Der als «Seefeld-Mörder» bekannte 29-jährige Schweizer hat am Donnerstag vor dem Zürcher Obergericht angegeben, er habe 2016 aus Angst um seine Familie gehandelt, als er einen Mann erstochen habe. Sein mitbeschuldigter Komplize will gar nichts mit der Tat zu tun gehabt haben.
Wie der Schweizer ausführte, hat ihm sein Kumpel, ein heute 41-jähriger Litauer, eine haarsträubende Geschichte erzählt, wonach seine Familie - namentlich seine kleine Tochter - von Dritten akut bedroht sei, sagte der Schweizer. Er habe alles geglaubt.
Heute wisse er, dass es Lügengeschichten waren, auf die er hereingefallen sei. Den einstigen Freund bezeichnete er als «verlogenen Schweinehund», eine Wortwahl, die ihm eine Rüge des vorsitzenden Richters eintrug.
Dass er Monate nach der Tat im Darknet nach einer Schusswaffe suchte, habe nichts mit dem Planen einer weiteren Tat zu tun, beteuerte er. Die Pistole habe er bloss zur Selbstverteidigung haben wollen, versicherte er. Beim Treffen mit dem vermeintlichen Waffenhändler wurde er von der Polizei empfangen.
Der Verteidiger des Schweizers machte geltend, sein Mandant habe in grosser Angst um seine Familie gehandelt und sei stark unter Druck gestanden. Bei der eingestandenen Tat handle es sich nicht um Mord, sondern um - milder bestrafte - vorsätzliche Tötung. Er beantragte zwölf Jahre Freiheitsentzug. Für eine Verwahrung, wie die Staatsanwaltschaft fordere, seien die Voraussetzungen nicht gegeben.
Der Litauer verweigerte jegliche Aussage. Sein Verteidiger plädierte auf Freispruch. Sein Mandant habe rein gar nichts mit der Tat zu tun. Der Schweizer habe alles allein ausgedacht und auch ausgeführt. Er machte zahlreiche juristischen Einwände und prozessuale Mängel geltend und bemühte sich nach Kräften, Zweifel an der Schuld des Litauers zu säen.
Das Bezirksgericht Zürich hatte den Schweizer im Januar 2020 wegen Mordes und weiterer Delikte zu einer Freiheitsstrafe von 20 Jahren verurteilt. Den Litauer sprach es unter anderem der Anstiftung zum Mord schuldig und verhängte 16,5 Jahre Freiheitsentzug. Der Staatsanwalt forderte für beide lebenslängliche Freiheitsstrafen und Verwahrung. Er kommt am Nachmittag zu Wort.
Die beiden Männer hatten sich im Strafvollzug kennengelernt und angefreundet. Beide sassen mehrjährige Strafen ab. Um möglichst rasch in Freiheit zu kommen, entwickelten sie laut Anklage einen tödlichen Plan. Ein Erpresserbrief ans Zürcher Kantonsparlament drohte die Tötung von Menschen an, sollte der Litauer nicht umgehend freigelassen werden.
In seinem ersten unbegleiteten Hafturlaub im Juli 2016 schickte der Schweizer den Brief ab. Nachdem das Ultimatum verstrichen war, kaufte er ein Messer und erstach im Zürcher Seefeldquartier einen zufällig anwesenden 41-jährigen Mann. Dann setzte er sich ab. Erst nach rund einem halben Jahr wurde er festgenommen. (sda)