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Renovate Switzerland – was die Klimaaktivisten eigentlich genau wollen

Renovate Switzerland – was die Klimaaktivisten eigentlich genau wollen

Sie sind schon seit März dieses Jahres aktiv, aber besonders in diesem Monat in Erscheinung getreten: Renovate Switzerland. Was will die Kampagne genau erreichen? Eine Übersicht über ihre Forderungen und bisherigen Aktionen.
31.10.2022, 18:1301.11.2022, 15:02
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Was ist Renovate Switzerland und was will man?

Alleine diesen Monat organisierte Renovate Switzerland zehn Strassenblockaden in der Schweiz und sorgte damit für Verspätung und Ärger im Strassenverkehr. Was wollen die Klimaaktivisten damit eigentlich genau erreichen?

Renovate Switzerland versteht sich als Ableger einer Bewegung des «zivilen Widerstands». Diese existiert bereits in mehreren Ländern und hat den Kampf gegen die Klimakrise zum Ziel. Mit gewaltfreien Aktionen wollen die Aktivisten ein Bewusstsein für ihr Anliegen schaffen und den Bundesrat zum Ergreifen von Massnahmen bewegen. Ihnen ist dabei besonders wichtig, dass sie der Regierung konkrete Vorschläge machen. So schreiben sie auf ihrer Website:

«Die Sympathisanten von Renovate Switzerland fordern, dass der Bundesrat eine Generalmobilmachung für die thermische Gebäudesanierung verfügt, als ersten offensichtlichen Schritt, um aus den fossilen Energien auszusteigen und den ökologischen Übergang zu schaffen.»

Die Forderungen fassten sie in einem Brief zusammen und schickten ihn am 19. März an Bundesrätin Simonetta Sommaruga.

Darin schreiben sie, dass die Klimakrise und die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern destabilisierende Risiken für die Schweizer Wirtschaft, die Sicherheit des Landes und die Demokratie darstellten.

Aus diesem Grund forderten sie vom Bundesrat innerhalb von vier Monaten die Erstellung eines nationalen Plans. Dieser soll es den Kantonen ermöglichen, bis 2040 eine Million Haushalte zu sanieren, welche eine Notdämmung benötigten.

Weiter sieht ihr Plan vor, dass ab 2023 die Sanierungszuschüsse um das Fünffache auf 1 Milliarde pro Jahr erhöht werden. Damit einhergehen soll ein Programm zum Schutz der Mieter vor Mieterhöhungen.

Zudem fordern sie die Bereitstellung von vier Milliarden Franken, womit 100'000 Arbeitskräfte im Baugewerbe umgeschult werden können.

11. April, Startschuss der Kampagne

Schon im Brief kündigen die Aktivistinnen und Aktivisten an, sich in den kommenden Wochen auf Schweizer Strassen zu setzen – also ganz unabhängig davon, ob der Bundesrat ihren Forderungen nachkommt oder nicht.

Damit wollen sie ihre «Forderungen untermauern», erklären sie:

«Wir tun dies nicht, um Sie als politische Entscheidungsträgerin zu tadeln, sondern um den Alarm- und Hilfeschrei, den unsere bürgerliche Verantwortung von uns verlangt, an unsere gesamte Gesellschaft zu richten. Wir tun dies in einem tiefen Verständnis der Demokratie, die uns dazu aufruft, für das Gemeinwohl zu handeln.»

Erst wenn ihre Forderungen eine substanzielle Antwort erhielten, zögen sie sich von den Strassen zurück, kündigten sie im Brief an.

Dem Brief liessen sie Taten folgen: Am 11. April sassen Aktivistinnen und Aktivisten zum ersten Mal auf einer Strasse. Sie blockierten den Autobahnverkehr am Ortseingang von Lausanne, bevor sie nach 20 Minuten von der Polizei weggetragen wurden. Drei weitere Male störten sie im April den Strassenverkehr in der Westschweiz.

