Sei es die Tetrapak-Verpackung des Orangensafts oder der Plastikbecher des Emmi-Joghurts: Heute landen in der Schweiz Unmengen an Material im Abfall, das eigentlich rezykliert werden könnte. Nur: Es fehlt ein Recycling-System mit entsprechendem Sammelmodell.
Das ändert sich nun. Am Donnerstag wurde in Bern der Öffentlichkeit der Recypac-Sammelsack präsentiert. Dieser soll diese Recycling-Lücke in der Schweiz füllen. CH Media hatte vergangenen Juli die Pläne dafür publik gemacht.
Hinter der Recycling-Offensive stehen Detailhändler wie Migros, Coop, Lidl, Aldi und Spar sowie grosse Lebensmittelhersteller wie Nestlé, Unilever und Emmi. Die von ihnen gegründete Branchenorganisation Recypac will laut eigenen Angaben ein «schweizweit flächendeckendes, einheitliches und hochwertiges Recycling für die beiden Wertstoffen» (Getränkekartons und Plastik-Verpackungen) aufbauen. Denn heute gibt es zwar bereits ähnliche Sammelsysteme, die allerdings auf private Initiativen in gewissen Regionen beschränkt sind.
Eine der ersten Gemeinden, die zusammen mit dem Detailhandel mit der Recypac-Sammlung gestartet haben, ist die Stadt Bern. Dieses System sei eine gute Ergänzung zu den etablierten Separatsammlungen, sagt Christian Jordi, Amtsleiter Entsorgung und Recycling von Bern. Daneben haben auch Dietikon, Greifensee, Oetwil an der Limmat und Schlieren im Kanton Zürich mit der Recypac-Sammlung gestartet. Weitere Gemeinden werden laut der Organisation in den nächsten Wochen folgen.
Konsumentinnen und Konsumenten können die Recypac-Säcke in verschiedenen Grössen bei teilnehmenden Detailhandelsfilialen kaufen. Die Preisempfehlung von Recypac für die Säcke sieht so aus:
Doch weshalb soll die Kundschaft für die Säcke überhaupt etwas bezahlen? Schliesslich sind Hersteller und Verkäufer die eigentlichen Verursacher des Abfalls. Und Elektroschrott können Kunden in Schweizer Geschäften, die Elektroprodukte verkaufen, gratis zur Entsorgung abgeben, da die Kosten dafür im Kaufpreis eingepreist sind. Recypac-Geschäftsführerin Odile Inauen sagt dazu, man werde den Erfolg des Sackes analysieren. Eine andere Finanzierungsform sei künftig durchaus möglich. Bei PET-Flaschen existiert bereits eine vorgezogene Recyclinggebühr.
Christopher Rohrer, bei der Migros zuständig für das Thema Nachhaltigkeit, erhofft sich von einer national einheitlichen Lösung wichtige Effizienzgewinne durch Skaleneffekte. Zudem bringe sie Vorteile für die Kunden: «Sie sollen überall in der Schweiz die gleichen Verpackungen im selben Sack sammeln können.» Gleichzeitig spricht er von einer logistischen Herausforderung. In fünf Filialen gebe es bereits fünf Sammelbehälter. Aber diese benötigten jeweils Platz, der gefunden werden müsse. «Das benötigt Zeit.»
Laut Recypac beträgt die Verwertungsquote von Plastikverpackungen und Getränkekartons heute gerade mal 3 Prozent. «Von den 195’000 Tonnen Plastikverpackungen und Getränkekartons, die in Schweizer Haushalten als Abfall anfallen, werden derzeit nur rund 6000 Tonnen rezykliert», sagt Inauen. Die nun gestartete Offensive ist nicht zuletzt eine Folge der 2020 eingereichten Motion von FDP-Nationalrat Marcel Dobler, mit welcher er die Förderung der Kreislaufwirtschaft forderte.
Allerdings ist das Recypac-Modell noch nicht über alle Fragen erhaben. Denn aktuell gibt es hierzulande keine Anlage für den Recycling-Prozess. Die gesammelten Abfälle werden somit nach Süddeutschland oder Österreich verfrachtet, wo solche Anlagen existieren. Laut Inauen gibt es Pläne für eine entsprechende künftige Infrastruktur in Zukunft.
Zudem können auch dort nicht alle Verpackungen rezykliert werden, da sie oft nicht nur aus einem Material bestehen. Viele von ihnen landen somit in der herkömmlichen Verbrennung. Als Absicht nennt Inauen, dass 55 Prozent der Kunststoffverpackungen und 70 Prozent der Getränkekartons bis 2030 rezykliert werden. Dies entspricht den EU-Zielen.
Und wieso dauerte es in der Schweiz so lange, während andere Länder wie Deutschland, Frankreich oder Belgien viel weiter sind beim Recycling von Plastikverpackungen und Getränkekartons? «Das habe ich mich auch gefragt», sagt Inauen. Heute sei man nun aber endlich so weit.
Die Umweltorganisation Greenpeace zeigte sich derweil bereits bei der Bekanntgabe der Pläne vergangenen Sommer wenig beeindruckt. Grundsätzlich sei die Verwendung von Einwegverpackungen immer verschwenderisch, sagte Sprecherin Michelle Sandmeier. «Für jede neue Verpackung muss Material und Energie investiert werden.» Recycling löse dieses Problem nicht. «Der ökologische Nutzen ist sehr klein und der Aufwand verhältnismässig gross.» Anstatt viel Geld in den Aufbau einer Sammel- und Recyclinginfrastruktur für Plastik und Getränkekartons zu investieren, fordert Greenpeace von den Akteuren, dieses Geld stattdessen in die Entwicklung und den Aufbau eines ökologischen Mehrwegsystems zu stecken.
(aargauerzeitung.ch)
Recycling muss kostenlos sein oder ein hohes Pfand haben, sonst klappt das nicht…
Der Züri-Sack 35L kostet 1.62 Franken, das lohnt sich also eher nicht. Verpasste Chance.
Da steht der Schweiz auf dem Weg zum Recyclingweltmeister nichts mehr im Weg. Ironie off.