In den vergangenen Tagen demonstrierten europaweit Klimaaktivistinnen und -aktivisten mit teilweise drastischen Mitteln. Strassen wurden für einmal nicht durch den alltäglichen Stau blockiert – sondern von angeklebten Menschen. In London landete zudem eine Tomatensuppe auf einem Gemälde des einohrigen Künstlers Vincent Van Gogh.
Irre Protestaktionen, dürfte man meinen. Sie landeten aber bei den Medien, führten dort zu mehreren Berichten, hohen Klickzahlen und eben auch zu einer «Arena»-Sendung. Das Team rund um Moderator Sandro Brotz und Sendungsleiterin Franziska Egli stellte am Freitagabend dazu die rhetorische Frage: Alles erlaubt beim Klima?
Eingeladen wurden zwei Linke (Juso-Chef Nicola Siegrist und Grünen-Nationalrätin Aline Trede) sowie zwei Rechte (SVP-Nationalrat Michael Graber und JSVP-Politikerin Vanessa Meury) – wobei Siegrist und Meury zwei zusätzliche Rollen hatten: Beide feierten gestern ihr «Arena»-Debüt und haben besondere Rollen in der Energiedebatte. Meury vertrat als Präsidentin den sogenannten «Energie Club Schweiz», eine Art Lobbyorganisation für Kernkraftenergie. Mit Siegrist war zudem ein Aushängeschild der Klimastreik-Bewegung im Studio.
Rückblickend kann gesagt werden, dass der Klimaaktivismus zumindest punkto politische Debatten einen Volltreffer landete. In der «Arena» wurde zwar – zurecht – über den konzeptionellen Aufbau der Protestaktionen diskutiert (sprich: wo der Zusammenhang zwischen Van-Gogh-Gemälde und Klima sei). Dazu war wenig überraschend viel Kritik zu hören. Diese Diskussion wurde aber rasch durch die sachliche Klimadebatte verdrängt. Und die endete eindrücklich konstruktiv.
Die «Arena» löste zwar die drängenden Probleme der Klimakrise nicht (was von einer Sendung auch nicht erwartet werden darf). Dem Publikum wurde aber eine informative Debatte präsentiert, in der nicht Personen, sondern grundlegende Weltansichten sich duellierten. Frappante Meinungsunterschiede gab es in der Sendung zu zwei Punkten: Wie schlimm ist es? Und braucht es dafür neue Atomkraftwerke?
Der erwähnte «Volltreffer» für die linksgrüne Seite betraf die erste Frage: Die Proteste des Klimaaktivismus führten dazu, dass es überhaupt erneut zu Debatten kam. Sie konnten diese damit auch «framen», sprich: definieren, was die Marschrichtung der Diskussion sein soll. Beispielhaft dafür war das Votum von Siegrist an die Adresse von Graber: «Ich sage Ihnen, was radikal ist. Es ist radikal, dass wir seit 40 Jahren nichts gegen diese Krise im Klimabereich machen, obwohl wir davon wissen. Wir haben 40 Jahre zugeschaut, wie wir ungebremst in Richtung Abgrund fahren.»
Der Walliser SVP-Politiker Graber brillierte gestern zwar mit einer starken Rhetorik. Seine Aufgabe war es jedoch, mit seinen Argumenten auch zu siegen – was ihm jedoch aufgrund des erzwungenen Settings nicht gelingen konnte: Seine Grundhaltung baute darauf auf, dass Klimaaktivismus unnötig ist, in dieser Form sogar eine Straftat sei. Diese Haltung konnte er nicht konsequent vertreten, weil er schon allein durch seine Anwesenheit im Studio die Proteste, ihre Anliegen und Forderungen legitimierte.
Graber suchte deshalb Angriffsmöglichkeiten auf Nebenschauplätzen, indem er zunächst semantisch die Existenz einer «Klimakrise» bestreiten wollte und sie später schwach als «Kampfbegriff» relativierte.
Schwach deshalb, weil er als Vergleich die Coronakrise («da sind Leute gestorben») und Energiekrise («Strom wird teurer, es drohen Blackouts») erwähnte – so als ob die häufiger auftretenden Wetterextremereignisse nicht auch zu Toten, Stromausfällen, Blackouts führen würden. Diese semantische Sturheit führte in der «Arena» zu teilweise absurden Voten, als etwa die Grünen-Nationalrätin Trede zu Graber sagte: «Das Klimaproblem ist global. Ich nenne es nicht einmal mehr Krise, damit Sie mir zuhören».
Siegrist beendete diese Debatte schliesslich mit einem Frontalangriff gegen Graber, nachdem dieser den Begriff «Klimaleugner» mit «Holocaustleugner» verglich: «Sie haben nicht verstanden, wie breit das Problem ist, wie existenzbedrohend der Klimawandel. Es spielt keine Rolle, welches Wort Sie verwenden. Mir ist wichtig, dass Sie anerkennen, dass es uns bedroht.» Die Schelte des 25-Jährigen gegen den 41-jährigen Nationalrat sass, die Debatte widmete sich danach vermehrt sachpolitische Fragen.