Die Antwort Simonetta Sommarugas auf ihre Forderungen empfanden die Aktivistinnen und Aktivisten als ungenügend. Sie zitieren diesen Ausschnitt aus einem Brief, den Sommaruga an die Kampagne geschickt haben soll:

«Für mich ist es unbestritten, dass Handlungsbedarf besteht und dass die Schweiz beim Klimaschutz vorwärts machen muss. Der Bundesrat hat deshalb ein neues C02-Gesetz in die Vernehmlassung gegeben. Mit dem neuen Gesetz stellt der Bundesrat allein bis 2030 rund 4 Milliarden Franken bereit, um alte Öl- und Gasheizung zu ersetzen und die Gebäude zu sanieren.»

Den Klimaaktivistinnen und -aktivisten reichte diese Antwort nicht aus.

Ende April: Denkpause für den Bundesrat

Um dem Bundesrat noch mehr Zeit zum Handeln und Denken zu geben, kündigte Renovate Switzerland Ende April eine Blockadepause an. Als der Bundesrat diese Frist verstreichen liess, wurden die Aktionen weitergeführt. So wurde im Juli unter anderem das Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation in Bern mit oranger Farbe bekleckert und Sommarugas Ansprache am 1. August unterbrochen.

Damit wollten sie «die Behörden an ihre Pflichten erinnern». Allerdings ohne Erfolg. Sie hätten im Anschluss noch immer keine substanzielle Antwort des Bundesrates erhalten, heisst es auf ihrer Website.

So begannen die Aktivistinnen und Aktivisten mit der Planung grossangelegter Strassenblockaden im Oktober. Dafür lancierten sie Anfang September einen Spendenaufruf. Das Ziel: 20'000 Franken bis Ende Monat.

Dieses übertrafen sie sogar. Bis zum 29. September kamen 33'550 Franken von 205 Unterstützerinnen und Unterstützern zusammen. So konnten die ersten Blockaden plangemäss Anfang Oktober starten.

Blockaden im Oktober

4.10. Lausanne

Die erste Strassenblockade fand am 4. Oktober in Lausanne auf der Höhe von La Maladière statt. Um 9 Uhr blockierten vier Personen die Autobahn, wobei zwei Personen nach Eintreffen der Polizei ihre Hände auf der Strasse festklebten.

7.10. Lausanne

Noch in derselben Woche besetzten vier Personen die Chauderon-Brücke in Lausanne.

8.10. Zürich

Einen Tag später wurde Renovate Switzerland zum ersten Mal in der Stadt Zürich aktiv.

Die Aktion begann kurz vor 14.00 Uhr, wie die Stadtpolizei Zürich in einem Communiqué mitteilte. Die angerückten Beamten hätten die Protestierenden zunächst aufgefordert, die Fahrbahn freizugeben. Nach Ablauf einer Frist räumte die Polizei die Hardbrücke.

Zwei Frauen, die sich auf der Fahrbahn festgeklebt hatten, wurden von der Sanität und der Feuerwehr gelöst. Sämtliche Protestierenden, drei Männer und vier Frauen, seien auf den Polizeiposten gebracht worden, hiess es. Sie wurden angezeigt.

Die Kampagnenverantwortlichen äusserten sich in der dazugehörigen Medienmitteilung frustriert: «Egal, welche Methode bisher benutzt wurde, der Bundesrat nimmt seine Verantwortung immer noch nicht wahr.»

10.10. Lausanne

Zum dritten Mal innert kurzer Zeit wurde Lausanne Schauplatz einer Blockade. Sechs Personen blockierten eine Autobahnausfahrt bei La Bourdonette. Die Aktion führte zu Staus von über 45 Minuten Dauer.

11.10. Wankdorf

In der bereits fünften Aktion der Woche blockierten sechs Klimaaktivisten kurzzeitig den Verkehr in Bern-Wankdorf. Sie setzten sich auf eine Strasse und verursachten damit erhebliche Rückstaus auf der Autobahn.

