Es kam, wie es kommen musste. Nur einer überlebte.
So ging das Spiel von Yuliya nun mal.
Denn sie ist ein düsteres Wesen, eines, das Seelen aussaugen muss, weil es selbst keine hat. Wie auch, entstand es doch aus all dem Schund und Schrott, den die Leute wegwerfen, aus dem Müll, den hunderte Füsse in hunderten von Jahren in die Erde gestampft haben, dort hinein, wo es immer dunkel ist und wo der Versuch der Würmer misslang, jenen unverdaulichen Klumpen in ein Stück Natur zurückzuverwandeln.
Yuliya ist nichts weiter als der unverwertbare Rest, ein Ungeheuer aus Unrat, dazu verdammt, ewig auf der Erde zu bleiben, um ihr zu schaden. Und so rächt sie sich an ihren Erschaffern, raubt ihnen das Wertvollste, das sie besitzen. Ihr Glück, ihre Gefühle, ihre Herzenskraft. Denn nur so erhält sie sich selbst am Leben, das nichts weiter ist als triste, todbringende Existenz.
Inzwischen aber ist ihr dieses Dasein langweilig geworden. Reine Bosheit will nichts weiter als sich selbst. Kennt kein spielerisches Element, nur Vernichtung. Das reichte ihr nicht mehr. Sie hatte von den Menschen gelernt, von ihren Erschaffern, die sie niemals wollten und stets nur verleugneten. Lange genug hatte sie ihnen beim Betrügen, beim Täuschen und Blenden zugeschaut, um daraus ein Spiel zu entwickeln. Ihr ganz eigenes Schmierentheater, in dem sie die Hauptrolle spielen würde.
Sie machte sich zurecht, formte einen schönen Körper aus dem, was sie in ihrem tiefschwarzem Zuhause fand, setzte sich zwei strahlend blaue Augen ins Gesicht und verbarg ihren nimmersatten Schlund hinter zwei sinnlich geschwungenen Lippen, die so zu lächeln verstanden, dass es die 17 Männer, die sie für ihr Spiel auserkoren hatte, um ihren Verstand brachte. Keiner war auch nur im Ansatz fähig, hinter ihre Fassade zu blicken, das Finstere zu erspähen.
Selbst die Kälte, die unablässig aus ihren Poren triefte wie feuchte Nebelperlen, jene Erkennungszeichen des Bösen, priesen die Männer als willkommene Linderung ihres brennenden Verlangens, das aufflammte, sobald ihnen Yuliya eine Berührung schenkte. Sie ahnten ja nicht, dass jener listig gezimmerte Leib, den sie so sehr begehrten, einzig zu diesem gräulichen Raureif fähig war, nicht aber zur Wärme.
Nur ihr Todeskuss offenbarte den Empfängern den wahren Abgrund. 14 Männer hatte Yuliya bereits auf diese Weise vernichtet.
In den meisten aber fand sie nicht allzu viel Nahrhaftes. Bloss Fast Food. Die Seelen jener Herren waren dünn und spröde, ihr Inneres schon verödet, bevor Yuliya ihre gierigen Lippen auf die ihrigen drückte und sie als blutleere Hüllen zurückliess.
Einzig Heinz sättigte sie eine gute Woche lang mit seiner Gutmütigkeit. Sein Bünzlitum war so reich an Proteinen, seine Grosszügigkeit die reinste Vitaminbombe, sodass es für einen kurzen Moment lang so schien, als könnte etwas von seinem gerechten Wesen dauerhaft auf Yuliyas teuflisches abfärben, es gesund und lieb päppeln und dieser endlosen Leere, die in ihr drin herrschte, ein Herz beifügen. Doch wer genau an dieser Brust horcht, der wird auch jetzt nichts weiter vernehmen als den eigenen Herzschlag, der in jener yuliyanischen Hohlheit einsam widerhallt.
Yuliya wird immer sein, was sie ist. Eben deshalb treibt sie dieses Spiel. Sie will herausfinden, welcher der übrig gebliebenen Männer sie am nachhaltigsten zu nähren vermag. Welcher die reinste Seele, die meiste Liebe in sich trägt. Denn die ständige Jagd nach saugwürdigem Material ist ihr über die Jahre hinweg leid geworden. Sie sehnt sich nach einer einzigen, ewig sprudelnden Quelle, an der sie sich laben kann in Ewigkeit.
Doch wer dieser drei Jungs mochte das sein?
Yuliya selbst kann es nicht wissen. Wer aus Unverdaulichem gezeugt und in den Eingeweiden der Erde geboren wurde, der kennt nichts ausser der Dunkelheit. Sie braucht also Hilfe von einem kundigen Wesen, einem, das sein Leben an der Erdoberfläche zugebracht hat. Und wer eignet sich da besser als die Schlange? Die jahrhundertealte Helferin aller Hexenmeisterinnen und Evas dieser Welt? Die lügnerisch Flüsternde, die verführerisch Züngelnde?
Sie schlängelt sich wie ein feuchtkalter Schal um die Nacken der Finalisten, erspürt Peters geheimnisvolle Aura und fühlt in Giuliano die Elemente Luft und Wasser walten, während sie an Yuris Seelenwand ein paar Schatten entdeckt, die allerdings vom dort ebenso herrschenden Licht dahin geworfen werden. Der Rest des Bündners besteht aus enormer Begeisterungsfähigkeit und purer Lebensfreude.
Früher als gedacht lässt Yuliyas Kraft nach, die Sache mit der orakelnden Schlange hat sie allzu sehr erschöpft, für ihr Endspiel braucht sie bereits jetzt einen Energielieferanten.
Und sie entscheidet sich für Giuliano, für sein tiefes, klares Wasser, das sie zu erquicken vermag für die kommenden Stunden.
Übrig bleiben Yuri und Peter, die sie für das spektakuläre Ende auf die Entscheidungsyacht hinaus zitiert.
Da schaukelt die schöne Yuliya friedlich im Gleichtakt mit den Wellen und in ihr drin schwappt Giulianos Wasser gleich mit, im weissen Kleid steht sie da, eine Rose in der Hand, bereit, sie dem Beseeltesten zu geben, ihn für immer mitzunehmen in ihr dunkles Reich unter der Erde.
Und während Yuliyas Lippen von Verliebtheit und Liebe reden, vom Traum ihres Lebens und niemals endender Zweisamkeit, hoffen ihre beiden Zuhörer bangen Herzens und jeder für sich, sie meine einzig ihn. Und doch wird gleich einer enttäuscht, ja gar «unfassbar verletzt» sein. Wir wollen gütig sein mit Peter – er weiss es nicht besser.
Er weiss nicht, dass der auserwählte Yuri bald der wahrhaft Verletzte sein wird. Der Angezapfte und Ausgezehrte, der, an dem Yuliya so lange saugen wird, bis seine ganze Lebensfreude, seine Liebe und Herzenskraft in ihrem nimmersatten Schlund verschwunden sind.
Wie lange es wohl dauern wird, bis YuYu abermals zu Yu wird?
Aber was hast du dazu geraucht?