Gross war der Ärger vieler Frauen über das Ja zur AHV 21 vor zwei Jahren. Das Ergebnis war äusserst knapp (50,5 Prozent), und eine Mehrheit hatte gegen die Anhebung ihres Rentenalters von 64 auf 65 Jahre gestimmt. Gross war deshalb die Hoffnung, als im August bekannt wurde, dass die Finanzlage der AHV positiver ist als damals behauptet.
Die Grünen und die SP Frauen verlangten mit einer Beschwerde eine Annullierung der Abstimmung. Sie organisierten am Donnerstag eine eigentliche Wallfahrt nach Lausanne, wo das Bundesgericht entgegen den Gepflogenheiten öffentlich über die Beschwerden beriet. Dies weckte Erwartungen auf einen positiven Entscheid, doch sie wurden enttäuscht.
Das fünfköpfige Gremium wies die Klagen einstimmig ab. Man kann den Ärger der (linken) Frauen nachvollziehen, doch der Entscheid ist absolut korrekt. Zwar hatte das Bundesgericht 2019 die Abstimmung über die Volksinitiative der damaligen CVP gegen die Heiratsstrafe annulliert. Auch damals hatte der Bund falsche Berechnungen angestellt.
Doch die Initiative war – ebenfalls sehr knapp – abgelehnt worden. «Es geschah nichts», erklärte der Vorsitzende Richter Lorenz Kneubühler (SP) am Donnerstag. Die AHV-Reform aber trat nach der Annahme im September 2022 zu Beginn dieses Jahres in Kraft, ebenso die damit verknüpfte Erhöhung der Mehrwertsteuer um 0,4 Prozent.
Ein Ja ist eben mehr als ein Nein. Wohl wird das höhere Frauenrentenalter erst ab dem kommenden Jahr «aktiviert», doch wichtige Elemente wurden schon eingeführt. Das gilt für die Flexibilisierung des Rentenbezugs und die Möglichkeit, eine Teilrente zu erhalten. Sie sollen das Arbeiten über das ordentliche Rentenalter hinaus attraktiver machen.
Eine rückwirkende Annullierung hätte unabsehbare Folgen gehabt, bis zu einem veritablen Chaos. «Müssten Betroffene ihre Teilrenten zurückzahlen oder die Pensenreduktion nachholen? Und wo würden Frühpensionierte wieder einen Job finden?», fragte sich der «Blick». Das Bundesgericht argumentierte denn auch primär mit der Rechtssicherheit.
Für das Gericht stellte sich zudem die Frage, ob bei einer Aufhebung der AHV 21 nicht auch die Abstimmung über die 13. AHV-Rente vom März wiederholt werden müsste. Anders gesagt: Man wäre in ein juristisches Minenfeld geraten. Die Abweisung der Beschwerden wurde folglich auch mit dem «Schutz von Treu und Glauben» begründet.
Gleiches lässt sich über den AHV-Rechenfehler sagen. Einzelne Richterinnen und Richter kritisierten den Bund deswegen, doch ein vorsätzliches oder gar böswilliges Vorgehen ist nicht erkennbar. Der Fehler der im Abstimmungsbüchlein publizierten Zahlen sei den Behörden selbst nicht bewusst gewesen, argumentierte ein Bundesrichter.
Das entspricht dem Befund der von Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider angeordneten Administrativuntersuchung. Er wurde kaum zufällig letzte Woche veröffentlicht. Demnach hat nicht das Bundesamt für Sozialversicherungen falsch gerechnet. Zwei Funktionen im «extern validierten» Berechnungsprogramm hätten zu unplausiblen Prognosen geführt.
Ein unangenehmer Nachgeschmack bleibt, doch ob das Ergebnis der Abstimmung mit korrekten Zahlen anders herausgekommen wäre, wird man nie wissen. Und man sollte nicht vergessen, dass die linken Gegnerinnen und Gegner ihrerseits einen fragwürdigen Abstimmungskampf geführt und teilweise veritable Lügen verbreitet hatten.
Fragwürdige Argumente gab es bei der AHV 21 auf beiden Seiten. Auch deshalb hat das Bundesgericht richtig entschieden.
Verglichen mit USR II 2008 (Mindereinnahmen falsch um Faktor 20), Schengen 2005 (Kosten um Faktor 15 falsch) oder der Personenfreizügigkeit 2000 (Faktor 10 mehr Menschen) sind die wenigen Prozent Minderausgaben in der AHV die zur Differenz führten Peanuts.
Vorher müsste man zahlreiche andere Abstimmungen wiederholen.