Ein Flixbus-Fahrer muss sich heute Mittwoch wegen fahrlässiger Tötung vor dem Bezirksgericht Zürich verantworten. Zwei Menschen starben, als der Bus 2018 auf der Zürcher Sihlhochstrasse verunfallte.
Die Staatsanwaltschaft wirft dem 62-jährigen Chauffeur mehrfache fahrlässige Tötung und Körperverletzung sowie fahrlässige grobe Verletzung der Verkehrsregeln vor.
Der Zürcher Staatsanwalt machte dem Chauffeur schwere Vorwürfe. Es sei kaum zu glauben, dass ein Berufs-Chauffeur so gefahren sei. Er forderte eine bedingte Freiheitsstrafe von zwei Jahren.
Der Flixbus-Chauffeur aus Italien, der am Mittwoch wegen fahrlässiger Tötung in Zürich vor Gericht stehen sollte, ist nicht aufgetaucht. Er liess sich aus psychischen Gründen dispensieren. Der Prozess wurde dennoch begonnen.
Der italienische Chauffeur habe ausgesagt, die Sicht auf der Sihlhochstrasse sei sehr schlecht gewesen, zitierte der Staatsanwalt am Mittwoch am Bezirksgericht Zürich aus der Untersuchung. «Dennoch fuhr er schneller als alle Autos», hielt er fest.
Was passierte, tue dem 62-jährigen Chauffeur aufrichtig leid, sagte der Staatsanwalt weiter. Der Beschuldigte habe aber selber festgestellt, dass sein Tempo «etwas hoch» gewesen sei. Der tödliche Unfall hätte gemäss Staatsanwalt leicht vermieden werden können - durch angepasstes Tempo.
Der Flixbus war kurz nach vier Uhr morgens auf der Autobahn A3W in der Stadt Zürich verunfallt. Der Chauffeur nahm am Ende der über der Sihl endenden zweispurigen Sihlhochstrasse nicht die Abfahrtsrampe – er fuhr vielmehr in den Autobahnstummel hinein und prallte in die Betonwand am Ende.
Eine Passagierin wurde aus dem Bus geschleudert; sie fiel in die Sihl, in der sie bewusstlos ertrank. Der zweite Chauffeur wurde eingeklemmt und so schwer verletzt, dass er zwei Wochen später im Spital starb. 42 Passagiere erlitten Verletzungen, nur fünf kamen unverletzt davon.
Die Verteidigerin des lixbus-Chauffeurs hat am Mittwoch in Zürich lediglich eine Busse gefordert. Für den Tod zweier Menschen und die Verletzungen dutzender Passagiere könne der Italiener nicht verantwortlich gemacht werden.
Es sei unklar, wie die verstorbene Passagierin in die Sihl gefallen sei, hielt die Verteidigerin am Bezirksgericht fest. Dass die Frau beim Aufprall aus dem Bus geschleudert wurde, sei aber «unmöglich».
Weder die Verletzungsspuren noch die Beschädigungen der Fenster würden auf ein Hinausschleudern hindeuten, sagte sie. Die Frau könnte nach dem Aussteigen von der Sihlhochbrücke in den Fluss gefallen sein. Dies könne ihrem Mandanten nicht angelastet werden.
Der Arbeitskollege des Chauffeurs starb 15 Tage nach dem Unfall im Spital. Lange sei er auf dem Weg der Besserung gewesen. Der Mann habe aber schon vor dem Unfall schwere Organschäden gehabt. Dass sein Tod direkt mit dem Unfall zusammenhänge, sei nicht nachweisbar, erklärte die Anwältin weiter.
Sämtliche Verletzten, die einen Strafantrag stellten, seien nicht angegurtet gewesen - trotz Pflicht. Die Fahrer hätten auf die Pflicht hingewiesen, die Verletzungen könnten dem 62-Jährigen deshalb nicht angelastet werden.
Als Unfallursache gilt gemäss Anklageschrift der Staatsanwaltschaft ein deutlich zu hohes Tempo. Signalisiert ist auf der gut beleuchteten Hochstrasse Tempo 60, angesichts von Schnee und Eis wären 30 km/h für Busse angebracht gewesen.
Der Chauffeur fuhr gemäss Anklage mit 68 km/h, als er 136 Meter vor dem Kollisionsort ein erstes Mal bremste. Danach habe er wieder beschleunigt. Erst 42 Meter vor der Betonwand habe er eine Vollbremsung eingeleitet. Mit 48 km/h prallte das Gefährt in die Begrenzung.
Der schwere Unfall hätte sich gemäss Anklage verhindern lassen: Wäre der Fahrer nicht von der Bremse gegangen, wäre der Bus trotz übersetzten Tempos 38 Meter von der Mauer zum Stillstand gekommen. Auch beim zweiten Bremspunkt hätte eine Vollbremsung ausgereicht – wenn das Tempo den Verhältnissen angepasst gewesen wäre. Der italienische Chauffeur sei entweder unaufmerksam oder mit der Situation überfordert gewesen. (rbu/sda)