Ein 28-Jähriger hat eine ihm unbekannte Frau im Zürcher HB vor einen einfahrenden Zug gestossen. Das Bezirksgericht Zürich verurteilte ihn am Mittwoch zu fünf Jahren und zehn Monaten Freiheitsstrafe. Wegen seiner psychischen Erkrankung bleibt der Eritreer in einer Klinik.
Dass der Beschuldigte im Mai 2021 am Gleis 4 am Zürcher HB eine Frau auf die Geleise gestossen hatte, war unbestritten. Die Richter sahen eine versuchte Tötung als erwiesen an. Auch wenn der Zug mit nur 10 km/h unterwegs war, wäre es möglich gewesen, dass die Frau überrollt werde, hielt der Richter an Mittwoch fest.
Dem Beschuldigten müsse bewusst gewesen sein, dass ein Zug einfahre und der Lokomotivführer habe ausgesagt, dass ein Unfall in einer solchen Situation möglich wäre. Die Frau habe sich mehrere Sekunden auf den Geleisen befunden, bevor sie zurück aufs Perron gelangt sei, sagte der Richter weiter.
Zusammen mit weiteren Delikten beträgt die Freiheitsstrafe insgesamt fünf Jahre und zehn Monate. Weil er im Kanton Schwyz zudem einen Gottesdienst störte, erlegt das Gericht dem 28-Jährigen zusätzlich eine Geldstrafe von 35 mal 10 Franken auf. Wegen mehrfachem Zugfahren ohne Billett kommt eine Busse über 300 Franken dazu.
Das Gericht sprach auch eine Landesverweisung von acht Jahren aus. Der Eritreer hatte in seinem Schusswort noch an das Gericht appelliert, ihn nicht zurückzuschicken. Er sei als Kind vom Militär eingezogen worden und habe schlimme Dinge erlebt. Er habe desertiert. «Wenn sie mich nach Eritrea schicken, ist das mein Todesurteil», sagte der 28-Jährige.
Der vorsitzende Richter hielt aber fest, dass es angesichts des Urteils eine Weile dauern werde, bis überhaupt über eine Rückführung entschieden werde. Ob diese dann möglich wäre, sei noch völlig offen. Er sei aber kein Härtefall und hier nicht integriert.
Dem Opfer muss der Beschuldigte eine Genugtuung von 10'000 Franken bezahlen. Auch wenn die Richter die Argumentation ihres Anwalts, dass es sich bei dem, was ihr angetan wurde, «um einen terroristischen Akt» handelte, nicht nachvollziehen konnten.
Gutachter diagnostizierten beim Beschuldigten eine paranoide Schizophrenie und eine posttraumatische Belastungsstörung. Die Freiheitsstrafe wird darum zugunsten einer stationären Massnahme aufgeschoben. Diese Massnahme könnte nach fünf Jahren verlängert werden.
Warum er die Ärztin auf die Geleise stiess, konnte der Beschuldigte an der Verhandlung nicht erklären. Die Frau sei zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen, hatte er in der Untersuchung gesagt. Er sprach von Frust und Stress.
Verletzen wollte er niemanden, beteuerte der 28-Jährige. In seinem Schlusswort gab er an, er wolle sich von ganzem Herzen bei der Frau entschuldigen.
Sein Verteidiger rückte die psychischen Erkrankungen seines Mandanten in den Vordergrund. Weil er die Gefahr zudem für zu abstrakt hielt, wehrte er sich gegen den Vorwurf der versuchten Tötung und verlangte in diesem Punkt einen Freispruch.
Das Urteil kann ans Obergericht weitergezogen werden. (sda)
Es fragt sich wer hier am falschen Ort ist….