Schweiz
International

Basler Umgang mit Bettler sorgt für internationale Schlagzeilen

Une mendiante fait la manche dans une rue pietonne apres que l'Union Democratique du Centre, UDC, a presente son initiative pour l' interdiction de la mendicite dans le canton de Vaud, ce je ...
Betteln ist in den meisten Schweizer Kantonen grundsätzlich verboten.Bild: KEYSTONE

Basel schickt Bettler per One-Way-Ticket fort – das Ausland staunt

Englischsprachige Medien berichten darüber, dass Basel-Stadt Obdachlosen das Zugticket in andere Länder finanziert. Es ist nicht das erste Mal, dass die Schweiz wegen ihres Umgangs mit Bettelnden kritisiert wird.
06.05.2021, 12:0407.05.2021, 16:38
Vanessa Hann
Folge mir
Mehr «Schweiz»

«Schweizer Stadt bietet Obdachlosen One-Way-Tickets in andere Länder an, solange sie sich verpflichten, nicht zurückzukehren.» So titelte die britische Zeitung «Daily Mail» und kritisierte in ihrem Artikel, der anfangs Woche erschien, die Praxis in der Stadt Basel. Auch andere Medien wie «Newsweek» oder der neuseeländische Nachrichtendienst «Newshub» griffen das Thema auf.

Beim Basler Justizdepartement bestätigt Martin Schütz die Praxis. «EU-Staatsangehörige, die eine Ausreise aus der Schweiz nicht selber finanzieren können, erhalten unter bestimmten Voraussetzung Unterstützung.»

Das könne in Form eines Zugtickets zurück in die Heimat sein, wenn die Betroffenen Nothilfe beantragen würde, sagt Schütz weiter. «Sollten diese Personen innert kurzer Zeit nach ihrer Ausreise wieder hier anzutreffen sein, werden sie weggewiesen», sagt Schütz. Gleichzeitig würde ein mehrjähriges Einreiseverbot beantragt.

31 Bettler:innen erhielten Zugticket und Sackgeld

Im Februar 2021 stellte das Basler Migrationsamt 17 Bettler:innen ein «Railcheck» der SBB aus und zahlte ihnen 20 Franken Zehrgeld für die Verpflegung. Schütz spricht von insgesamt 31 Bettler:innen, die bisher auf diese Art von Basel-Stadt aus der Schweiz ausgereist seien.

Von den 31 reiste knapp die Hälfte nach Rumänien. Die übrigen wollten vereinzelt nach Belgien, Deutschland, Italien und Frankreich, sagt Schütz weiter. Jedoch wollten weit nicht alle ausländischen Bettler:innen von der Möglichkeit Gebrauch machen.

Das zeigt auch eine Reportage, die das Basler Magazin bajour publiziert hat. «Das Problem ist, dass die Menschen sich dafür offiziell anmelden müssten und die Rückkehrhilfe einmalig gilt. Aber die meisten wollen nicht definitiv zurück. Höchstens über die Festtage», sagt Michel Steiner vom Verein für Gassenarbeit Schwarzer Peter gegenüber bajour.

Basel-Stadt will das Bettelverbot wieder einführen. Das forderte der Grosse Rat Ende letztes Jahr. In den meisten Schweizer Kantonen gilt ein Bettelverbot.

Mit seiner Zugticketpraxis steht Basel-Stadt bislang noch alleine da. Das zeigten Anfragen von watson bei anderen Schweizer Städten.

Bern erlaubt Betteln – aber nicht Clans

Der Kanton und die Stadt Bern gehören zu den wenigen, die das Betteln grundsätzlich erlauben. Allerdings überwache dort die Polizei das organisierte Betteln streng, sagt Alexander Ott von der Fremdenpolizei. «Oft sind ausländische Bettler:innen in Clans unterwegs und das wollen wir kontrollieren.»

Dabei setze man in Bern auf regelmässige Gespräche. Die Polizei kläre die Herkunft und Identität der Bettler:innen und prüfe, ob sie in einer verletzlichen Situation seien, sagt Ott. «Erst wenn Gespräch nichts mehr bringen, weisen wir die Personen im Rahmen des Ausländerrechts weg.» Weil Betteln in der Schweiz nicht als Erwerbstätigkeit gilt, gebe es kein Anrecht auf eine Aufenthaltsbewilligung, so die Berner Auslegung.

Meldungen nehmen zu

Das «Berner Modell» gilt als erfolgreich. Trotzdem häuften sich momentan die Klagen über Bettler:innen, sagt Alexander Ott von der Fremdenpolizei. «Wir stellen seit etwa sechs Wochen fest, dass in Bern immer mehr und zum Teil sehr aggressiv gebettelt wird.»