Die Aktivisten blockierten ab 08.40 Uhr die Ausfahrt des unterirdischen Kreisverkehrs Richtung Ittigen, wie Magdalena Rast von der Kantonspolizei Bern auf Anfrage sagte. Drei Personen hätten sich am Boden angeklebt. Die Polizei habe alle Aktivisten unverletzt von der Strasse lösen können.

Für Aufsehen sorgte besonders die Verhaftung von Julia Karin Steinberger. Die amerikanisch-schweizerisch-britische Naturwissenschaftlerin ist als Professorin für soziale Folgen des Klimawandels an der Universität Lausanne tätig. Zudem hatte sie am Weltklimabericht 2021/22 als Autorin mitgewirkt.

14.10. Zürich

Am 14.10. wurde wieder in Zürich protestiert. Die Blockade auf der Bellerivestrasse begann am Freitagmorgen um kurz vor 8 Uhr, wie die Stadtpolizei Zürich mitteilte. Zwei Personen, die sich mit Klebstoff an der Fahrbahn festgeklebt hatten, wurden durch die Sanität losgelöst. Die Strasse konnte laut der Polizei nach etwas mehr als einer halben Stunde wieder für den Verkehr freigegeben werden. Sieben Personen wurden festgenommen.

19.10. Zürich

Nur fünf Tage später wurde erneut eine Strasse in Zürich blockiert: Aktivisten klebten sich am Mittwochmorgen um 8 Uhr in Zürich auf die Ausfahrt Sihlhölzli der A3.

Die Aktion von drei Aktivisten führte zu einem Stau auf der A3 bis auf die Höhe Brunau. Einige Autofahrende hupten genervt, ansonsten blieb die Aktion friedlich. Die Polizei rückte mit einem grösseren Aufgebot aus, um die beiden Klimaschützer, die sich festgeklebt hatten, vom Boden zu entfernen.

Eine halbe Stunde später rollte der Verkehr wieder. Die Stadtpolizei brachte die drei Männer für weitere Abklärungen auf die Wache, wie sie mitteilte.

Die Aktivistinnen und Aktivisten kündigten in einer Mitteilung an, mit ihren Blockaden weiterzumachen, bis sie Antwort vom Bundesrat erhielten, «koste es was es wolle».

22.10. Genf

Am 22. Oktober war Renovate Switzerland wieder in der Romandie unterwegs. Dabei wurde erneut die Mont-Blanc-Brücke in Genf blockiert.

Die Blockade der Fahrbahn bei der Brücke am Bahnhof durch die sechs Klimaaktivisten hatte um 14 Uhr begonnen und war gegen 16 Uhr beendet, wie es bei der Polizei auf Anfrage hiess. Vier Aktivisten hatten ihre Hand auf den Asphalt geklebt. Von den Personen, die an der Aktion teilnahmen, war die jüngste 20 und die älteste 77 Jahre alt.

Der Verkehr war für fast eineinhalb Stunden unterbrochen.

26.10 Crissier

Vier Tage später blockierten die Klimaaktivistinnen und -aktivisten vorübergehend die Autobahnausfahrt in Crissier VD. Es war die neunte Aktion dieser Art seit Anfang des Monats in der Schweiz und die vierte im Kanton Waadt.

Die fünf Aktivisten setzten sich kurz nach 8 Uhr auf die Fahrbahn, zwei von ihnen klebten ihre Hände auf den Asphalt. Gegen 09.15 Uhr war die Aktion beendet. «Einige» Aktivisten seien festgenommen worden, hiess es bei der Waadtländer Kantonspolizei auf Anfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA. Der Verkehr war für fast eineinhalb Stunden unterbrochen.

29.10. Bern

Die jüngste Strassenblockade fand am Samstag auf der Strassenbrücke in Bern statt. Die anwesenden Personen gingen dabei nach demselben Muster vor: Bei der Ankunft der Polizei klebten zwei Aktivisten ihre Hand auf den Asphalt.

Ein drittes Mitglied der Organisation wollte dies laut einer Mitteilung von Renovate Switzerland ebenfalls tun. Doch habe dies ein Polizist verhindert, indem er die Hand weggerissen habe. Der Fahrer eines Lastwagens habe versucht, durch die Sperre zu fahren.

