«Schweizer Stadt bietet Obdachlosen One-Way-Tickets in andere Länder an, solange sie sich verpflichten, nicht zurückzukehren.» So titelte die britische Zeitung «Daily Mail» und kritisierte in ihrem Artikel, der anfangs Woche erschien, die Praxis in der Stadt Basel. Auch andere Medien wie «Newsweek» oder der neuseeländische Nachrichtendienst «Newshub» griffen das Thema auf.
Beim Basler Justizdepartement bestätigt Martin Schütz die Praxis. «EU-Staatsangehörige, die eine Ausreise aus der Schweiz nicht selber finanzieren können, erhalten unter bestimmten Voraussetzung Unterstützung.»
Das könne in Form eines Zugtickets zurück in die Heimat sein, wenn die Betroffenen Nothilfe beantragen würde, sagt Schütz weiter. «Sollten diese Personen innert kurzer Zeit nach ihrer Ausreise wieder hier anzutreffen sein, werden sie weggewiesen», sagt Schütz. Gleichzeitig würde ein mehrjähriges Einreiseverbot beantragt.
Im Februar 2021 stellte das Basler Migrationsamt 17 Bettler:innen ein «Railcheck» der SBB aus und zahlte ihnen 20 Franken Zehrgeld für die Verpflegung. Schütz spricht von insgesamt 31 Bettler:innen, die bisher auf diese Art von Basel-Stadt aus der Schweiz ausgereist seien.
Von den 31 reiste knapp die Hälfte nach Rumänien. Die übrigen wollten vereinzelt nach Belgien, Deutschland, Italien und Frankreich, sagt Schütz weiter. Jedoch wollten weit nicht alle ausländischen Bettler:innen von der Möglichkeit Gebrauch machen.
Das zeigt auch eine Reportage, die das Basler Magazin bajour publiziert hat. «Das Problem ist, dass die Menschen sich dafür offiziell anmelden müssten und die Rückkehrhilfe einmalig gilt. Aber die meisten wollen nicht definitiv zurück. Höchstens über die Festtage», sagt Michel Steiner vom Verein für Gassenarbeit Schwarzer Peter gegenüber bajour.
Basel-Stadt will das Bettelverbot wieder einführen. Das forderte der Grosse Rat Ende letztes Jahr. In den meisten Schweizer Kantonen gilt ein Bettelverbot.
Mit seiner Zugticketpraxis steht Basel-Stadt bislang noch alleine da. Das zeigten Anfragen von watson bei anderen Schweizer Städten.
Der Kanton und die Stadt Bern gehören zu den wenigen, die das Betteln grundsätzlich erlauben. Allerdings überwache dort die Polizei das organisierte Betteln streng, sagt Alexander Ott von der Fremdenpolizei. «Oft sind ausländische Bettler:innen in Clans unterwegs und das wollen wir kontrollieren.»
Dabei setze man in Bern auf regelmässige Gespräche. Die Polizei kläre die Herkunft und Identität der Bettler:innen und prüfe, ob sie in einer verletzlichen Situation seien, sagt Ott. «Erst wenn Gespräch nichts mehr bringen, weisen wir die Personen im Rahmen des Ausländerrechts weg.» Weil Betteln in der Schweiz nicht als Erwerbstätigkeit gilt, gebe es kein Anrecht auf eine Aufenthaltsbewilligung, so die Berner Auslegung.
Das «Berner Modell» gilt als erfolgreich. Trotzdem häuften sich momentan die Klagen über Bettler:innen, sagt Alexander Ott von der Fremdenpolizei. «Wir stellen seit etwa sechs Wochen fest, dass in Bern immer mehr und zum Teil sehr aggressiv gebettelt wird.»
Auch in Zürich hätten die Meldungen in den letzten vier Monaten zugenommen, sagt Pascal Siegenthaler von der Stadtpolizei. In den Monaten Januar bis April seien 300 entsprechende Anrufe eingegangen. «Im gleichen Quartal gab es in den Vorjahren 2017 bis 2020 zwischen 44 und 87 Anrufe wegen Bettler:innen», so Siegenthaler. Auch die polizeilichen Verzeigungen wegen Bettelns seien momentan tendenziell steigend.
In Basel würden zurzeit viele, teils aufdringliche Bettler:innen in Trams und Bussen gemeldet, schreibt die «Basler Zeitung». Die Basler Verkehrsbetriebe hätten deshalb Hilfe von der Polizei und deren «verstärkte Präsenz» gewünscht.
Der Schweizer Umgang mit Bettler:innen sorgt nicht nur in der britischen Presse für Schlagzeilen. Sie wurde jüngst auch am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) zum Thema. Eine junge Roma aus Genf klagte gegen Bussen, die ihr die Polizei wegen des Bettelns ausgestellt hatte. Weil sie nicht zahlen konnte, wurde sie zudem inhaftiert.
Entgegen dem Entscheid des Schweizer Bundesgerichts befand man in Strassburg, dass Menschen in finanziellen Notlagen im öffentlichen Raum um Almosen bitten dürfen. Ungeachtet ihrer Nationalität. Der Kanton Genf hat sein absolutes Bettelverbot daraufhin bis auf Weiteres suspendiert.
«Der EGMR hat festgehalten, dass absolute Bettelverbote nicht mit der Europäischen Menschenrechtskonvention vereinbar sind», sagt der Jurist Daniel Moeckli.
Das heisse allerdings nicht, dass Bettelverbote überhaupt nicht zulässig seien. «Zulässig könnte es etwa sein, aggressives Betteln, Betteln mit Kindern oder Betteln neben Bankomaten oder Bahnhöfen zu verbieten», sagt der Professor für Völkerrecht und ausländisches Verfassungsrecht.
Das EGMR-Urteil verpflichte die Schweizer Kantone, undifferenzierte Bettelverbote so anzupassen, dass sie mit der Menschenrechtskonvention kompatibel sind, sagt Moeckli. Ob sie das nun tun, ist offen.
In einer früheren Version haben wir geschrieben, dass das Bettelverbot bereits heute in Basel-Stadt gilt. Das ist falsch. Heute ist nur das bandenmässige Betteln verboten. Der Grosse Rat hat zwar die Wiedereinführung beschlossen, jedoch wird zurzeit die rechtliche Zulässigkeit des Vorstosses geprüft, heisst es in einer Mitteilung.
Ist das etwa eine neue Programmiersprache?
Oder das:
Krankenschwester und Krankenbruder =
Krankenschwester:innen?
Alles ein bischen krank halt.