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Interview

Jacky Donatz macht nach dem «Sonnenberg» weiter

Interview

Starkoch Jacky Donatz setzt sich heute zur Ruhe – oder doch nicht?

Der Gault-Millau-Koch kocht heute zum letzten Mal im «Sonnenberg». Zur Ruhe setzt er sich aber nicht. Er schmiedet neue Pläne – vielleicht zusammen mit Sepp Blatter.
27.12.2016, 04:4727.12.2016, 09:05
lina giusto / Aargauer Zeitung
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Zürich
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Jacky Donatz, Sie verlassen den «Sonnenberg» heute an Ihrem 65. Geburtstag – ein Feiertag?
Jacky Donatz: Ich habe früher während der Saison – einer der strengsten Jahreszeiten – eigentlich immer gearbeitet. Von dem her waren diese Tage nie wirkliche Festtage für mich. Der grosse Nachteil, wenn man so kurz nach Weihnachten Geburtstag hat, ist: Es gab immer nur ein – dafür ein grosses – Geschenk. Aber in diesem Jahr ist es einfach der Tag, an dem ich aufhören werde zu arbeiten. Ich will, dass nun junge Köche nachrücken können.

Dann hat Ihr Rücktritt nichts mit der Demission Sepp Blatters zu tun?
Nein. Ich habe gesagt, wenn Sepp Blatter weiter macht, mache ich auch weiter. Und wenn ich ein Wort gebe, dann halte ich das auch.

Sie setzen sich also nicht zur Ruhe.
Auf keinen Fall. Ich kann nicht von 200 auf null runterschrauben. Das würde nicht funktionieren. Ich hatte einige Kollegen aus der Branche, die genau das gemacht haben und ein halbes Jahr später waren sie nicht mehr da. Da ich kein wirkliches Hobby habe, kann ich nicht einfach aufhören mit dem, was ich gerne tue. Deshalb werde ich auch weiterhin dem «Sonnenberg» beraterisch zur Seite stehen.

Zürich - 28.4.2015 - Starkoch Jacky Donatz zeigt, wie man Spargeln richtig kocht. Dazu gibt er Tipps für eine feine Sauce Hollandaise.
Seine Leidenschaft gibt Jacky Donatz nach dem «Sonnenberg» nicht auf.foto: keystone

Gerüchten zufolge werden Sie das Restaurant Zum groben Ernst in der Innenstadt übernehmen?
Nein, diese Information aus der «Weltwoche» ist falsch. Wenn ich etwas mache, dann mache ich etwas Eigenes und Interessantes – vielleicht zusammen mit Sepp Blatter. Aber eben – die Zeit darüber zu reden, die kommt erst noch.

Zurück zu Ihrem letzten Arbeitstag hier im Restaurant Sonnenberg. Was gibt es heute Besonderes?
Heute gibt es meine Spezialitäten: Kalbskoteletten, Siedfleisch, aber auch meine Mezzelune stehen auf dem Menü. Es gibt einfach meine typischen Gerichte – und zwar mit viel Liebe zubereitet. Unterstützt werde ich dabei von meiner grossartigen Brigade in der Küche und im Restaurant. Ziel ist, dass die Gäste mit Tränen aus dem «Sonnenberg» gehen.

Sie betonen gerne, wie gut Ihr Team ist. Sind Sie ein guter Chef?
Sonst wäre mein Team nicht gut.

Was unterscheidet Sie von anderen Köchen – abgesehen von Ihren Auszeichnungen?
Ich habe mich immer stark am Gast orientiert und war öfters im Speisesaal als in der Küche. Zudem bin ich während meiner Zeit als Koch nach China, Hongkong, Japan, Italien, Frankreich, aber auch in die Türkei gereist. Und dort habe ich mir immer in ihren Küchen angeschaut, was sie wie machen. Das war für mich sehr wichtig.

Jacky Donatz – zur Person
Der 15 Gault-Millau-Punkte
schwere Koch ist
heute vor 65 Jahren in
Samedan geboren. Er lebt zusammen mit
seiner Frau in Zollikerberg.
Zudem gehört er
den Cuisiniers de la Principauté
de Monaco an
und hält den Titel Grand
Officier Maître Rôtisseur.
Während 14 Jahren führte
er das «Castello del Sole»
in Ascona, bevor er
im Hotel Zürich, dem
heutigen «Marriott» tätig
war. Bekannt wurde Jacky
Donatz aber 1994 mit
seinem Zürcher Restaurant
«Jacky’s Stapferstube»,
bevor er zum «Sonnenberg»
wechselte.

Der Koch hat in der Küche alle Hände voll zu tun. Wie konnten Sie dennoch beim Gast sein?
Zum einen bin ich eine Führungspersönlichkeit, die delegieren kann. Andererseits hole ich auch die Gäste in die Küche. Wir haben das mit sogenannten Kitchenpartys eingeführt. Jeden ersten Sonntag im Monat gibt es einen Lunch, an dem das kalte Buffet vorne im Restaurant und das warme in der Küche ist. So kommen die Gäste mit dem Koch in Kontakt. Wenn ich jetzt 30 oder 40 Jahre zurückdenke, gab es immer kalte Buffets im Speiseraum. In der Regel war dieses von einem Koch bedient. Schon in meinen frühen Jahren war ich deshalb oft in der Nähe der Gäste. Oder denken Sie an die Voituren mit Käse – auch diese waren aufgrund der Warenkunde früher von einem Koch begleitet. Heute werden Köche nicht mehr dafür eingesetzt.

