Herr Gonseth, der Expertenbericht von Claude Nicollier enthält folgende Empfehlung für Bundesrätin Viola Amherd: Sie solle Ihren Film «Ein Volk auf der Höhe» von 2017 mehr als einmal anschauen, «um wirklich zu verstehen, wie unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger die direkte Demokratie leben». Ehrt Sie das?
Frédéric Gonseth: Natürlich, ich fühle mich geschmeichelt. Aber es ist nicht das erste Mal, dass sich der Bundesrat mit meinem Werk auseinandersetzt. Ich bot schon Ex-Verteidigungsminister Ueli Maurer an, den Film mit mir zusammen anzuschauen. Er lehnte das Angebot höflich ab. Sein Nachfolger Guy Parmelin hingegen hat ihn gesehen und ich habe dann mit ihm über die Lektionen aus dem Film beziehungsweise aus der Gripen-Abstimmung diskutiert.
Was sind die wichtigsten Lektionen aus Ihrer Sicht?
Ich bin ein grosser Fan unserer halbdirekten Demokratie. Aber bei der Gripen-Kampagne hat sich auch gezeigt, dass sich vielleicht nicht alle Fragen gleichermassen dafür eignen, dem Volk gestellt zu werden. Die Diskussion über den richtigen Flugzeugtyp ist in meinen Augen so eine Frage.
Weshalb?
Die Entscheidung zur Beschaffung eines Kampfjets ist eine sehr komplexe, technische Frage. Deshalb war eine der Lektionen aus meinem Film: Es ist wahrscheinlich klüger, dem Volk einen Grundsatzentscheid darüber vorzulegen, ob es überhaupt neue Kampfjets will – und nicht ob es genau diesen Kampfjet will.
Für dieses Vorgehen sprach sich bereits Guy Parmelin aus. Seine Nachfolgerin Viola Amherd kann sich jetzt auch vorstellen, die Erneuerung der bodengestützten Luftverteidigung (Bodluv) vom Kampfjet-Kauf zu trennen. Ein kluger Schachzug?
Ich denke, Viola Amherd will Polemik vermeiden und so einen möglichst sachlichen Abstimmungskampf ermöglichen. Dazu passt auch die Empfehlung von Claude Nicollier, der Bundesrat solle vor der Volksabstimmung keine Diskussionen über den Kampfjet-Typ führen. Es ist sicher hilfreich, nicht zu viel hineinzupacken. Von dem her denke ich, die Trennung von Kampfjet- und Bodluv-Entscheid ist eine gute Idee.
Claude Nicollier bezeichnete Sie in ihrem Bericht als «Historiker und überzeugten Patrioten». Wie kommt er zu dieser Beschreibung?
Das müssen Sie ihn fragen (lacht). Nein, ich denke, Nicollier hat in meinem Film herausgespürt, dass ich – bei all ihren Unzulänglichkeiten – ein Fan unserer demokratischen Institutionen bin und versucht habe aufzuzeigen, was für ein einzigartiges Land die Schweiz ist: Die Leute scheuen wirklich keine Arbeit, bei Volksabstimmungen zu einem sorgfältigen Entscheid zu kommen. Das finde ich toll und insofern bin ich schon ein Patriot.
Wie haben Sie bei «Ein Volk auf der Höhe» die direkte Demokratie ergründet?
Zunächst einmal hatte ich grosses Glück, den Film überhaupt machen zu können. Normalerweise sind die Institutionen der Filmförderung in der Schweiz sehr vorsichtig bei politischen Themen. Mein grosser Vorteil war, dass ich freundschaftliche Beziehungen zu Vertretern beider Seiten hatte. Ich habe mich im Film jeglicher inhaltlicher Stellungnahme enthalten und habe konsequenterweise auch nicht an der Abstimmung teilgenommen. So konnte ich den Zuschauern einen nicht wertenden Einblick in die demokratischen Auseinandersetzungen in der Schweiz geben.
Bei der Pressekonferenz sagte Viola Amherd, sie habe bereits eine DVD Ihres Films im Büro liegen, aber sei noch nicht dazu gekommen, ihn anzuschauen. Würden Sie der Bundesrätin dabei Gesellschaft leisten, um Ihr den Film zu erklären?
Selbstverständlich stehe ich dafür zur Verfügung. Das wäre mir ein grosses Vergnügen (lacht).