Haben Sie übers Wochenende gearbeitet?
Thomas Vašek: Ist das eine Falle? Natürlich. Ich arbeite immer.
Warum?
Weil ich muss. Arbeiten ist eine Notwendigkeit. Zudem mag ich meine Arbeit als Chef eines Philosophiemagazins. Auch wenn ich nicht den ganzen Tag im Wald spazieren gehe und mir philosophische Gedanken mache.
Sie sind in einer privilegierten Situation. Für viele bedeutet Arbeiten in erster Linie Geldverdienen.
Arbeit gibt mir Geld, ja, aber dazu könnte ich auch eine Bank überfallen oder im Lotto gewinnen.
Das scheinen mir keine vernünftigen Vorschläge zu sein.
Was ich sagen will: Arbeit trägt zu einem guten, gelingenden Leben bei. Arbeit gibt mir nicht nur Geld, sondern auch innere Güter. Arbeit ist wichtig für ein gelingendes Leben. Deshalb tue ich mich auch schwer mit einer Idee, die von der Prämisse ausgeht, dass man auch einfach nicht arbeiten kann und trotzdem Geld bekommt.
Sie sprechen vom bedingungslosen Grundeinkommen. Dazu kommen wir später. Was meinen Sie mit inneren Gütern?
Zum Beispiel die Möglichkeit, sich selber zu entfalten und Fähigkeiten zu entwickeln. Arbeit vermittelt uns Erfahrung, in dem Sinne, dass sie uns vor Probleme und Herausforderungen stellt, die wir lösen müssen. Davon können wir lernen. Arbeit bringt uns mit Menschen zusammen.
Karl Marx ging davon aus, dass Arbeit – einfach ausgedrückt – den Menschen überhaupt als Menschen definiert. Dass Arbeit also quasi in unserer Natur liegt.
Ich habe kein anthropologisches Verständnis von Arbeit. Ich gehe von einer sehr einfachen philosophischen Voraussetzung aus: Der Mensch sollte versuchen, etwas aus seinem Leben zu machen. Das Leben ernst zu nehmen und Fähigkeiten zu entfalten. Arbeit, also gute Arbeit, gibt uns diese Möglichkeiten.
Können uns nicht auch andere Tätigkeiten diese Möglichkeiten geben? Hobbys zum Beispiel, ehrenamtliches Engagement?
Meinetwegen gibt’s auch ausserhalb des Kapitalismus Formen, die uns die inneren Güter bringen können. Das überzeugt mich aber nicht. So kritisch man die Erwerbsarbeit betrachten kann; es ist ein System, das sich über ziemlich lange Zeit bewährt hat und im Grossen und Ganzen funktioniert.
Für Sie vielleicht. Was ist mit Drittweltländern, wo Menschen teilweise in sklavenähnlichen Zuständen arbeiten?
Natürlich gilt das nicht für alle, überall, und ich vergesse auch nicht, dass es Menschen gibt, die unter der Arbeit leiden. Grundsätzlich, in der Schweiz, in Deutschland, in Österreich stiftet Arbeit aber Sinn und befriedigt.
Ich bin mir sicher, dass es auch bei uns Menschen gibt, die ihre Arbeit weder sinnvoll noch befriedigend finden. In zwei Monaten stimmen wir darüber ab, ob der Staat unsere Existenz sichern soll. Arbeit wäre keine Notwendigkeit mehr. Wer leidet, oder auch einfach mal was anderes machen will, vielleicht etwas, das mit viel Risiko verbunden ist, kann kündigen und kommt trotzdem über die Runden.
Diese Möglichkeit gibt es doch schon jetzt. Ich habe selbst etliche Menschen erlebt, die über Jahre durch einen Job gemacht haben, mit dem sie überhaupt nicht zufrieden waren. Sie waren überzeugt, sie hätten keine Alternative. Die Gewohnheit ist sehr mächtig. Sich einen neuen Job zu suchen, die Sicherheit aufzugeben ist aufwändig und schwierig. Ich bin sehr dafür, dass der Staat den Menschen solche Schritte und Phasen leichter machen muss.
Aber das ist doch gerade die Idee des Grundeinkommens. Meine Generation ist karrieremässig in viel unsichereren Zeiten unterwegs als Ihre es war. Langfristig kann uns nur ein Grundeinkommen diese Sicherheit gewährleisten – ohne das Stigma von der Arbeitslosigkeit.
