Neues FDP-Duo: «Werden so hart arbeiten, dass wir Wähleranteil steigern»
Später Samstagnachmittag in den Kongressräumen im Berner Wankdorfstadion. Die Delegierten sind abgereist, noch baumeln ein paar FDP-Ballone an einem Türknauf. Die Entscheide sind gefällt: Die FDP sagt Ja zum Paket der neuen bilateralen Verträge mit der EU, und sie will diese nicht dem Ständemehr unterstellen.
Thierry Burkart wurde als Präsident mit stehendem Beifall verabschiedet, Susanne Vincenz-Stauffacher und Benjamin Mühlemann als Co-Präsidium mit Applaus gewählt. In einem nüchternen Technik-Raum unter der VIP-Tribüne des Wankdorfstadions in Bern sagen die beiden kurz nach ihrer Wahl, wie sie die Partei in die Wahlen 2027 führen wollen.
Sie haben noch vor ihrer Wahl stundenlang zugehört, wie ihre Partei über die Europapolitik streitet. Gab es einen Moment, indem Sie sich fragten, ob Sie das Parteipräsidium wirklich wollen?
Mühlemann: Im Gegenteil! Es war so schön, wie wir mit unseren unterschiedlichen Meinungen umgegangen sind. Und diese als Co-Präsidium zusammenzuhalten, darauf freue ich mich.
Obwohl Sie schon vor Amtsantritt eine erste Niederlage einstecken mussten: Die Delegierten sagten Nein zum Ständemehr fürs EU-Paket, Sie haben das gewollt. Sind Sie enttäuscht?
Vincenz-Stauffacher: Es ist wichtig, dass sich heute beide Seiten die Hand gereicht haben. Das ist geschehen. Ich bin sehr froh darüber. Das Ständemehr war einer der Wege dazu. Die Delegierten haben nun anders entschieden.
Was bedeuten die Entscheide von heute für die Parlamentarierinnen und Parlamentarier im Bundeshaus?
Vincenz-Stauffacher: Wir haben heute alle Argumente gehört, jene der Mehrheit in der Partei, und jene der Minderheit. Die Mehrheit gibt jetzt den Weg vor. Aber auch die Argumente der Minderheit sollen in unsere Vernehmlassungsantwort zu den neuen Verträgen einfliessen.
Mühlemann: Wir haben eine Kultur der Freiheit, keinen Zwang. Aber die Fraktion hat jetzt vom höchsten Organ der Partei eine Richtschnur erhalten.
Dieses Gespräch zeigt es: Hauptthema war die Europapolitik. Ihre Wahl ins Co-Präsidium war nur Rahmenprogramm. Sind Sie frustriert?
Vincenz-Stauffacher: Nein, nein! Es war so schön zu sehen, wie diese Partei lebt. Dass wir an einer so denkwürdigen Versammlung das Präsidium übernehmen durften, macht es perfekt.
Viel war schon heute von den Wahlen 2027 die Rede. Was ist Ihr Ziel?
Mühlemann: Wir wollen zulegen, es braucht in diesem Land mehr Freisinn, überall. Liberale Politik hat den Wohlstand erst möglich gemacht, nicht polarisierende Positionen, die der Bevölkerung keine echten Lösungen bringen.
Allerdings ging es zuletzt rückwärts für die FDP. Wie wollen Sie die Wende schaffen?
Vincenz-Stauffacher: Das Thema der Stunde ist die Sicherheit. Auch wegen den globalen Verwerfungen besteht die Notwendigkeit, dass der Staat sich auf seine Kernaufgaben zurückbesinnt.
Militärische Sicherheit?
Mühlemann: Ja, aber nicht nur. Es geht auch um innere Sicherheit, Versorgungssicherheit, finanzielle Sicherheit im Sinne gesunder öffentlicher Finanzen. Das kann der Staat nur sicherstellen, wenn er sich nicht verzettelt.
Vincenz-Stauffacher: Sicherheit der Energieversorgung und eine sichere Finanzierung der Altersvorsorge – es ist ein Querschnittsthema, das alle betrifft.
Damit wollen Sie den zweiten Bundesratssitz verteidigen?
Vincenz-Stauffacher: Wir werden so hart arbeiten, dass wir den Wähleranteil steigern. Dann stellt sich diese Frage gar nicht. (aargauerzeitung.ch)
