Jacky Donatz, Sie verlassen den
«Sonnenberg» heute an Ihrem
65. Geburtstag – ein Feiertag?
Jacky Donatz: Ich habe früher während
der Saison – einer der strengsten
Jahreszeiten – eigentlich immer gearbeitet.
Von dem her waren diese Tage
nie wirkliche Festtage für mich. Der
grosse Nachteil, wenn man so kurz
nach Weihnachten Geburtstag hat, ist:
Es gab immer nur ein – dafür ein grosses
– Geschenk. Aber in diesem Jahr ist
es einfach der Tag, an dem ich aufhören werde zu arbeiten. Ich will, dass
nun junge Köche nachrücken können.
Dann hat Ihr Rücktritt nichts mit
der Demission Sepp Blatters zu tun?
Nein. Ich habe gesagt, wenn Sepp Blatter
weiter macht, mache ich auch weiter.
Und wenn ich ein Wort gebe, dann
halte ich das auch.
Sie setzen sich also nicht zur Ruhe.
Auf keinen Fall. Ich kann nicht von 200
auf null runterschrauben. Das würde
nicht funktionieren. Ich hatte einige
Kollegen aus der Branche, die genau
das gemacht haben und ein halbes Jahr
später waren sie nicht mehr da. Da ich
kein wirkliches Hobby habe, kann ich
nicht einfach aufhören mit dem, was
ich gerne tue. Deshalb werde ich auch
weiterhin dem «Sonnenberg» beraterisch
zur Seite stehen.
Gerüchten zufolge werden Sie das
Restaurant Zum groben Ernst in der
Innenstadt übernehmen?
Nein, diese Information aus der «Weltwoche»
ist falsch. Wenn ich etwas mache,
dann mache ich etwas Eigenes
und Interessantes – vielleicht zusammen
mit Sepp Blatter. Aber eben – die
Zeit darüber zu reden, die kommt erst
noch.
Zurück zu Ihrem letzten Arbeitstag
hier im Restaurant Sonnenberg.
Was gibt es heute Besonderes?
Heute gibt es meine Spezialitäten:
Kalbskoteletten, Siedfleisch, aber auch
meine Mezzelune stehen auf dem Menü.
Es gibt einfach meine typischen Gerichte
– und zwar mit viel Liebe zubereitet.
Unterstützt werde ich dabei von
meiner grossartigen Brigade in der Küche und im Restaurant. Ziel ist, dass die
Gäste mit Tränen aus dem «Sonnenberg»
gehen.
Sie betonen gerne, wie gut Ihr Team
ist. Sind Sie ein guter Chef?
Sonst wäre mein Team nicht gut.
Was unterscheidet Sie von anderen
Köchen – abgesehen von Ihren Auszeichnungen?
Ich habe mich immer stark am Gast orientiert
und war öfters im Speisesaal als
in der Küche. Zudem bin ich während
meiner Zeit als Koch nach China, Hongkong,
Japan, Italien, Frankreich, aber
auch in die Türkei gereist. Und dort habe
ich mir immer in ihren Küchen angeschaut,
was sie wie machen. Das war
für mich sehr wichtig.
Der Koch hat in der Küche alle Hände
voll zu tun. Wie konnten Sie dennoch
beim Gast sein?
Zum einen bin ich eine Führungspersönlichkeit,
die delegieren kann. Andererseits
hole ich auch die Gäste in die
Küche. Wir haben das mit sogenannten
Kitchenpartys eingeführt. Jeden ersten
Sonntag im Monat gibt es einen Lunch,
an dem das kalte Buffet vorne im Restaurant
und das warme in der Küche ist. So kommen die Gäste mit dem
Koch in Kontakt. Wenn ich jetzt 30
oder 40 Jahre zurückdenke, gab es immer
kalte Buffets im Speiseraum. In der
Regel war dieses von einem Koch bedient.
Schon in meinen frühen Jahren
war ich deshalb oft in der Nähe der
Gäste. Oder denken Sie an die Voituren
mit Käse – auch diese waren aufgrund
der Warenkunde früher von einem
Koch begleitet. Heute werden Köche
nicht mehr dafür eingesetzt.
Warum denn nicht?
Die Köche heute haben einen zu wenig
grossen Bezug zu den Lebensmitteln,
die sie verwerten. Ich kritisiere hier
aber deutlich die Ausbildung der Köche.
Die Arbeit früher war intensiver. Gerade
wenn ich an die Niedergarküche denke.
