«Ich habe meine Tochter nicht umgebracht». Das hat am Montag vor dem Berner Obergericht eine heute 33-jährige Frau beteuert. Sie wird beschuldigt, im Februar 2022 ihr achtjähriges Kind in einem Wald bei Bern mit einem Stein erschlagen zu haben.
Das Mädchen sei der alleinerziehenden Mutter für eine neue Beziehung und ihr Partyleben im Weg gestanden, kam die Staatsanwaltschaft in ihrem Plädoyer zum Schluss. Das Obergericht solle die in erster Instanz verhängte lebenslange Freiheitsstrafe wegen Mordes gegen die Mutter bestätigen. Es sei die einzig angemessene Strafe für eine solch skrupellose Tat.
Der gewaltsame Tod des achtjährigen Mädchens im Könizbergwald in einem Vorort von Bern hatte im Februar 2022 grosse Bestürzung und Angst ausgelöst. Die Polizei habe für die Bevölkerung rasch einen Ermittlungserfolg gebraucht, brachte der Verteidiger vor.
Die Ermittler hätten sich sehr rasch auf die Mutter als Täterin eingeschossen: eine Frau mit Piercings im Gesicht, zur Tatzeit grün gefärbten Haaren und einem nicht immer ganz ordentlichen Haushalt. Von Anfang an sei das Bild der «bösen Mutter» gezeichnet worden, kritisierte die Verteidigung. Alles an Indizien sei gegen die heute 33-jährige Frau verwendet worden. Entlastende Momente habe man zu wenig gewürdigt.
Hinweisen auf eine Dritttäterschaft sei die Polizei nicht genügend nachgegangen. So habe man beispielsweise im Wald, unweit des Tatorts, eine Gesichtsmaske mit männlicher DNA am Boden gefunden. Es könne auch nicht ausgeschlossen werden, dass sich ein Ex-Partner mit einer Gewalttat an der Frau habe rächen wollen.
Für die Verteidigung gibt es klare Zweifel an den Indizien, die die Anklage ins Feld führt. Die Mutter müsse deshalb freigesprochen und aus der Haft entlassen werden.
Wie in erster Instanz stützte sich die Staatsanwaltschaft auf einen jugendlichen Zeugen, der Mutter und Tochter zur Tatzeit beim Könizbergwald gesehen haben will. Die Aussagen des damals Zwölfjährigen seien glaubhaft und konsistent, betonte die Staatsanwaltschaft. Die zeitlichen Angaben passten perfekt zu anderen Befunden.
Zur Zeit, als der Zeuge Mutter und Tochter beim Wald sah, konnte das Mobiltelefon der Mutter in ihrem Zuhause lokalisiert werden. Allerdings ohne, dass es in der fraglichen Zeit benutzt worden wäre. Dies sei aussergewöhnlich, habe die Frau doch sonst ihr Handy ständig benutzt, führte die Staatsanwaltschaft ins Feld. Die Frau habe versucht, sich ein digitales Alibi zu verschaffen.
Der jugendliche Zeuge sei nicht glaubhaft und habe erwiesenermassen einen ausgeprägten Geltungsdrang, konterte der Verteidiger. Es sei nicht auszuschliessen, dass der Junge sich geirrt habe. Die Polizei habe ihm kein einziges Foto zur Wiedererkennung der gesichteten Personen vorgelegt.
Ausserdem sei es mehr als unwahrscheinlich, dass die Mutter ihre Tochter umbringen wollte, nur kurz, nachdem sie von jemandem gesehen worden sei.
Die Angeklagte selbst schilderte am Montag vor Obergericht noch einmal ihre Sicht der Dinge. Sie habe ihre Tochter geliebt, diese sei kein Hindernis für eine neue Beziehung gewesen, beteuerte sie. Sie habe den Glauben und das Vertrauen in das Gericht noch nicht verloren.Das Obergericht wird sein Urteil am 24. März bekannt geben. (sda)
So gerne man auch komplexe Fälle lösen möchte, sollte man nur verurteilen, wem die Schuld zweifelsfrei nachgewiesen werden kann. Denn das Leid, welches die Justiz mit Fehlurteilen anrichtet, ist zu vergleichen mit schwersten Straftaten.
Einerseits sind da Indizien andererseits die Unvorstellbarkeit meinerseits einer solchen Tat.