von Fleischalternativen im Vergleich zum Vorjahr gesunken.
In der Schweiz dürften sie sich zur selben Zeit stabilisiert haben. Die grössten Detailhändler Coop und Migros geben keine detaillierten Zahlen dazu heraus. Auf Anfrage von watson sagt Coop: «Im vergangenen Jahr hat sich die Nachfrage nach Fleisch- und Milchersatzprodukten auf einem hohen Niveau stabilisiert.». Das Unternehmen hat mit über 1800 veganen Produkten die grösste Auswahl im Schweizer Detailhandel.
Und auch die Migros teilt mit, dass sich nach der Coronazeit das Wachstum verlangsamt hat. Trotzdem: «Die Nachfrage nach diesen Produkten ist aber weiterhin steigend und wir sind mit der Entwicklung sehr zufrieden. Die relativ junge Käuferschaft zeigt uns auch, dass das Sortiment weiter an Bedeutung gewinnen wird», so der Detailhändler. Gleiches glauben auch die Discounter Aldi und Lidl, die ihr Sortiment aufgrund der hohen Nachfrage weiter ausbauen. Am gefragtesten seien bei Aldi derzeit vegane Aufschnitte, Tofu sowie Burger-Alternativen.
Trotzdem zeigt sich: 2022 waren die Umsätze im Schweizer Fleischersatzmarkt erstmals rückläufig. Auch wenn das nicht in allen Kategorien der Fall war, wird dennoch deutlich, dass die steilen Wachstumsraten im letzten Jahr einen Knick erhalten haben.
Doch anstatt der vergangenen Lust könnte ein anderer Grund dafür verantwortlich sein: die Inflation.
In Zeiten steigender Preise schwenken Konsumentinnen und Konsumenten oftmals auf die billigeren Produkte um. Und die Preise sind die Achilles-Sehne der Ersatzprodukte-Industrie: sie sind – nach wie vor – in den meisten Fällen höher als die ihrer natürlichen Konkurrenten. Dieser Umstand zeigt sich in Ländern mit hoher Inflation, wie den USA, umso mehr. Die «Financial Times» beschreibt es so:
Zum Übel für Beyond Meat kamen hausgemachte Probleme dazu. Im November hat Bloomberg einen Artikel veröffentlicht, der Unappetitliches zum Vorschein brachte. Demnach herrschten in einigen Fabriken in den USA ungenügende Hygienestandards. Fotos zeigten Schimmelbefall an den Wänden, ausserdem wurden in Stichproben Listerien gefunden.
Die Beyond-Aktie hat damals zwar schon zum Sinkflug angesetzt, Berichte wie diese sind aber ein weiterer herber Schlag für ein Nahrungsmittelunternehmen. Wohl auch als Folge davon hat sich die Beyond-Aktie seither alles andere als fangen können.
Und apropos Gesundheit: Dass sich Menschen zunehmend gesund ernähren wollen, spielt vielen Fleischersatzherstellern heute nicht mehr in die Karte. Gemäss einer Deloitte-Studie haben gerade in den USA viele frühe Konsumenten geglaubt, dass die gesundheitlichen Vorteile für alle aus Pflanzen hergestellten Lebensmittel gelten würden. Daran glauben laut Deloitte aber heute viel weniger Menschen. Denn Fakt ist: In der Regel sind pflanzliche Ersatzprodukte nicht kalorienärmer oder gesünder.
Anfang August präsentierte Beyond Meat seine neusten Zahlen. Sie waren nicht gut: Im zweiten Quartal ging der Umsatz um 31 auf 102 Millionen zurück, das Unternehmen musste als Folge seine Jahresprognose zurücksetzen – immer ein schlechtes Signal. Und das, obwohl Beyond Meat bereits Kostensenkungen, etwa durch die Entlassung von Mitarbeitenden, vorgenommen hat. Und: Noch immer schreibt das Unternehmen Verluste. Die Börse reagierte sofort und die Aktie liess zeitweise um über 14 Prozent nach.
Ein weiterer Grund für diese schlechten Zahlen könnte aber auch die Situation auf dem Markt sein. Seit der Einführung von veganem «Fleisch» sind immer mehr Unternehmen in die Produktion eingestiegen. Das Problem für die bisher erfolgreichen sogenannten «First Mover», die den Markt zuerst abgrasen konnten: Es kamen auch grosse Player wie Unilever, Kellogg's, Tyson Foods oder Nestlé dazu. Im Milchersatz-Business war es zum Beispiel Danone, der das Unternehmen wie Oatly zu bedrängen begann. Solche Nahrungsmittel-Riesen haben allgemein eine deutlich grössere Marktmacht und setzen so die kleineren, innovativen Start-ups unter Druck.
