meist klar
DE | FR
Schweiz
Kommentar

Kommentar zu den Wahlen 2019: Was die Welt von der Schweiz lernen kann

A student painted her face with a slogan attends a protest of the Fridays for Future movement in Berlin, Friday, Oct. 18, 2019. (AP Photo/Markus Schreiber)
Junge Klima-Aktivistin, Angehörige eines schlecht manipulierbaren Wählersegments. Bild: AP
Kommentar

«We, not me!»: Was die Welt von der Schweiz lernen wird

1999 hat die Schweiz mit dem SVP-Erdrutschsieg eine weltweite Entwicklung vorweggenommen. Auch die heutige Reaktion auf den Rechtspopulismus wird Schule machen.
20.10.2019, 21:2121.10.2019, 13:03
Mehr «Schweiz»

Vor 20 Jahren hat die SVP die Schweiz von rechts aufgerollt. Seither hat die Schweizerische Methode des Rechtspopulismus europaweit und auch in den USA Schule gemacht.

Die etablierten Mitte-Rechts- oder Mitte-Links-Systeme der Nachkriegszeit mit ihren arrivierten Volksparteien sind in ihrer Bequemlichkeit in Bedrängnis geraten. Überrollt von Bewegungen, die, unter verschiedenen historischen Voraussetzungen zwar, aber mit professionell und finanziell ähnlich aufwendig betriebenem Politmarketing, aufs Parkett getreten waren. Und damit zugunsten ihres «starken Mannes» und für den eigenen politischen Vorteil kontinuierlich versuchten, den gesellschaftlichen Diskurs zu verunmöglichen, das politische Klima zu vergiften und Minderheiten aggressiv zu diffamieren.

Das Resultat dieser Entwicklung sitzt heute in Deutschland mit der völkischen AfD unter Höcke in den Parlamenten, reist in Österreich mit Strache nach Ibiza, rebelliert in England mit Johnsons Leaver-Torys gegen den Friedensgaranten EU, will in Italien mit Salvinis Lega die Rassensegretation wieder einführen, schafft in Ungarn mit Orban die Grundrechte scheibchenweise ab und stellt in den USA unter Trump nicht nur die in Verfassung gegossene Aufklärung, sondern auch die lange gewachsene weltpolitische Machtbalance explosiv auf den Prüfstand.

Gewiss, so dramatisch sind die vergangenen 20 Jahre in der Schweiz nicht verlaufen. Die heutige historische, weil grösste Sitzverschiebung in der Geschichte der Schweiz hin zu den Grünen kann man auch nicht eins zu eins als Fanal einer weltweiten Reaktion auf aus dem Ruder gelaufene rechtsnationale Tendenzen interpretieren.

Doch die kleine Schweiz nimmt nach dem 24. Oktober 1999 auch am heutigen 20. Oktober 2019 einen Trend vorweg, der über die Landesgrenzen hinausgeht. Und zwar denjenigen der breiten Mobilisierung neuer Wählersegmente durch die Grassroot-Methoden der Klima- und Frauenbewegungen. Diese haben mit dem Frauenstreik und den «Fridays for Future» im Vorfeld der Wahlen 2019 mit einfachsten Mitteln Hunderttausende auf die Schweizer Strassen gebracht. Und nun auch an die Schweizer Urnen.

Diese neuen Wähler- beziehungsweise vielmehr Wählerinnensegmente verlangen unabhängig von kurzfristigen politischen Hypes nach einer gesellschafts- und umweltpolitisch integrativen und nachhaltigen «We, not me!»-Politik und lassen sich schlechter von den rechtspopulistischen Organisationen der starken Männer rekrutieren.

Diese beweisen regelmässig, dass sie die eigene Person und den Profit ihrer Financiers voranstellen – auf Kosten der Umwelt oder der Bevölkerung. Das ist in Deutschland, Österreich, Grossbritannien, Italien, Ungarn oder den USA nicht anders als in der Schweiz.

Nur extremer.

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet um die Zahlung abzuschliessen)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Wahlen 2019: Das sind die Neuen in Bern
1 / 148
Wahlen 2019: Das sind die Neuen in Bern
Adele Thorens Goumaz ist neu im Kanton Waadt im Ständerat für die Grünen.
quelle: partei
Auf Facebook teilenAuf X teilen
Valentina de Vos ist Reporterin des Tages
Video: srf
Das könnte dich auch noch interessieren:
117 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Lowend
20.10.2019 21:45registriert Februar 2014
Dieser Kommentar stimmt mich sehr zuversichtlich, besonders wenn man noch bedenkt, dass ein anderer Trend, der aber auch mit Fridays for Future und dem Frauenstreik zusammenhängt abzeichnet; Auf vielen Stühlen sitzen plötzlich nicht mehr alte, weisse Männer, sondern eine bunte Schar von jungen Menschen und darunter viele Frauen, mit frischen Ideen, die hoffentlich auch frischen Wind in‘s angegraute Bundeshaus bringen!
661178
Melden
Zum Kommentar
avatar
Scaros_2
20.10.2019 21:53registriert Juni 2015
Man kann jetzt nur hoffen, dass diese neue Mitte-Links Parteien auch wirklich daran arbeiten und nicht einfach mit irgendwelchen Steuern und Aggressiven Forderungen ihre Zeit vertrödeln.

Ja man ist sich einig, dass der Mensch sein Profil ändern muss. Weg vom ewigen Wachstum etc. Aber bitte nicht von heute auf morgen weil damit werdet ihr viele nur verstören die euch gewählt haben.

Nehmt euch die Zeit und arbeitet an soliden Lösungen und nicht an kurzfristigen Bullshit-Bingo mit fadenscheinigen Argumenten die allesamt dann doch nichts bewirken.

Arbeitet zusammen!

Insofern - Viel Glück!
41241
Melden
Zum Kommentar
avatar
Philipp L
20.10.2019 21:40registriert Juli 2018
Ich finde es speziell, dass alle vom Untergang von der Svp reden, sie ist aber immer noch die mit Abstand stärkste Partei.
Was man aber nicht vergessen darf, man kann die Schweiz nicht mit anderen vergleichen. Wir haben ein Mehrparteiensystem. In vielen Länder kann man nicht einfach die Preise fürs Fliegen und Autofahren erhöhen, das gibt heftige Gegenreaktionen.
38259
Melden
Zum Kommentar
117
Schwerverletzter nach Unfall mit Tram in Basel – Polizei sucht Zeugen

Am frühen Montagmorgen ist an der Güterstrasse in Basel ein Fussgänger von einem Tramzug angefahren worden. Der 55-jährige Mann musste schwer verletzt in ein Spital gefahren werden, wie die Basler Kantonspolizei mitteilte.

Zur Story