48 Prozent machen sich deswegen Sorgen: Kein anderes Thema bekümmert die Menschen in der Schweiz stärker als die Krankenkassenprämien. Dahinter folgen laut dem aktuellen UBS-Sorgenbarometer der Klimawandel, die Altersvorsorge und das Asylwesen.
Derzeit gibt es drei Prämienstufen. Am tiefsten sind sie für Kinder. Ihre durchschnittliche Jahresprämie belief sich 2023 auf 1243 Franken. Junge Erwachsene von 19 bis 25 Jahren zahlten 3409 Franken. Ab 26 Jahren gilt dann bis ans Lebensende der gleiche Tarif; 4856 Franken waren es 2023.
Besonders zu schaffen machen die ständig steigenden Gesundheitskosten den jungen Familien. Sie sind am häufigsten auf Prämienverbilligung angewiesen. Auf der anderen Seite fallen bei den jüngeren Personen deutlich weniger Kosten an als bei den Senioren. Im Jahr 2023 entrichteten die Krankenversicherer Leistungen von knapp 34,6 Milliarden Franken an die Versicherten. Fast die Hälfte davon entfiel auf Menschen im Alter ab 65 Jahre; sie tragen einen Viertel zum gesamten Prämienvolumen bei.
Mit der Alterung der Bevölkerung verschärfe sich das Ungleichgewicht zwischen der Beitragszahler – und der Bezügergeneration, sagt Philippe Nantermod. Der Walliser FDP-Nationalrat will deshalb vom Bundesrat wissen, wie stark Familien mit kleinen Kindern entlastet würden, wenn Rentnerinnen und Rentner einen höheren Tarif entrichten müssten. Eine entsprechende Interpellation reichte er in der Wintersession ein.
Nantermod, 40-jährig und Vater zweier kleiner Kinder, erwartet, dass das Bundesamt für Sozialversicherungen in der Antwort auf seinen Vorstoss Modellrechnungen präsentiert. Wie hoch der Zuschlag bei der Seniorenprämie ausfallen soll, lässt er offen. Er könnte sich zum Beispiel eine mittlere monatliche Prämie von 600 Franken vorstellen. Das wären knapp 200 Franken mehr als derzeit.
Die Idee einer Seniorenprämie wurde bereits einmal lanciert. Die frühere Aargauer Mitte-Nationalrätin Ruth Humbel schlug dem Bundesrat vor, er solle einen Zuschlag von 50 Franken pro Monat prüfen. Sie argumentierte, dass junge Versicherte mit ihren Krankenkassenprämien ältere, mehrheitlich gut situierte Versicherte subventionieren würden. 17 Mitglieder der damaligen CVP-Fraktion unterzeichneten die Interpellation. «Die Formel ‹Arm gleich alt› stimmt nicht mehr», sagte Humbel damals gegenüber der «Neuen Luzerner Zeitung». Dies zeige sich bei der Prämienverbilligung, auf die vor allem die jüngere Generation angewiesen sei. Humbel verwies damals auch auf eine Studie, die zeigte, dass die 55- bis 75-Jährigen finanziell am besten dastehen.
Diesen Befund bestätigte vor kurzem eine aktuelle Untersuchung im Auftrag des Bundesamtes für Sozialversicherungen. Niemand in der Schweiz besitzt so viel Vermögen wie Rentnerinnen und Rentner. Die Hälfte der Ehepaare verfügen über 563'000 Franken, bei Paaren im erwerbsfähigen Alter sind es 397'800 Franken. Gründe dafür sind Erbschaften und der Kapitalbezug aus der zweiten und dritten Säule.
Mit ihrem Vorschlag provozierte Humbel harsche Reaktionen. Sie erhielt rund 100 E-Mails mit Reklamationen und viele Telefonanrufe mit Rücktrittsaufforderung. Die CVP des Kantons Luzern organisierte eigens einen Anlass, an dem sich die Gesundheitspolitikerin den christdemokratischen Senioren stellte. In den Stammlanden seien schon viele Bauern zur SVP gewechselt, sagte ein 72-Jähriger. Die CVP dürfe nicht auch noch ältere Leute vergrämen.
In einem Interview nannte Peter Dietschi, der damalige Geschäftsleiter von Pro Senectute Luzern, Humbels Idee eine «Strafprämie». Grosseltern würden ihre Enkelkinder während 100 Millionen Stunden pro Jahr im Wert von mehreren Milliarden Franken hüten, gab er zu bedenken. Zuspruch erhielt Humbel vom damaligen Luzerner Gesundheitsdirektor und Parteikollege Markus Dürr. Das Armutsrisiko liege ganz klar bei den Jungen, eine Seniorenprämie sei angebracht. Der Bundesrat sah keinen Handlungsbedarf.
Philippe Nantermod weiss, dass er in seiner Interpellation ein heisses Eisen anfasst. Wenn man als Politiker nicht kritische Reaktionen in Kauf nehme, sei man aber auf verlorenem Posten. Der FDP-Nationalrat sagt, er stelle nicht die Generationensolidarität infrage, aber: «Es ist eine Tatsache, dass bei der Krankenversicherung, aber auch der Altersvorsorge ein Transfer von Jung zu Alt stattfindet.» Ein grosser Teil des Wirtschaftswachstums der letzten zwanzig Jahre sei dadurch «aufgefressen» worden.
Ich wäre in einem ersten Schritt für ein Verbot von jeglichen Bezügen und Honoraren aus den Krankenkassen für Parlamentarier.