
SBB-Chef Vincent Ducrot.Bild: keystone
Interview
Die Bahn will sich stärker auf die Agglomerationen fokussieren. SBB-Chef Vincent Ducrot will «jeden Franken dreimal umdrehen» – und macht sich Sorgen wegen Widerstand aus der Bevölkerung.
26.11.2021, 06:0726.11.2021, 06:41
Stefan Ehrbar / ch media
Die SBB wollen sich auf den Verkehr in den Agglomerationen konzentrieren. Widerspricht das nicht dem Gedanken des Service Public?
Vincent Ducrot: Die SBB sind und bleiben ein Service-Public-Unternehmen. Aber wir und unser Eigner, der Bund, sind überzeugt, dass die Weiterentwicklung sich stärker auf die Agglomerationen fokussieren muss. Dort liegen die Potenziale. Wir alle wollen den Anteil des ÖV erhöhen. Das erreichen wir dort, wo die meisten Leute wohnen und sich bewegen.
Wo lässt sich das Angebot überhaupt noch ausbauen?
Es gibt noch ganz viele S-Bahn-Projekte, etwa grenzüberschreitend im Raum Basel, in der Region Kreuzlingen oder im Tessin. Es gibt noch sehr viele Orte, wo wir mehr Menschen auf die Bahn bringen können.
Der politische Widerstand aus den Randregionen ist vorprogrammiert, wenn sie sich auf den dicht besiedelten Teil der Schweiz fokussieren.
Nein, es ist auch der Wille der Politik, das System dort zu entwickeln, wo wir schon stark sind. Selbstverständlich müssen wir ländliche Regionen komplementär gut erschliessen.
Mit einem Ausbau braucht es auch Unterhaltsanlagen. Dabei stossen sie auf heftigen Widerstand. Im Kanton Zürich gingen etwa Tausende Einsprachen gegen neue Anlagen selbst von linker und grüner Seite ein. Macht ihnen das Sorgen?
Ja, das bereitet uns wirklich Sorgen! Nehmen wir das Beispiel Zürich: Der Zürcher Verkehrsverbund plant eine weitere Teilergänzung mit noch mehr S-Bahn-Zügen. Die müssen wir unterhalten und nachts abstellen. Wir modernisieren unsere Anlagen, damit es weniger neue Anlagen braucht, aber ganz ohne wird es nicht geben. Wir diskutieren jetzt mit den Kantonen und dem Bund, wie wir dieses Problem lösen können, aber eine fertige Lösung gibt es noch nicht.
«Wir müssen schauen, dass wir produktiver und günstiger werden. Die Politik will keinen Angebotsabbau.»
Die SBB steht unter Effizienzdruck, heisst es in ihrer Mitteilung. Was heisst das konkret?
Wir müssen jeden Franken dreimal umdrehen, bevor wir ihn ausgeben. Das ist nicht anders als in jeder anderen Firma. Wir fragen uns beispielsweise: Müssen wir Dinge schon jetzt ersetzen oder können wir noch etwas warten? Das funktioniert sehr gut. Die Mitarbeitenden haben verstanden, dass es um unsere Existenz geht. Jeder passt auf.
Kann der Spardruck auch bedeuten, Angebote im Fernverkehr abzubauen, den sie eigenwirtschaftlich betreiben?
Nein, denn wir haben ja eine Konzession, die wir nicht einfach ändern können. Wir müssen schauen, dass wir produktiver und günstiger werden. Die Politik will keinen Angebotsabbau.
In ihrer Mitteilung fehlen die neuen Nachtzüge nach Rom und Barcelona. Wird das nichts mehr?
Sie kommen wohl etwas später. Diese Linien können wir nicht so effizient betreiben wie andere Nachtzüge. Ich habe gute Hoffnung, dass wir sie noch realisieren können, aber sicher nicht nächstes Jahr.
Bei internationalen Reisen ist auch immer noch das Buchungssystem ein Thema. Es ist noch immer viel schwieriger, online eine Zugfahrt zu lösen als einen Flug – und in der SBB-App ist es gar nicht möglich. Wann endlich ändert sich das?
Ende Jahr werden wir Frankreich vollständig in unserem Webshop integriert haben. Nächstes Jahr folgt Italien und in einem dritten Schritt Deutschland. Ich hoffe, dass wir das Thema 2023 abhaken können. Wir haben uns mit den grossen Bahnen Europas auch geeinigt, das Tarifsystem zu vereinfachen.
Sie sprechen vom Webshop, aber nicht der App.
Mit einigen Monaten Verzögerung werden wir die Tickets in die angesprochenen Länder jeweils auch in der App verkaufen können.
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