Als Folge auch des erhöhten Drucks im Markt sank bei Beyond Meat die Bruttomarge 2022 ins Negative. Das bedeutet: Mit jedem investierten Dollar verliert das Unternehmen unter dem Strich.
Nicht zuletzt spielt wohl die nächste Innovation am Markt eine Rolle für den Absturz von Beyond Meat: Laborfleisch. Seit Jahren wird daran geforscht, seit Juni darf in den USA im Labor gezüchtetes Fleisch verkauft werden. Das bringt die Hersteller von pflanzenbasiertem «Fleisch» in Bedrängnis.
Zwar ist Laborfleisch derzeit noch sehr teuer. Es gibt aber Anzeichen dafür, dass es auch für die Kapitalgeber «The Next Big Thing» wird – und der Vorgänger nicht mehr so interessant ist: Während die Investitionen in Beyond Meat und Co. abnehmen, erhalten Produzenten von Laborfleisch gerade rekordverdächtig hohe Kredite.
In Europa ist die Situation für Produzenten von herkömmlichen Alternativen etwas besser. Besonders in der Schweiz scheint ein Unternehmen der Dynamik am Markt zu trotzen: Planted. Dank seiner Pionierarbeit gehört Planted zu den grossen Akteuren von Fleischersatz-Herstellern der Schweiz. Das Produktionsvolumen des Unternehmens ist seit der Gründung 2019 stark gewachsen. In der Schweiz ist Planted der grösste Produzent von pflanzenbasiertem Fleisch und verzeichnet laut eigenen Angaben die höchste Wiederverkaufsrate von Fleischersatzprodukten.
Entgegen dem Trend innerhalb der Branche wächst Planted immer weiter. Das Unternehmen beschäftigt mittlerweile über 200 Mitarbeitende, Ende Jahr sollen es gemäss eigenen Aussagen 300 sein. Planted expandierte nach Deutschland, Österreich, Frankreich, Italien, Grossbritannien und Benelux. Alle Produkte werden in der Schweiz hergestellt, ausser die vegane Bratwurst. Diese werde aufgrund von Platzgründen mit einem Partnerbetrieb in Deutschland produziert.
Wie stemmt sich Planted gegen den Negativtrend? Ein entscheidender Vorteil, gerade zu Inflationszeiten: Die veganen Produkte von Planted sind in der Schweiz nicht teurer als herkömmliches Fleisch. Und bezüglich der Gesundheitsbedenken der Konsumentinnen und Konsumenten gibt es einen weiteren Vorzug. Christoph Jenny, Mitgründer des Start-ups, erklärt gegenüber watson: «Anders als bei anderen Anbietern kommen unsere Produkte mit nur natürlichen Zutaten aus, also ohne Zusatzstoffe und Geschmacksverstärker.»
Das Unternehmen stört sich vor allem daran, dass der vegane Markt mit Lebensmitteln kaputt gemacht werde, die ihre Versprechen nicht halten. «Es gibt sehr viele schlechte Produkte auf dem Markt», sagt Jenny. Er glaubt, dies veranlasse viele Konsumentinnen und Konsumenten dazu, nach einem ersten Versuch keine weiteren Produkte auszuprobieren.
Hat man bei Planted keine Angst vor der Konkurrenz aus dem Labor? «Wir betrachten die aktuelle Entwicklung von Laborfleisch mit Interesse und Offenheit. Konkurrenz sehen wir als Ansporn, um noch bessere Produkte zu schaffen», lässt Planted verlauten. Die Technologie stehe nicht zwingend im Fokus, man sei der festen Überzeugung, dass Konsumentinnen und Konsumenten «letztendlich das beste Produkt wählen, bei dem Geschmack, Preis, Gesundheitsaspekte und Umweltbilanz im Vordergrund stehen.» Und: «Wir begrüssen den Wettbewerb sowie Initiativen, die darauf abzielen, unseren Planeten zu schützen und zu erhalten.»
Der Artikel versucht, in das Gambling mit Risikokapital einen Realitätsbezug hinein zu interpretieren, den es wahrscheinlich gar nicht gibt.
Weniger Fleisch essen wir auch, aber wir ersetzen es lieber durch mehr Gemüse etc.