Schuld daran war auch Grabers Parteikollegin Vanessa Meury, welche in der Debatte eine energiepolitische Lobbyorganisation vertrat. Sie griff die Forderungen der klimaaktivistischen Gruppierung «Renovate Switzerland» als Erste auf. Sie sagte, dass sie bessere Gebäudeisolationen grundsätzlich gut finde, sie legte ihren Fokus aber auf die Kosten der Gebäudeeigentümer und auf die Problematik bei Sonderfällen.
Es war nicht der erste Versuch Meurys, die Debatte weg von Nebenschauplätzen, hin zur Diskussion über die klimapolitischen Forderungen zu ziehen. Sie vertrat zwar eine diametral andere Ansicht als ihre Kontrahenten – der Unterschied betraf aber zusammengefasst «lediglich» die Frage, wie eine grünere Energiepolitik der Zukunft aussehen soll. Meury war überzeugt, dass es zentralistisch mit neuen AKWs sicher klappen könnte. Linksgrün bezweifelte, dass Kernkraftwerke sicher, nachhaltig und vor allem schnell die Energiekrise lösen könnten.
Diese Differenz äusserte sich in verschiedenen Voten. Auffällig war der kurze Wortwechsel zwischen dem Juso-Chef und dem «Arena»-Moderator zur AKW-Frage:
Sandro Brotz: Das Problem dabei ist, dass es in der Zwischenzeit einen Krieg in Europa gibt.
Nicola Siegrist: Richtig. Wir haben aber auch darüber gelesen, was das Problem ist, wenn ein AKW im Krieg steht. Das war auch nicht nur unproblematisch. Wenn wir es nicht schaffen, bis in 20 Jahren die Erneuerbaren anständig auszubauen und so die Energieversorgungssicherheit zu erreichen, dann wäre ich damit dem Bau neuer AKWs einverstanden.
Oder im Votum von Trede, in dem sie sich zur «Bandstrom»-Frage äusserte. Kurzer Einschub für all jene, die den Begriff nicht kennen: Es geht dabei um die Vorstellung, dass es während Tag, Nacht, Sommer und Winter so etwas wie eine «Grundbelastung» gibt. Diese müssten mit der «Bandenergie» von Kraftwerken mit konstanter Leistung erbracht werden. Dazu wird die Vorstellung vertreten, dass dies nur mit AKWs möglich sei, weil Sonnen- und Windenergie nicht Strom liefern könnten (Stichwort: «In der Nacht scheint keine Sonne.»).
Trede kritisierte diese Vorstellung mit dem Argument, dass auch AKWs wegen den vielen Revisionsarbeiten nicht konstant Strom liefern würden. Sie forderte stattdessen Investitionen in «intelligente Netze»: Mit Neugeräten und neuen Technologien könne man «25 bis 40 Prozent des Energieverbrauchs ohne Verhaltensänderung, ohne Wohlstandseinbussen reduzieren». «Dann hätten wir kein Problem mehr. Das ist genau die gleiche Strommenge, wie alle AKW der Schweiz produzieren.»
Obwohl es dabei nicht um Solarpanels ging, stellte Brotz darauf dem Walliser SVP-Nationalrat eine Suggestivfrage («Also einfach viel mehr Solarpanels, Tausende davon auf Ihren Bergen»), die er dankend aufnahm.
Graber antwortete seiner Grünen Ratskollegin im hämischen Ton: «Ja, Solarpanels, die in China produziert werden, weil es in der Schweiz nicht konkurrenzfähig möglich wäre. Man weiss auch nicht, wann diese genau stehen würden, wie viel Strom sie genau liefern und sie kosten werden.» Meury schloss sich seiner Argumentationsschiene an. Sie lehnte eine Solarpflicht ab, unter anderem, weil das Netz bei einer Solarstromüberproduktion stabilisiert werden können müsse.
Erwähnt sei an dieser Stelle noch die Anwesenheit zwei weiterer Gäste. Die kritische Stimme aus der Zuschauerschaft wurde von Doris Jagendorfer vertreten. Sie kritisierte die hohen Polizeikosten bei Protestaktionen und ärgerte sich darüber, dass dadurch «viele Leute, die brav arbeiten wollen, sehr wütend werden». Selina Lerch vertrat die Gruppierung «Renovate Switzerland» und sagte zu ihrer Motivation: «Wenn ich sehe, dass unsere Zukunft dabei ist, zu zerbrechen, bin ich dazu bereit, Konsequenzen in Kauf zu nehmen.»
Um es nochmals für alle klar zu machen wir stehen in der grössten Krise der Menscheit. Wir sind mit unserem Verhalten verantwortlich dafür. Das ist Fakt. Klar das Problem muss global bekämpft werden, da gehören wir aber ganz klar mit dazu. Jeder ist in der Verantwortung und je länger wir zuwarten desto radikaler wird der Weg.
Und jetzt zur Sache:
Die Energiewende IST technisch machbar!
Wer also WILL, der macht sie JETZT, auf allen Ebenen: Individuell, regional, kantonal, national, international.
Wer aber NICHT will, der behauptet weiter, dass diese Energiewende, welche sich rasant beschleunigt, nicht funktioniere und gescheitert sei.
In der Parallel-Realität braucht es weiterhin AKW's.