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Die «Dschihadisten» von Embrach: Keine Waffen und Terrorgelüste, dafür Bärte und Hunger

In diesem Industriegebäude soll sich eine dschihadistische Gemeinschaft eingenistet haben – oder doch nicht? 
In diesem Industriegebäude soll sich eine dschihadistische Gemeinschaft eingenistet haben – oder doch nicht? Bild: KEYSTONE
Verein distanziert sich vom Terror

Die «Dschihadisten» von Embrach: Keine Waffen und Terrorgelüste, dafür Bärte und Hunger

03.07.2014, 18:3004.07.2014, 15:29
Rafaela Roth
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«Hier schlägt das Terror-Herz der Schweizer Islamisten», titelte der «Sonntagsblick» vergangenes Wochenende. Die islamistische Bewegung El-Furkan habe sich im Industriequartier in Embrach ZH eingenistet, ihr Ziel sei nichts weniger als die Weltherrschaft, ein islamischer Gottesstaat, der Dschihad – wie die im Irak aktive Terrorgruppe ISIS. 

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Die ganze Schweiz erschrak, nur die Gemeinde Embrach nicht: «Die Medien schreiben von einer riesigen Aufregung, ich schätze die Lage im Dorf aber als sehr ruhig ein», sagte Gemeindepräsident Erhard Büchi auf Anfrage von watson.

Ein Augenschein am Montagabend zeigt: Gerade mal fünf bärtige und angespannt wirkende Männer haben sich in dem kleinen Gebetsraum in Embrach versammelt. Wegen der Medienberichte hätte sich niemand mehr her getraut, sagt ein Anwesender in perfektem Schweizerdeutsch. «Wir sind müde, es ist Ramadan, wir haben den ganzen Tag gefastet und wurden von den Medienberichten komplett überrumpelt», sagt ein junger Mann. Die Absage lautet freundlich, aber bestimmt: «Bitte warten Sie unsere Stellungnahme ab und lassen Sie uns essen.»

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Opfer einer Namensverwechslung? 

Was war passiert? Der «Sonntagsblick» bezog sich mit seinen Vorwürfen auf den deutschen Verein «al-Furqan», einer Salafisten-Bewegung, die dort unter Beobachtung des Verfassungsschutzes steht. Am Mittwoch stellt der Vorstand des Embracher Vereins «El-Furkan» in seiner Stellungnahme an Medien klar: «Mit dem deutschen Verein al-Furqan sind wir in keinster Weise verbunden.» Mehr noch, man distanziere sich klar von jeglichen Anwerbeversuchen für den heiligen Krieg oder die Terrorgruppe ISIS sowie «von jeglicher Form des Terrorismus», schreibt der Verein. Ist die Gemeinschaft, die sich in Embrach zum Gebet trifft, nun Opfer einer Namensverwechslung geworden? 

Der Islamische Zentralrat der Schweiz (IZRS) kannte die Gemeinschaft in Embrach bis anhin nicht. Er hält aber fest, dass es innerhalb der islamischen Strömungen ungefährliche salafistische Gemeinschaften gibt, die – ähnlich evangelikaler Gruppen – ihren Glauben zwar sehr quellenorientiert und fundamentalistisch auslegen, jedoch nicht dschihadistisch sind. Die Nähe der Gemeinschaft zum Koran zeichnet sich denn auch im Namen ab: El-Furkan leitet sich von einer Bezeichnung für den Koran bzw. einer darin enthaltenen Sure ab. 

Gemeindepräsident gibt Entwarnung

Der Embracher Gemeindepräsident seinerseits betrachtet die Sache als erledigt. Nach einem runden Tisch am Mittwochabend mit dem Vorstand des Vereins und Vertretern der Behörden sowie der Polizei sagt er: «Wir konnten im Gespräch und einer gemeinsamen Lagebeurteilung feststellen, dass vom Verein El-Furkan keine Gefahr für die Ruhe, Ordnung und Sicherheit der Gemeinde Embrach ausgeht.» Schon im Vorfeld habe es über die Mieter weder seitens der Nachbarn noch seitens der Behörden Klagen oder Meldungen gegeben.

Der Gemeindepräsident spricht von einer gelungenen Kontaktaufnahme: «Die Mitglieder der Gemeinde sprechen unsere Sprache, gehen qualifizierten Berufen nach und sind integriert», sagt er. Man werde weiterhin in Kontakt bleiben.

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