Das ist die Hoffnung, die mit dem Grundeinkommen verbunden ist. Dieses Argument überzeugt mich, ja. Ich war mal wesentlich radikaler in meiner Ablehnung des Grundeinkommens.
Sie widersprechen sich. Warum sind Sie überhaupt dagegen?
Meine Ablehnung beruhte vor allem auf dem Argument, dass das Grundeinkommen ungerecht ist. Die einen kriegen fürs Nichtstun Geld, das andere erarbeitet haben. Und zwar nicht, weil sie nicht arbeiten können, sondern nicht arbeiten wollen. Aber ich sehe die möglichen positiven Effekte des Grundeinkommens. Ich warne einfach davor, zu meinen, es würde all unsere Probleme lösen.
Sie haben wie alle Skeptiker Angst, dass niemand mehr arbeiten würde.
Es besteht die Gefahr, dass wir eine neue Form von Massenarbeitslosigkeit bekommen. Mit dem Unterschied, dass wir nicht mehr von Arbeitslosengeld, sondern von Grundeinkommen sprechen.
Massenarbeitslosigkeit? In einer Umfrage des Wirtschaftsmagazins «Brand eins» sagen 90 Prozent, dass sie trotzdem arbeiten würden.
Solche Umfragen sind mit Vorsicht zu geniessen. Interessant sind die empirischen Befunde: Die meisten Lottogewinner arbeiten weiter. Das ist quasi ein Argument fürs Grundeinkommen. Aber die Empirie hat eine zweite Seite: Die Lottogewinner, die nicht arbeiten, geraten in sehr vielen Fällen auf eine schiefe Bahn. Die kommen einfach nicht damit klar. Weil wir also nicht wissen, wie die Menschen auf das Grundeinkommen reagieren würden, muss man es als Wette betrachten. Und ich würde nicht alles auf eine Karte setzen.
Sie meinen, das Grundeinkommen stufenweise einführen?
Ja, und dann beobachten, wie sich die Leute tatsächlich verhalten. Wenn die Menschen weiterhin arbeiten, aber die schlechten Jobs ablehnen, ist das wunderbar.
Sie klingen nicht überzeugt.
Autonomie ist nicht nur eines der grossen Versprechen der Moderne, sondern auch eine Anforderung, die zu Überforderung werden kann. Ich glaube nicht, dass ein gelingendes Leben davon abhängt, dass man 100 Prozent autonom ist, diese liberalistische Idee überzeugt mich nicht. Dahinter steht die Vorstellung, Arbeit stehe im Widerspruch zu Freiheit.
Wie meinen Sie das?
Der liberale Freiheitsbegriff ist problematisch. Zu meinen, man könne tun und lassen, was man wolle, stimmt einfach nicht. Jeder Mensch hat Verpflichtungen – Verkehrsregeln zu beachten beispielsweise, oder als Eltern, sich um ein Kind zu kümmern. Freiheit unterliegt immer gewissen Einschränkungen. Wir brauchen kein Grundeinkommen, wir brauchen bessere Jobs. Wir brauchen keine absolute Freiheit, sondern mehr Freiheit in der Arbeit.
Was schlagen Sie vor?
Ich nenne das einen Lebensarbeitsvertrag. Die Grundidee: Sie schliessen einen Vertrag ab mit dem Arbeitgeber, der Ihnen die Möglichkeit und das Recht gibt, jederzeit ein bestimmtes Zeitkontingent in Anspruch zu nehmen. Ohne dadurch den Arbeitsstatus zu verlieren. Im Gegensatz zum Sabbatical gäbe es in meinem Modell einen Rechtsanspruch.
Würden Sie Ihr Leben eigentlich ändern, wenn Ihr Grundeinkommen gesichert wäre?
Nein, ich glaube nicht, ich würde meinen Job nicht aufgeben. Wenn ich jetzt nicht so einen spannenden Job hätte, könnte ich mir schon vorstellen, mich einfach mal rauszuziehen, aufs Grundeinkommen zu verlassen. Aber das müsste ein klar umgrenztes Projekt sein, für eine bestimmte Zeit. Auf keinen Fall länger als ein Jahr.
ps. wo unser wirtschaftsfreundliches parlament, volch und unserere regierung das geld nicht holen wird, ist heute schon klar...