Herr Glättli, die Kommentarfunktion auf den Onlineportalen erfreut sich grosser Beliebtheit. Schreiben Sie dort auch selber mit?
Balthasar Glättli: Ich habe bei Artikeln, die mich selbst betreffen, auch schon Fakten richtiggestellt. Die Kommentarspalten haben in letzter Zeit aber eine Tonalität erhalten, dass ich in der Regel einen weiten Bogen drumherum mache. Ich will mir das gar nicht antun.
Die Portale filtern bereits jetzt einen beträchtlichen Teil der Kommentare heraus. Müssten sie noch strenger sein?
Ich finde, dass da teilweise zu viel durchgelassen wird. Die Redaktionen müssten mindestens kommentierend eingreifen und etwa irgendwelche wilde Behauptungen klarstellen. Die Messlatte muss sein: Würden die Zeitungen die Kommentare auch abdrucken? In vielen Fällen bezweifle ich es. Ich bin kein Freund von Zensur, aber die Onlineportale haben eine Verantwortung und können steuern, in welche Richtung der öffentliche Diskurs geht.
Sie stehen stets für die freie Meinungsäusserung ein, nun fordern Sie stärkere Beschränkungen. Wie passt das zusammen?
Die freie Meinungsäusserung ist ein hohes Gut, aber sie gilt nicht absolut. Jemanden rassistisch zu verunglimpfen oder in seiner Ehre zu verletzen, hat nichts mit der Meinungsäusserungsfreiheit zu tun. Das gilt im Internet wie auch sonst überall.
Bei Facebook hingegen gibt es keinen Textfilter – entsprechend liest man dort auch zahlreiche rassistische Äusserungen. Leben wir in einer fremdenfeindlicheren Gesellschaft, als wir bislang dachten?
Es ist schon so, dass dieses Stammtischniveau bislang einer breiteren Öffentlichkeit nicht bekannt war. Man muss sich aber bewusst sein: Es ist eine relativ beschränkte Anzahl Personen, die sich so äussert. Wenn man ihre Rechtschreibung als Indiz nimmt, haben sie nicht den höchsten Bildungsstand, sind vermutlich nicht mit der besten Anstellung gesegnet und lassen auf diese Weise ihren Frust ab. Man muss diese Personengruppe ernst nehmen, aber auch nicht überbewerten.
Das Problem ist: Wenn sich auf Facebook jemand vorsätzlich rassistisch äussern will, erstellt er einfach ein Fake-Profil. Denn Facebook gibt seine Daten ohnehin nur in den seltensten Fällen heraus.
Genau. Es muss deshalb eine Möglichkeit geben, von den Betreibern solcher Seiten die Herausgabe der Daten zu verlangen – notfalls auf gesetzgeberischem Weg. Falsch wäre, wenn Internet-Provider selbst Richter spielen müssten.
Dann besteht allerdings die Gefahr, dass sich Facebook und Co. schlicht aus dem Schweizer Markt zurückziehen.
Davon gehe ich nicht aus.
Abgesehen von Sanktionen. Wie geht man am besten gegen diffamierende Internetäusserungen vor?
Den grössten Handlungsbedarf sehe ich in der Aufklärung. Man muss allen klarmachen, dass sie sich im Internet im öffentlichen oder halböffentlichen und nicht in einem rechtsfreien Raum bewegen. Eine Beleidigung auf Facebook kann genauso strafbar sein, wie wenn man sie auf einen Zettel schreibt und am Dorfplatz aufhängt.
Bei der Parlamentsdebatte zum Post- und Fernmeldeverkehr (Büpf) haben Sie sich gegen mehr staatliche Überwachung gestellt, der Datenschutz sei wichtiger. Gerade die Speicherung von Daten könnte aber helfen, strafbare Personen ins Visier zu nehmen.
Wir Grünen haben uns gegen die verdachtslose Vorratsdatenspeicherung aller Bürger gewehrt. Wir haben aber nichts dagegen, gegen einen User vorzugehen, der sich mehrfach rassistisch äussert. Notfalls soll man nach richterlicher Genehmigung auch sein Profil überwachen dürfen. Wer sich so verhält, tut dies in der Regel nicht nur einmalig – also ist auch die Datenspeicherung auf Vorrat nicht nötig. Denn diese Person taucht so oder so wieder auf und die Behörden können aufgrund des begründeten Anfangsverdachts gegen sie vorgehen.
Auch die CVP hat die Tonalität gegenüber Asylsuchenden jüngst verschärft, sie fordert eine Arbeitspflicht und keine Barauszahlungen mehr. Im Internet kriegt sie dafür mehrheitlich Applaus.
Von der SVP sind wir uns solche Forderungen gewohnt. Dass eine Partei wie die CVP auf diesen Zug aufspringt, finde ich erschreckend.
Aber sie kommt damit an in der Bevölkerung.
Es ist eine Illusion, mit unmenschlichen Bedingungen Flüchtlinge abschrecken zu können. Das einzige Resultat wäre, dass wir uns selbst nicht mehr im Spiegel anschauen könnten.
dracului