Auch in Zürich hätten die Meldungen in den letzten vier Monaten zugenommen, sagt Pascal Siegenthaler von der Stadtpolizei. In den Monaten Januar bis April seien 300 entsprechende Anrufe eingegangen. «Im gleichen Quartal gab es in den Vorjahren 2017 bis 2020 zwischen 44 und 87 Anrufe wegen Bettler:innen», so Siegenthaler. Auch die polizeilichen Verzeigungen wegen Bettelns seien momentan tendenziell steigend.

In Basel würden zurzeit viele, teils aufdringliche Bettler:innen in Trams und Bussen gemeldet, schreibt die «Basler Zeitung». Die Basler Verkehrsbetriebe hätten deshalb Hilfe von der Polizei und deren «verstärkte Präsenz» gewünscht.

Hast du in letzter Zeit aufdringliche Bettler:innen in einer Schweizer Stadt erlebt?

Bettelverbote: Strassburg sagt Nein

Der Schweizer Umgang mit Bettler:innen sorgt nicht nur in der britischen Presse für Schlagzeilen. Sie wurde jüngst auch am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) zum Thema. Eine junge Roma aus Genf klagte gegen Bussen, die ihr die Polizei wegen des Bettelns ausgestellt hatte. Weil sie nicht zahlen konnte, wurde sie zudem inhaftiert.

Entgegen dem Entscheid des Schweizer Bundesgerichts befand man in Strassburg, dass Menschen in finanziellen Notlagen im öffentlichen Raum um Almosen bitten dürfen. Ungeachtet ihrer Nationalität. Der Kanton Genf hat sein absolutes Bettelverbot daraufhin bis auf Weiteres suspendiert.

EGMR-Urteil verpflichtet Kantone

«Der EGMR hat festgehalten, dass absolute Bettelverbote nicht mit der Europäischen Menschenrechtskonvention vereinbar sind», sagt der Jurist Daniel Moeckli.

Das heisse allerdings nicht, dass Bettelverbote überhaupt nicht zulässig seien. «Zulässig könnte es etwa sein, aggressives Betteln, Betteln mit Kindern oder Betteln neben Bankomaten oder Bahnhöfen zu verbieten», sagt der Professor für Völkerrecht und ausländisches Verfassungsrecht.

Das EGMR-Urteil verpflichte die Schweizer Kantone, undifferenzierte Bettelverbote so anzupassen, dass sie mit der Menschenrechtskonvention kompatibel sind, sagt Moeckli. Ob sie das nun tun, ist offen.

In einer früheren Version haben wir geschrieben, dass das Bettelverbot bereits heute in Basel-Stadt gilt. Das ist falsch. Heute ist nur das bandenmässige Betteln verboten. Der Grosse Rat hat zwar die Wiedereinführung beschlossen, jedoch wird zurzeit die rechtliche Zulässigkeit des Vorstosses geprüft, heisst es in einer Mitteilung.

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Diese Obdachlosen haben vermutlich ihr Haus verloren – nicht aber ihren Humor
1 / 23
Diese Obdachlosen haben vermutlich ihr Haus verloren – nicht aber ihren Humor
Helft diesem armen Mann! Bild: pinterest
Auf Facebook teilenAuf X teilen
In London bezahlt man Strassenmusiker mit der Kreditkarte
Video: srf
Das könnte dich auch noch interessieren:
232 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
felixJongleur
06.05.2021 12:15registriert Dezember 2014
Ich war schockiert als ich vor kurzem wieder einmal in Basel war. Die Clans sind überall. Verstehe die Einwohner dort die gehässig reagieren wenn sie permanent angegangen werden.
150923
Melden
Zum Kommentar
avatar
Brockoli
06.05.2021 12:17registriert August 2016
Die Flut an Doppelpunkten macht den Artikel ziemlich un:les:bar.
1151312
Melden
Zum Kommentar
avatar
Regas
06.05.2021 17:48registriert September 2016
Bettler:innen
Ist das etwa eine neue Programmiersprache?
Oder das:
Krankenschwester und Krankenbruder =
Krankenschwester:innen?
Alles ein bischen krank halt.
28656
Melden
Zum Kommentar
232
Frau in Deutschland verschwand für 31 Jahre spurlos – jetzt erklärt sie, wieso
1984 verschwand eine deutsche Studentin spurlos. Irgendwann wird sie für tot erklärt, ein Mann hatte den Mord an ihr gestanden. Doch 31 Jahre später taucht die Frau plötzlich wieder lebend auf. In einem Interview erklärt sie sich nun.

Am 26. Juli 1984 verliess die junge Informatik-Studentin Petra P. ihre Unterkunft in einem Studentenwohnheim in Braunschweig. Sie hatte einen Termin beim Zahnarzt. Im Anschluss an diesen fuhr sie laut damaligen Zeugenaussagen mit dem Bus in Richtung ihres Elternhauses. Von jenem Punkt, wo sie ausgestiegen war, hätte sie dieses via eines kleinen Waldstücks erreichen können.

Zur Story