Schweiz
Landwirtschaft

Das Nottelefon für Alpbetriebe ist selber in Not

Auch auf der Alp fehlen die Fachkräfte: Das Nottelefon für Alpbetriebe ist in Not

28.06.2022, 11:51
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Der Fachkräftemangel hat die Schweiz im Griff. Egal, ob in der Gastronomie, in der IT oder in den Kitas: Landesweit suchen Unternehmen nach geeignetem Personal. Die Schweizer Alpbetriebe bilden da keine Ausnahme.

Das Alpofon vermittelt Personal, wenn eine Person aus dem Alpteam ausfällt. Die Situation ist dabei gleich doppelt ernst, berichtet das «Bündner Tagblatt», denn es fehle an Personal in Alpbetrieben und an Aushilfen beim Alpofon. Rufen Bäuerinnen und Bauern also an und bitten um Unterstützung, so kann auch das Alpofon nicht helfen.

Auf der Alp fehlt es nicht an Kühen, aber an Personal, welches sich um die Kühe kümmert.
Auf der Alp fehlt es nicht an Kühen, aber an Personal, welches sich um die Kühe kümmert.Bild: shutterstock

Seit Beginn der Alpsaison Anfang Juni haben sich bereits 35 Alpen bei der Hotline gemeldet. Viele waren auf der Suche nach einer oder sogar zwei Personen. Wie Barbara Sulzer, Mitgründerin vom Alpofon, in der Zeitung erklärt, seien viele Teams bereits unvollständig in den Alpsommer gestartet.

Wenn es sich um kurzfristige Ausfälle handle, so könnten die Bäuerinnen und Bauern diese selbst überbrücken. Problematisch wird es aber, wenn längerfristige Aushilfen gesucht würden.

Barbara Sulzer bedauert, dass die Hotline derzeit kaum Aushilfen anbieten kann. Nur etwa eine Handvoll Einsatzwillige stünden zur Verfügung. Was genau zu diesem Aushilfsmangel geführt hat, weiss sie nicht. Doch fest stehe:

«So prekär wie in diesem Sommer war die Situation noch nie.»

Die Gründe für den Ausfall von Alppersonal sind derweil jedes Jahr in etwa die gleichen. Meist ist es wegen eines Unfalls oder Krankheit, oft sind Angestellte aber auch überfordert oder verlassen die Alp frühzeitig wegen Heimweh.

Erfolgloser Aufruf im Radio

Aus Not wandte sich Sulzer an Radio SRF 1 – und fand Gehör. Am 15. Juni hatte als «Morgengast» einen Auftritt bei Moderator Sven Epiney. Jahre zuvor hatte sie dies schon einmal gemacht, worauf das Telefon Sturm geklingelt.

Dieses Jahr wartete sie allerdings vergeblich auf einen Anruf. Sulzer konnte es kaum fassen. Im ersten Corona-Jahr hätte es einen Ansturm auf die Alpen gegeben, doch dieser sei jetzt definitiv vorbei, stellt Sulzer im «Bündner Tagblatt» weiter fest.

Auf der Suche sei man primär nach Personal für Kuhalpen, insbesondere Melkerinnen und Zusennen. Als Zusenn oder Zusennin bringt und holt man die Kühe jeweils am Morgen und Abend von der Weide und stallt sie ein. Zudem hilft man bei der Verarbeitung der Milch mit und produziert Käse oder Butter.

Alpkäser vor Sennkessi, Alpkäserei im Emmental Kanton Bern .
Ein Alpkäser im Emmental Kanton Bern .Bild: imago images

Für diese Arbeit sollte man Erfahrung in der Landwirtschaft oder auf einer Alp mitbringen und bereit sein, hart zu arbeiten – zehn bis zwölf Stunden am Tag, so Sulzer. Und dies für einen bescheidenen Lohn. Auch vor Tieren sollte man keine Angst haben. Interessierte können sich als Springerinnen und Springer über die Website der IG Alp und Alpofon anmelden. (saw)

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34 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Bahnhofskiosk
28.06.2022 11:56registriert Dezember 2021
"Für diese Arbeit sollte man Erfahrung in der Landwirtschaft oder auf einer Alp mitbringen und bereit sein, hart zu arbeiten – zehn bis zwölf Stunden am Tag, so Sulzer. Und dies für einen bescheidenen Lohn."

Hab das Problem gefunden.
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Pragmatiker17
28.06.2022 12:59registriert Juni 2018
Hier gilt wie überall, wo es angeblich an Fachkräften mangelt: bietet zeitgemässe Arbeitsbedingungen, einen anständigen Lohn, bildet genügend Nachwuchskräfte aus und macht den Konsumenten klar, dass gute Arbeit ihren Preis hat.
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sweeneytodd
28.06.2022 14:10registriert September 2018
Viele Personen konnten sich eine Weiterbildung (zeit/geldmässig) nicht leisten, nun während Corona hatten sie plötzlich die Zeit dazu und haben sich ein besseres Standbein zugelegt. Die Älpler können nichts dafür, die Leben selber beinahe am Minimum, hier wäre der Staat gefragt (Ja liebe SVP, die Bauern waren einmal eure Kerndisziplin!). Und von Fachkräften zu schreiben ist wohl der neuste Trend, seid ehrlich und sagt "billige Arbeitskräfte welche viel arbeiten müssen".
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