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Therapie fruchtete nicht: Pädophiler wird nachträglich verwahrt

Therapie fruchtete nicht: Pädophiler wird nachträglich verwahrt

18.11.2021, 12:0018.11.2021, 13:53
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Pädophiler bleibt verwahrt.Bild: keystone

Ein heute 42-jähriger Mann wird nachträglich verwahrt: Da er sich in den vergangenen Jahren auf keine Therapie eingelassen hat und seine Pädophilie nicht eingesteht, bleibt er gefährlich, sagt das Bundesgericht und bestätigt die Entscheide der Zürcher Gerichte.

Eine Verwahrung bedeute einen schweren Eingriff in die persönliche Freiheit, sie sei deshalb nur restriktiv und als «ultima ratio» gerechtfertigt, schreibt das Bundesgericht in seinem Urteil.

Doch vorliegend habe der Freiheitsanspruch des Mannes zurückzutreten: Es geht dabei gemäss Bundesgericht um eine der «edelsten Aufgaben des Strafrechts» - den Schutz der Kinder und Heranwachsenden vor kriminellen Übergriffen und seelischer Kontamination durch das Verbrechen.

Mädchen ins Gebüsch gelockt

Der Mann war 2010 wegen sexueller Nötigung, sexueller Handlungen mit Kindern und mehrfacher Amtsanmassung vom Bezirksgericht Hinwil zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten verurteilt worden.

Er hatte im Zürcher Oberland zweimal velofahrende Mädchen angehalten, sich auf sein ZVV-Abo verweisend als Polizist ausgegeben und ihnen wegen fehlenden Veloausweisen eine Busse angedroht. Eine Zwölfjährige fuhr davon, als er ihr erklärte, sie könne die Busse durch Oralverkehr abbezahlen; eine Neunjährige flüchtete erst, nachdem sie im Gebüsch ihre Hose ausgezogen hatte.

Die deswegen verhängte Freiheitsstrafe musste der Mann nicht absitzen; sie wurde zugunsten einer stationären Therapie von fünf Jahren aufgeschoben. Da diese nichts brachte, wurde die Massnahme um weitere fünf Jahre verlängert.

Verwahrung statt Verlängerung

Doch auch dies fruchtete nichts: Das Bezirksgericht Hinwil sah dann von einer erneuten Verlängerung ab - und ordnete stattdessen eine nachträgliche Verwahrung des Mannes an, was zunächst das Zürcher Obergericht und nun auch das Bundesgericht bestätigte.

Der 42-Jährige hatte geltend gemacht, dass er seine Strafe ja schon längst verbüsst habe. Zudem wären seine Taten nicht derart schwerwiegend, dass sie eine Verwahrung rechtfertigen würden. Er sei plump vorgegangen, er habe die Mädchen nicht an der Flucht gehindert.

Wenn diese beiden Taten für sich genommen würden, könnte allenfalls zweifelhaft erscheinen, ob die für eine Verwahrung geforderte Erheblichkeitsschwelle erreicht ist, hält das Bundesgericht fest. Es verweist aber dezidiert auf zahlreiche weitere Umstände, welche eine Verwahrung rechtfertigen.

Therapeutisch nicht erreichbar

Das Bundesgericht zählt etwa die bereits mehrfachen einschlägigen früheren Verurteilungen auf. Und es weist darauf hin, dass dem Mann während den zweimal fünf Jahren dauernden stationären Massnahmen zwischenzeitlich verschiedene Vollzugslockerungen gewährt wurden, woraufhin dessen Leben wieder aus dem Ruder gelaufen sei.

Insbesondere fällt für das Bundesgericht aber ins Gewicht, dass in den vergangenen Jahren alle therapeutischen Bemühungen am Widerstand des Mannes gegen eine delikts- und störungszentrierte Therapie scheiterten. Die Vorinstanzen hatten diesbezüglich geschrieben, dass «mittlerweile von einer stark verfestigten ablehnenden Haltung gegenüber therapeutischer Beeinflussung» gesprochen werden müsse.

Verschiedene Gutachter hatten festgestellt, dass die Pädophilie nicht besprechbar sei, dass der Mann seine pädophile Affinität gar nicht eingestehe und die Möglichkeiten neuer Taten leugne.

Unter anderem weil eine Therapie nichts bewirkt und weil die Gutachten eine mögliche Rückfallgefahr als hoch einstufen, bestätigte das Bundesgericht die nachträgliche Verwahrung.

(Urteil: 6B_1076/2021 vom 28. Oktober 2021) (aeg/sda)

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