«Wir haben praktisch keine Schweizer Küchenchefs mehr. Die meisten Köche gehen in die Hotelküchen zurück.»

Warum denn nicht?
Die Köche heute haben einen zu wenig grossen Bezug zu den Lebensmitteln, die sie verwerten. Ich kritisiere hier aber deutlich die Ausbildung der Köche. Die Arbeit früher war intensiver. Gerade wenn ich an die Niedergarküche denke. Diese Maschinen lassen sich alle programmieren. Früher musste der Koch den Kopf bei der Sache haben. Sonst hat er sich schnell einmal die Finger am Herd oder am heissen Öl verbrannt.

Was hat sich in Ihren 50 Wirkungsjahren sonst noch verändert?
Wir haben praktisch keine Schweizer Küchenchefs mehr. Die meisten Köche gehen in die Hotelküchen zurück. Einfach weil sich diese Einrichtungen die guten Köche leisten können. Das war früher gerade umgekehrt. Man hat in der Küche eines Hotels begonnen und wurde dann von einem Restaurant oder Mäzen abgeworben, um ein eigenes Restaurant aufzubauen. Uns fehlt im Vergleich zu Italien, Frankreich und Deutschland genau dieses Mäzenatentum.

Was stellen Sie sich darunter vor?
Eine Person, die Freude am Essen und Trinken hat und gewillt ist, in ein Restaurant zu investieren.

Wie haben Sie sich in diesem halben Jahrhundert verändert?
Ich war mal ein wenig schwerer. Ich habe mit meinem Magenbypass einige Kilos verloren. Ich selber bin geblieben, wie ich bin. Ich hatte schon immer einen sturen Kopf. Was für einen im Sternzeichen Steinbock geborenen ziemlich typisch ist. Ich bin der Bock, der auf dem Berg steht und ins Tal schaut – Winter und Sommer.

Gibt es nach all den Jahren am Herd noch Gerichte, die Sie unbedingt ausprobieren wollen?
Jedes neue Gericht koche ich selber mit. Auch bei allen wichtigen Anlässen bin ich dabei. Was mich selber am meisten interessiert, sind die Lebensmittel. Ich will wissen, woher die Ware kommt und ich muss ihre Qualität kennen. Deshalb bin ich regelmässig in der Markthalle hier in Zürich. Ich besuche auch die Fischer persönlich und schau mir ihre Fänge an. Im Übrigen kann ich mir diese Qualitätskontrollen vor Ort nur dank der Unterstützung von Freddy Burger und seinem Management erlauben. Ich hatte in meinen 17 Jahren hier am Sonnenberg viel Unterstützung. Dazu gehört auch der gute Kontakt zum demissionierten Fifa-Präsidenten Sepp Blatter und seiner Entourage.

Bei einer solch guten Zusammenarbeit, kann Ihnen wohl heute kaum noch etwas die Schweissperlen auf die Stirn treiben?
Doch. Hübsche Frauen (lacht).

«Ansonsten hatte ich hier 17 wundervolle Jahre.»

Sie sind für Ihre hausmännische Kost und Ihre Fleischgerichte bekannt. Wie stehen Sie zum vegetarischen und veganen Essenstrend?
Mit der veganen Küche kann ich überhaupt nichts anfangen. Das vegetarische Bedürfnis hingegen kann ich nachvollziehen. Mir ist es wichtig, Schweizer Produkte, die saisonal sind, in meinem Restaurant anzubieten. Nur wenn die Qualität anderswo besser ist, kaufe ich aus dem Ausland ein. Oder denken Sie an Scampi oder Langusten – die gibt es hier einfach nicht. Und für das vegetarische Essen kann ich in der Schweiz lediglich Gären, aber auch Gemüse verwenden. Aber natürlich wäre es auch möglich ein Risotto vegan zu kochen. Für Vegetarier ist aber besonders die Küche aus Sri Lanka oder Indien interessant, weil sie viel breiter ist.

Sie haben in den letzten 17 Jahren hier viele Persönlichkeiten bewirtet. Haben Sie einen Traumgast?
Alle.

Jetzt auf

Von wem möchten Sie sich gerne bekochen lassen?
Gerne von Alain Ducasse und Joël Robuchon. Und das werde ich auch bald machen.

Ihre schönsten Anekdoten aus Ihrer Zeit am «Sonnenberg»?
Ein guter Freund von mir war der im letzten Jahr verstorbene Benoît Violier. Einmal hat er hier mit einer ganzen Brigade gekocht – das war ein eindrückliches Erlebnis. Einige Köche, die im Sonnenberg gearbeitet haben, kochten nicht, wie ich das wollte. Also mussten sie gehen. Ansonsten hatte ich hier 17 wundervolle Jahre.

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