«tsch tsch»: Sommerzeit ist Grillzeit – und Coop und Migros werben in der ganzen Schweiz für Fleisch. Das stösst Swissveg, dem Interessenverband von Veganern und Vegetariern, sauer auf. Er holt nun zum Gegenschlag aus. Die Hintergründe in fünf Punkten:
Rund sechs Millionen Franken: So viel gibt der Bund jährlich aus, um Kampagnen wie die heute eingestellte «Schweizer Fleisch. Alles andere ist Beilage» des Branchenverbands Proviande zu subventionieren. Dies stört den Vegi-Interessensverband.
In der aktuellsten Ausgabe des «SonntagsBlick» wird Danielle Cotten, Sprecherin des Verbands, wie folgt zitiert:
Swissveg fordert nun, dass der Bund die Gelder für die Werbung für Schweizer Fleisch streicht. Der Verband habe sich Anfang Juli mit einem Schreiben an die Geschäftsprüfungskommission des Nationalrats gewandt, schreibt die Sonntagszeitung.
Es ist nicht das erste Mal, dass das Thema die Politik auf den Plan ruft. Grünen-Nationalrat Balthasar Glättli reichte Anfang 2019 eine Motion mit Titel «Keine Absatzförderung von Fleisch mit Steuergeldern, auch aus Gründen des Klimaschutzes» im Parlament ein. Sie ist noch hängend.
2017 lehnte die Mehrheit des Nationalrats jedoch einen ähnlichen Vorstoss von SP-Mann Beat Jans ab. Kommissionssprecher Leo Müller (CVP) argumentierte damals, dass es bei der Fleischwerbung nicht darum gehe, den Fleischkonsum anzuheizen, sondern dass inländisches statt ausländisches Fleisch konsumiert werde. Zudem sei die Nachfrage nach Fleisch in der Schweiz nach wie vor vorhanden.
Dieselbe Position vertritt der Branchenverband Proviande. Sprecherin Regula Kennel sagt auf Anfrage: «Die Absatzförderung, subsidiär vom Bund unterstützt, soll die Konsumenten über die Qualität und Vorzüge von Schweizer Erzeugnissen informieren und diese gegenüber Importen positionieren.»
Die knapp sechs Millionen seien zudem «nicht einmal 10 Prozent» der gesamten Absatzförderungsmittel, die der Bund für Vermarktung von Schweizer Landwirtschaftsprodukten einsetzt. Die Aussagen von Swissveg hält Regula Kennel für Polemik. Sie sei genau so wenig haltbar wie Pauschalaussagen zum Wasserverbrauch für die Produktion von einem Kilo Fleisch. Kennel weiter:
Ein sorgsamer Umgang mit den Ressourcen, eine möglichst vollständige Nutzung eines Schlachtkörpers, eine ausgewogene Ernährung mit möglichst wenig Lebensmittelverschwendung seien einzelne Puzzleteile davon. Und dafür setze sich auch Proviande ein.
Nebst Subventionen für Fleischwerbung sind Swissveg auch die Plakate von Einzelhändlern wie Coop und Migros ein Dorn im Auge. «Dass für Fleisch Werbung gemacht wird, finden wir mehr als problematisch», sagt Cotten zum «SonntagsBlick». Wurstwaren und rotes Fleisch könnten gesundheitsgefährdend sein und gehörten deshalb nicht in die Werbung. Das Gesundheits-Argument sorgte seinerseits dafür, dass Werbung für Alkohol und Tabak heute Regulierungen unterliegt.
An Bahnhöfen wirbt der Verband nun mit dem Plakat unten und dem Schriftzug «Verantwortungsvolle Eltern ernähren sich vegan» für den Verzicht von tierischen Ressourcen. Die Tierfreunde liessen dafür 100’000 Franken springen.
Regula Kennel von Proviande sagt dazu, es sei jeden selber überlassen, sich vegan oder vegetarisch zu ernähren, aber: «Eltern dann nicht mehr verantwortungsvoll, wenn sie ihre Kinder rein vegan ernähren. Tierische Proteine, Vitamin B12 und B2 und Eisen sind für die gesunde Entwicklung von Kindern und Jugendlichen von zentraler Bedeutung.»
In der watson-Kommentarspalte des ersten Artikels zum Thema findet die Argumentation von Swissveg, wonach für Fleisch gar keine Werbung mehr gemacht werden soll, kein Gehör. Einer der meistgelikten Kommentare kritisiert, der Verband versuche sich in die Angelegenheiten privater Firmen einzumischen.
Ob aus Umwelt-, Tierschutz- und Gesundheitsüberlegungen: Seit 49 Jahren haben die Schweizer nicht mehr so wenig Fleisch gegessen. Und in den letzten Jahren hat sich die Entwicklung verstärkt: Im Vergleich zu 2010 ist der Konsum von Fleisch pro Kopf 2018 um 7 Prozent zurückgegangen.
Christine Schäfer, die am Gottlieb Duttweiler Institut zum Thema Ernährung forscht, führt den Rückgang auf die veränderten Konsumgewohnheiten zurück. «Immer mehr Leute verstehen sich als Flexitarier und reduzieren ihren Fleischkonsum bewusst», sagte sie vor einigen Monaten zu watson.
Ein Indiz dafür liefert auch der «SonntagsBlick». Laut ihm steigt während der laufenden Grillsaison die Nachfrage nach vegetarischen Alternativen. Insbesondere der Schafskäse Halloumi verzeichne höhere Absatzzahlen.