Wenig ist zwar nicht gerade viel, aber es ist immer noch besser als nichts. Etwa unter diesem Motto beriet der Nationalrat gestern die nächsten Schritte beim Klimaschutz. Wobei es sich eben eher um Schrittchen handelt. Sie sollen der Schweiz nach dem Nein zum CO2-Gesetz vom Juni Zeit verschaffen, um die Klimapolitik neu aufzugleisen. Das ist nötig, weil das Volk damals eine Vorlage knapp ablehnte, welche die Schweizer Klimapolitik bis 2030 hätte regeln sollen.
Weil es anders kam, steht die Schweiz schon Ende Jahr mit einem Gesetz da, in dem wichtige Instrumente wegfallen, da sie befristet sind. Diese sollen neu bis 2024 weiterlaufen. Das hat die grosse Kammer gestern beschlossen. Mitte-Nationalrat Nicolo Paganini sagte, es gehe nun darum, das Klimapolitik-Gebäude «einigermassen bewohnbar zu halten».
Konkret hat der Nationalrat sich dafür ausgesprochen, den Reduktionsrhythmus im bestehenden Gesetz bis 2024 fortzuschreiben. Jährlich sollen 1.5 Prozent Treibhausgasemissionen gesenkt werden. Das ist die Voraussetzung, um politisch breit abgestützte Elemente des Gesetzes weiterzuführen.
Etwa die Möglichkeit, dass sich Firmen von der CO2-Abgabe befreien können. Ohne die Übergangslösung, rechnete Bundesrätin Simonetta Sommaruga vor, würden Mehrkosten von 200 Millionen Franken auf die betroffenen Firmen warten. Auch die Kompensationspflicht für Treibstoffimporteure soll verlängert werden.
Eine breite Allianz vom linken bis ins bürgerliche Lager stellte sich am Ende hinter die Übergangslösung. Widerstand kam einzig von der SVP. Die Partei war im Juni die grosse Siegerin: Sie hatte als einzige das neue CO2-Gesetz abgelehnt. Gestern erinnerten SVP-Exponenten ihre Ratskollegen noch einmal genüsslich an ihren Triumph.
Immer wieder nahmen sie jenes Wort in den Mund, das die anderen Parteien nicht hören wollen, schon gar nicht seit dem letzten Sommer und erst recht nicht in der Klimapolitik: Referendum. Der SVP-Klimapolitiker Christian Imark etwa warnte seine Ratskollegen davor, die Rechnung nicht ohne den Wirt zu machen, sonst drohe wieder ein Referendum.
Stein des Anstosses ist für die SVP der Benzinpreis-Deckel. Der Nationalrat sprach sich dafür aus, diesen bei 5 Rappen zu belassen – so, wie das bereits im Gesetz steht. Die SVP will davon nichts wissen. Ihre Lesart geht so: Das Volk hat mit dem Nein im Juni klar gemacht, dass es keine Preiserhöhungen duldet. Deshalb liege nur ein Aufschlag von 1.5 Rappen pro Liter drin. Das entspricht dem Betrag, den die Treibstoffimporteure aktuell erheben, um ihren Kompensationspflichten nachzukommen.
Mit dem Geld finanzieren sie Klimaschutzprojekte. Den Spielraum von 5 Rappen mussten sie bisher nicht ausnutzen. Dennoch will die Mehrheit des Rats ihnen diesen zugestehen – als «Manövriermasse», wie es FDP-Nationalrat Matthias Jauslin formulierte. Die SVP reagierte mit einem Nein in der Gesamtabstimmung. Schon zuvor hatte ihr Nationalrat Imark vorgerechnet, wie kompliziert ein Referendum alles machen würde, weil das Übergangsgesetz ja ab Anfang 2022 gelten soll.
Wie ernst es der Partei mit ihren Drohungen ist, wird sich weisen. Die Mineralölbranche selbst jedenfalls scheint auch mit dem 5-Rappen-Deckel leben zu können. Auf Anfrage schreibt Ueli Bamert, Leiter Politik bei Avenergy, dem Verband der Treibstoffimporteure, man akzeptiere die Weiterführung des gesetzlichen Rahmens mit dem Kostendeckel von 5 Rappen. Der Kompensationssatz sei aber so festzulegen, dass der Deckel «bestenfalls nicht ausgeschöpft werden muss», so Bamert.
Der Nationalrat hütete sich davor, der SVP weitere Angriffsfläche zu bieten. Anträge von links, die etwa die Einführung einer Privatjet-Abgabe oder einen höheren maximalen CO2-Abgabesatz forderten, wurden abgelehnt. Die Übergangslösung soll schlank und mehrheitsfähig bleiben. Doch das reicht – mit Mitte-Nationalrat Paganini gesprochen – «bestimmt nicht, um das Klimapolitik-Gebäude fertigzustellen». Im Gegenteil ist der Weg noch weit: Bis 2030 sind die Treibhausgasemissionen gegenüber 1990 um 50 Prozent zu vermindern, wie es das Pariser Klimaabkommen vorsieht. Bis 2019 hat die Schweiz nur 14 Prozent geschafft.
Auch Umweltministerin Simonetta Sommaruga weiss, dass die Verlängerung des aktuellen Gesetzes bei weitem nicht reicht. Sie unterstützte die Übergangslösung. Und kündigte an, bis Ende Jahr den neuen grossen Gesetzeswurf zu präsentieren, den die Klimapolitik bald braucht.