Diese Maschinen lassen sich alle programmieren.
Früher musste der Koch
den Kopf bei der Sache haben. Sonst hat
er sich schnell einmal die Finger am
Herd oder am heissen Öl verbrannt.
Was hat sich in Ihren 50 Wirkungsjahren
sonst noch verändert?
Wir haben praktisch keine Schweizer
Küchenchefs mehr. Die meisten Köche
gehen in die Hotelküchen zurück. Einfach
weil sich diese Einrichtungen die
guten Köche leisten können. Das war
früher gerade umgekehrt. Man hat in
der Küche eines Hotels begonnen und
wurde dann von einem Restaurant
oder Mäzen abgeworben, um ein eigenes
Restaurant aufzubauen. Uns fehlt
im Vergleich zu Italien, Frankreich und
Deutschland genau dieses Mäzenatentum.
Was stellen Sie sich darunter vor?
Eine Person, die Freude am Essen und
Trinken hat und gewillt ist, in ein Restaurant
zu investieren.
Wie haben Sie sich in diesem
halben Jahrhundert verändert?
Ich war mal ein wenig schwerer. Ich
habe mit meinem Magenbypass einige
Kilos verloren. Ich selber bin geblieben,
wie ich bin. Ich hatte schon immer
einen sturen Kopf. Was für einen
im Sternzeichen Steinbock geborenen
ziemlich typisch ist. Ich bin der Bock,
der auf dem Berg steht und ins Tal
schaut – Winter und Sommer.
Gibt es nach all den Jahren am Herd
noch Gerichte, die Sie unbedingt
ausprobieren wollen?
Jedes neue Gericht koche ich selber mit.
Auch bei allen wichtigen Anlässen bin ich
dabei. Was mich selber am meisten interessiert,
sind die Lebensmittel. Ich will
wissen, woher die Ware kommt und ich
muss ihre Qualität kennen. Deshalb bin
ich regelmässig in der Markthalle hier in
Zürich. Ich besuche auch die Fischer persönlich
und schau mir ihre Fänge an. Im
Übrigen kann ich mir diese Qualitätskontrollen
vor Ort nur dank der Unterstützung
von Freddy Burger und seinem Management
erlauben. Ich hatte in meinen
17 Jahren hier am Sonnenberg viel Unterstützung.
Dazu gehört auch der gute Kontakt
zum demissionierten Fifa-Präsidenten
Sepp Blatter und seiner Entourage.
Bei einer solch guten Zusammenarbeit,
kann Ihnen wohl heute kaum
noch etwas die Schweissperlen auf
die Stirn treiben?
Doch. Hübsche Frauen (lacht).
Sie sind für Ihre hausmännische
Kost und Ihre Fleischgerichte bekannt.
Wie stehen Sie zum vegetarischen
und veganen Essenstrend?
Mit der veganen Küche kann ich überhaupt
nichts anfangen. Das vegetarische
Bedürfnis hingegen kann ich
nachvollziehen. Mir ist es wichtig,
Schweizer Produkte, die saisonal
sind, in meinem Restaurant anzubieten.
Nur wenn die Qualität anderswo
besser ist, kaufe ich aus dem Ausland
ein. Oder denken Sie an Scampi oder
Langusten – die gibt es hier einfach
nicht. Und für das vegetarische Essen
kann ich in der Schweiz lediglich Gären, aber auch Gemüse verwenden.
Aber natürlich wäre es auch möglich
ein Risotto vegan zu kochen. Für Vegetarier
ist aber besonders die Küche
aus Sri Lanka oder Indien interessant,
weil sie viel breiter ist.
Sie haben in den letzten 17 Jahren
hier viele Persönlichkeiten bewirtet.
Haben Sie einen Traumgast?
Alle.
Von wem möchten Sie sich gerne
bekochen lassen?
Gerne von Alain Ducasse und Joël Robuchon.
Und das werde ich auch bald
machen.
Ihre schönsten Anekdoten aus Ihrer
Zeit am «Sonnenberg»?
Ein guter Freund von mir war der im
letzten Jahr verstorbene Benoît Violier.
Einmal hat er hier mit einer
ganzen Brigade gekocht – das war ein
eindrückliches Erlebnis. Einige Köche, die im Sonnenberg gearbeitet
haben, kochten nicht, wie ich das
wollte. Also mussten sie gehen. Ansonsten
hatte ich hier 17 wundervolle
Jahre.