Wäre dieser Vorstoss ein Mensch, dann würde er diesen Sommer eingeschult werden. Dieser Vergleich zeigt eindrücklich auf, was die 6½ Jahre bedeuten, die der GLP-Vorstoss für die Einführung der «Ehe für alle» mittlerweile auf dem Buckel hat. Am Mittwoch kommt diese Forderung erstmals in den Nationalrat, auf die die lesbisch-schwule Community seit langem wartet.
Was ist seither passiert? Warum dauerte es so lange, bis es erstmals zu einer inhaltlichen Diskussion über die Forderung kommt?
Die Antworten dazu finden sich in der Entstehungsgeschichte des Vorstosses. Die GLP-Fraktion wollte Mitte November 2013 die «Ehe für alle» als Gegenvorschlag zur CVP-Initiative lancieren, die mit der Abschaffung der Heiratsstrafe auch die Ehe als «die auf Dauer angelegte und gesetzlich geregelte Lebensgemeinschaft von Mann und Frau» beschränken wollte.
Der Gegenvorschlag sollte eine Verfassungsänderung sein, mit der eine «Ehe für alle» ermöglicht werden kann. Doch dazu kam es nicht: Der Vorstoss steckte in den Mühlen der Kommissionen fest. Während die CVP-Initiative im Sommer 2015 im Parlament bereits zu Ende diskutiert wurde, kam das grüne Licht aus den Kommissionen von National- und Ständerat erst im Herbst – wenige Wochen vor den Nationalratswahlen.
Im Frühling 2016 lehnte das Volk die CVP-Initiative hauchdünn ab. Kann das knappe Nein von 50,8 Prozent der Stimmbevölkerung als Signal angesehen werden, dass man die Ehe nicht für heterosexuelle Paare beschränken will? Die Nachbefragung zeigt später, dass die strikte Ehe-Definition tatsächlich der Grund für des Volkes Nein war.
Mit dem «Ja» aus beiden Kommissionen hätte die Arbeit der Parlamentarier anfangen können. Laut Gesetz hätten sie zwei Jahre Zeit gehabt, den Vorstoss konkretisieren zu können. Im Sommer 2017 entschied sich der Nationalrat, die Frist dafür bis 2019 zu verlängern.
Grund für das Zögern war eine hoch-politische Frage, die sich die Politikerinnen und Politiker damals stellten: Braucht es wirklich eine Verfassungsänderung, um die «Ehe» auch für homosexuelle Paare zu öffnen?
Ein brisantes Papier aus dem Bundesamt für Justiz führte im August 2016 aus, dass die «Ehe für alle» auch ohne Zustimmung des Volkes eingeführt werden kann, weil das Parlament konkretisieren dürfe, für wen das verfassungsgemässe Grundrecht auf Ehe gelte und für wen nicht.
Mit dem juristischen Segen im Rücken fing die Kommission im Juli 2018 an, eine Gesetzesänderung auszuarbeiten. Diese wurde 2019 in die Vernehmlassung geschickt: Neben der Öffnung der Ehe für sämtliche volljährige und urteilsfähige Paare, wurde auch die Legalisierung der Samenspende vorgeschlagen. Letztere fiel im Sommer 2019 aus der Vorlage heraus – zu gross war die Angst, das Projekt «Ehe für alle» könne an dieser umstrittenen Frage der Fortpflanzungsmedizin scheitern.
Das Geschäft wurde 2020 «behandlungsreif», nachdem auch der Bundesrat seine Zustimmung gab. Im gleichen Jahr konnte die LGBT-Community das Volks-Ja zum «Anti-Diskriminierungs-Gesetz» feiern.
Zahlreiche europäische Länder haben in den letzten Jahren die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare geöffnet:
In einigen Ländern erfolgte die Einführung der gleichgeschlechtlichen Ehe per Gerichtsentscheid. Darunter in Brasilien (2013), den USA (2015) und Österreich (seit 2019).
Die Frage entscheidet sich im Parlament. Die Vernehmlassung zum Gesetzesentwurf der Kommission verriet jedoch einige Stellungnahmen von Parteien und Kantonen.
Parteien: BDP, CVP, FDP, GLP, Grüne und SP haben sich in der Vernehmlassung für die Kernvorlage ausgesprochen. EDU, EVP und SVP sprachen sich dagegen aus.
Kantone: 24 haben eine Stellungnahme eingereicht. Vier Kantone lehnen den Kern der Vorlage ab: Appenzell-Innerrhoden, Nidwalden, Obwalden und Schwyz. Bei den Kritikern gab es juristische, aber auch inhaltliche Bedenken. «Die bestehende Regelung mit den eingetragenen Partnerschaften bietet schon heute weitreichende Möglichkeiten für die gegenseitige Übernahme von Rechten und Pflichten in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften», heisst es etwa aus Appenzell.
Am Mittwoch, 3. Juni, kommt das Geschäft in den Nationalrat. Die Debatte wird sich vor allem um folgende zwei Punkte drehen:
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