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Interview

Wetter Schweiz: «Niederschläge wie in den letzten 50 Jahren nicht mehr»

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Starke Gewitter: «Teilweise gab es Niederschläge wie in den letzten 50 Jahren nicht mehr»

Seit Sonntag ziehen ununterbrochen starke Gewitter über die Schweiz und sorgen für Hagel, starken Wind und lokale Überschwemmungen. Solch eine Wetterlage sei nicht alljährlich, sagt ein Meteorologe. Doch wie geht es in den nächsten Tagen weiter? Wir haben nachgefragt.
24.06.2021, 14:30
Kevin Capellini / ch media
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Überschwemmungen, Hagel, starke Windböen und in der Region Neuenburg sogar ein Tornado: Fast überall in der Schweiz ziehen jeden Tag Gewitter über die Regionen und sorgen für viel Niederschlag. Dass es im Sommer Gewitter gibt, ist normal – aber in dieser Häufigkeit? Meteonews-Meteorologe Stefan Scherrer beantwortet die wichtigsten Fragen.

Arbeiter der SBB befreien die Gleise mit Schaufel und Pickel von der Hagelschicht, am Donnerstag, 24. Juni 2021 in Sonzeboz. Am Mittwochabend, 23. Juni 2021, kam es zu einem Unwetter mit starkem Hagel ...
Arbeiter der SBB befreien am Donnerstag in Sonzeboz die Gleise mit Schaufel und Pickel von der Hagelschicht. Bild: keystone

Herr Scherrer, seit Sonntag haben wir Gewitter in der Schweiz. Wie kommt es aktuell zu so vielen Unwettern?
Stefan Scherrer:
Es ging bereits am letzten Freitag los mit den ersten kräftigen Gewittern und seit Sonntag liegen wir auf der Vorderseite eines Höhentiefs, das sich über Frankreich befindet. Dabei gelangte mit einer Südwestströmung feuchte und labil geschichtete Luft zu uns, was zu diesen Gewittern führte.

«Mit Ausnahme des letzten Samstags gab es seit knapp einer Woche täglich unwetterartige Gewitter.»

Gewitter sind im Sommer ja normal. Aber ist diese Häufigkeit an Gewittern denn noch normal für einen Sommer?
Nein, die Häufigkeit ist in der Tat eher aussergewöhnlich. Wie Sie sagen, Gewitter gehören zum Sommer. Was aber nicht alljährlich ist, das ist die Kombination aus Dauer und Heftigkeit. Mit Ausnahme des letzten Samstags gab es seit knapp einer Woche täglich unwetterartige Gewitter. Das zeigt auch die Menge an Niederschlag. Gewitter sind zwar lokal, aber es gibt Orte, da hatten wir Mengen an Niederschlag, die statistisch gesehen nur alle 10, 20 oder sogar 50 Jahre vorkommen.

Meteorologe Stefan Scherrer, Meteonews
Meteorologe Stefan Scherrer.Bild: zvg

Sind solche starken Unwetter etwas, das Sie in den letzten Jahren vermehrt beobachten konnten?
Nein. Gewitterlagen wie die aktuelle sind nicht etwas, das wir in den vergangenen Jahren in grösserer Häufigkeit registriert haben. Was wir aber durchaus beobachten können, sind extreme Wetterereignisse, die wohl auch wegen der Klimaerwärmung global zunehmen. Dabei sprechen wir vor allem von lang anhaltenden Wetterlagen. Das führt dann dazu, dass es zum Beispiel während Wochen nicht regnet und es zu langen Trocken- oder Dürreperioden kommt. Gleichzeitig heisst dies dann aber auch, dass Tiefdrucklagen lang anhaltend sind und sich nicht nur auf wenige Tage beschränken. Dies kann dann etwa Hochwasser und Überschwemmungen zur Folge haben. wie wir es aktuell sehen.

Jetzt hatten wir ja zum Beispiel in der letzten Nacht solch ein Gewitter mit Überschwemmungen – allerdings an verschiedenen Orten. Wie genau entstand diese Wetterlage in der Nacht auf heute?
Eigentlich war das derselbe Gewitterkomplex, der nacheinander über die Kantone Baselland, Aargau und Zürich zog. Eine erste Gewitterzelle entstand ursprünglich über dem Jura, diese bildete in der Nordwestschweiz zusammen mit einer weiteren Gewitterzelle aus dem Raum Bern einen einziges grosses Gewitter, welches dann weiter ostwärts zog. Entlang einer sogenannten Konvergenzzone führte dies dann zu den starken Gewittern, welche dann Richtung Deutschland abzogen.

«Das Problem bei Gewittern ist, dass man mit der heutigen Technik noch nicht wirklich voraussagen kann, wo genau diese auch auftreten werden.»

Das heisst, unsere Nachbarländer sind auch von den Gewittern betroffen?
Ja, auch die angrenzenden Staaten, eigentlich fast ganz Zentraleuropa ist betroffen. Wir haben Unwettermeldungen aus Deutschland, Frankreich und Österreich.

epa09294944 Car wrecks are pictured after a strong storm in Cressier, Switzerland, 23 June 2021. On the evening of 22 June severe weather conditions caused the Ruhault to flood and caused significant  ...
Am 22. Juni wütete das Unwetter im neuenburgischen Cressier.Bild: keystone

Auch für heute sind wieder Gewitter angesagt. Weiss man denn schon, welche Regionen betroffen sein werden?
Das Problem bei Gewittern ist, dass man mit der heutigen Technik noch nicht wirklich voraussagen kann, wo genau diese auch auftreten werden. Was wir aber voraussagen können, ist, dass es lokal wohl erneut heftige Gewitter geben wird. Die aktuelle Wetterlage deutet aber darauf hin, dass sich die Gewitter wohl auf die Voralpen beschränken werden und nicht auf das Flachland. Aber eben, genau sagen können wir das nicht.

Und wie geht es in den kommenden Tagen weiter?
Wir erwarten, dass es heute nochmals gewittern wird. Auch am Freitag kann es lokal, wohl vor allem entlang der Berge erneut zu lokalen Gewittern kommen. Vor allem am Samstag, aber auch noch am Sonntag erwarten wir dann etwas stabileres Wetter. Es wird sommerlich warm, meist trocken und viel Sonnenschein geben. Allerdings kündigen sich bereits im Verlauf des Sonntags vor allem im Westen neue Gewittern an. Die aktuellen Wetterdaten deuten darauf hin, dass es auch nächste Woche wieder vermehrt zu Gewittern kommen wird. (aargauerzeitung.ch)

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10 Kommentare
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Statler
24.06.2021 16:07registriert März 2014
«Das heisst, unsere Nachbarländer sind auch von den Gewittern betroffen?»

Nö, die Gewitter werden an der Grenze demontiert und dann für den nächsten Einsatz eingelagert.
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