Mein Umfeld machte mich auf ChatGPT aufmerksam, als ich mich über den Zeitdruck wegen der Semesterprüfungen beklagte. Ich arbeitete zu dieser Zeit viel und hatte fast keine Zeit zum Lernen.
Seit der Pandemie schreiben wir viele Prüfungen zwar vor Ort, aber am Laptop und Open Book. Heisst, Hilfsmittel wie Zusammenfassungen und das Internet dürfen benutzt werden.
Darum entschied ich mich, den Stoff so weit zu lernen, dass ich ihn verstehe, aber nicht auswendig kenne. Gar nichts zu machen, kam nicht infrage. Sonst hätte ich nicht abschätzen können, ob die Antworten vom Chat stimmen.
Das einzige Risiko war schlussendlich, dass sie die Seite im Netzwerk sperren. Das ist zum Glück nicht passiert. In meinem Fall wäre das aber auch nicht schlimm gewesen. Als Vorbereitung löste ich bereits die Prüfung aus dem Vorjahr mit der künstlichen Intelligenz. Diese wurde uns zum Lernen bereitgestellt.
Weil sicher 80 Prozent der Fragen identisch zur diesjährigen Prüfung waren und ich die alte auf meinem Laptop gespeichert hatte, konnte ich fast alle Antworten kopieren. Den Rest löste ich mit ChatGPT vor Ort. Nach 20 Minuten war ich fertig und mir blieb noch mehr als eine Stunde.
Diese Zeit nutzte ich, um die Fragen nochmals zu überprüfen und zu ergänzen. Zudem muss man alle deutschen Doppel-s ersetzen. Falls ihr eure nächste Prüfung auch so schreiben wollt, vergesst das nicht. Sonst fallt ihr auf.
Angst, erwischt zu werden, hatte ich aber keine. Du siehst, wo die Aufsicht im Raum ist. Wenn sie bei dir steht, öffnest du den Chat nicht in diesem Moment. Grundsätzlich habe ich mich meiner Meinung nach an die Regeln gehalten. Wir durften Google benutzen. Ich war einfach so schlau, nach ChatGPT zu googeln.
Es betrügen sowieso viele Studierende. Sie spicken an Prüfungen oder lassen sich ihre Arbeiten von Ghostwritern schreiben. Das sind Dinge, die ich mein ganzes Studium lang nie gemacht habe. Und eben: Ich habe nicht gegen die Regeln verstossen.
Darum habe ich auch kein schlechtes Gewissen. Wenn eine Uni mehrmals eine fast identische Prüfung durchführt, diese auch noch an ihre Studierenden abgibt und nicht hinterfragt, ob der Modus noch zeitgemäss ist, fühle ich mich nicht schlecht, gewisse Mittel zu meinem Vorteil zu nutzen. Man geht doch mit der Zeit, nicht?
Das sollten auch die Hochschulen. Das heutige Prüfungssystem ist ein Witz, es ist völlig veraltet. Fakt ist, diese künstliche Intelligenz existiert und wird immer mehr in unsere Arbeitswelt integriert. Ich kenne Firmen, die arbeiten bereits damit.
Warum also lernen wir an einer Universität nicht, wie man damit umgeht? Dieser Chat liefert innert kürzester Zeit enorm viele Informationen. Da sollten wir doch lernen, diese einordnen und prüfen zu können.
Übrigens bin ich nicht die Einzige. Wer aus meinem Umfeld die Möglichkeit hatte, schrieb seine Prüfung mit ChatGPT. Die Ergebnisse waren herausragend. Ein Freund von mir erreichte zweimal die Note 6. Bei mir war es übrigens eine 5,5.
Das gilt auch für Arbeiten. Ich kenne Leute, die haben bis zu 40-seitige Semesterarbeiten damit geschrieben. Ich selbst nutze den Chat dort jeweils für kreative Inputs, für Ergänzungen und die Recherche. Aber auch dort: Am Schluss muss ich die Quellen selbst überprüfen. Darum finde ich auch nicht, dass ich durch den Einsatz von künstlicher Intelligenz meinen Abschluss weniger verdient habe als andere.
Lange werden wir unsere Prüfungen ohnehin nicht so schreiben können. Der Dozent eines Bekannten meinte, aktuell würde die Universität Softwares beschaffen, um ChatGPT zu sperren. Falls dies nicht bis zu den nächsten Prüfungen gelingt, würden sie auf die Ehrlichkeit der Studierenden vertrauen.
Aufgezeichnet von: Sina Alpiger
Was denkst du, wird deine Ausbildung in der Arbeitswelt wert sein? Alle die schreiben und lesen können, können einen Bot bedienen, die richtigen Schlüsse ziehen evt nicht.
Das hier ist einfach eine Ausrede für die eigene Faulheit.