Wie ein Journalist und ein Fotograf der Nachrichtenagentur Keystone-SDA vor Ort beobachteten, sorgte die Aktion bei Automobilistinnen und Automobilisten für Wut und für Staus im Verkehr. Es gab Autofahrer, welche die Aktivisten von der Strasse trugen und Plakate über das Brückengeländer warfen.

Die Polizei trug laut den Augenzeugen ebenfalls Aktivisten weg und nahm deren Personalien auf. Zudem regelte sie den Verkehr. Nach rund zwanzig Minuten war die Lorrainebrücke – eine wichtige Verbindung von der Innenstadt ins Berner Lorrainequartier und weiter zum Wankdorfquartier – einspurig und etwas später wieder ganz befahrbar.

Was haben sie bisher erreicht?

Noch konnte Renovate Switzerland kein Umdenken beim Bundesrat erwirken. Dennoch erreichten sie mit ihren Aktionen grosse Medienpräsenz. Am 21. Oktober schaffte es die Thematik sogar in die SRF-Arena, wo über Klimaaktivismus diskutiert wurde.

Renovate Switzerland wertet dies zumindest als Teilerfolg. Ohne ihre Aktionen hätte es diese Debatte vielleicht gar nicht gegeben, mutmassen die Aktivistinnen und Aktivisten auf Twitter:

Viel mehr haben sie bisher aber nicht erreicht. Doch gegenüber dem Tagesanzeiger betont die Mediensprecherin von Renovate Switzerland, Cécile Bessire, dass es wichtig sei, Debatten anzustossen:

«Wir suchen nicht den Applaus. Wir wollen, dass über unser Anliegen, die Häusersanierungen, geredet wird.»

Und wie geht es jetzt weiter? Noch im Juli sagte Bessire zur NZZ, dass sie weiter eskalieren würden, falls der Bundesrat bis im Herbst nicht handle. Darunter verstehen sie noch mehr Leute und längere Blockadewellen. Dass sie es damit ernst meinen, haben sie in diesem Monat bestätigt.

(saw, mit Material der Nachrichtenagentur sda)

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170 Kommentare
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In vino veritas
31.10.2022 18:34registriert August 2018
Ja, was haben sie erreicht? Sie haben erreicht, dass viele Menschen welche den Klimaschutz grundsätzlich begrüssen sich davon distanzieren. Darüber hinaus wurde der Ruf sämtlicher Klima-Aktivisten und Umweltschützer beschmutzt.

Wir haben hier in der Schweiz demokratische Möglichkeit Anliegen umzusetzen.

Übrigens haben die Genossen aus Berlin einen Stau verursacht, infolge dessen eine lebensgefährlich verletzte Velofahrerin länger auf Hilfe warten musste.

Da erhoffe ich ein konsequentes Durchgreifen der Polizei wie in Frankreich. Einfach wegtragen, Kleber hin oder her. Das sind Chaoten.
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CaptainObvious
31.10.2022 18:33registriert April 2017
Was ist denn das für eine Debattenkultur?!?

„Wir fordern …“ und „Wir hören erst auf wenn uns die Antwort genügt“.
Bei Kindern nennt man das schlicht trötzelen - und als Eltern versucht man es schon im Kindesalter ab zu gewöhnen.

So gesehen find ich es gut geht der Bundesrat nicht speziell darauf ein. Das öffnet sonst nur Tür und Tor für weitere Erpressung in ähnlicher Art.
Ausserdem haben wir (besonders) in der Schweiz deutlich mehr Möglichkeiten auf den Kurs der Politik Einfluss zu nehmen.
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Lil-Lil
31.10.2022 18:40registriert Februar 2021
Was haben Sie bis jetzt erreicht? Diese Störaktionen sind eine Sabotage von echt grüner Politik, mehr nicht.
So überzeugt man die Autofahrer ganz sicher nicht, auf ÖV oder Fahrrad umzusteigen!
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