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Lukas
Bärfuss ist zufrieden mit sich. Das macht der Schriftsteller schon
ziemlich am Anfang von «Schawinski» klar: «Es gibt Sachen, die ich
noch deutlicher hätte schreiben können, aber ich freue mich immer
noch über diesen Text», sagt er über seinen Essay «Die Schweiz
ist des Wahnsinns», in dem er sich am 15. Oktober mit so vielen
Menschen gleichzeitig anlegte, wie man es auf rund 12'000 Zeichen kaum für
möglich gehalten hätte.
Die Reaktionen, die er damit auslöste, waren gewaltig. Schriftsteller-Kollege Pedro Lenz zeigte ihm den Mahnfinger: «Ich warne dich vor der Rache derer, die du herausforderst», schrieb er. Der designierte NZZ-Feuilletonchef René Scheu, den Bärfuss unqualifiziert nannte und dem er seine frühere Tätigkeit beim ehemals faschistischen «Schweizer Monat» um die Ohren haute, reagierte beleidigt: «Ich bin mein eigener journalistischer Zögling», antwortete er. Man warf Bärfuss «blinden Furor» vor, nannte ihn «literarischen Grobmotoriker» und zählte genüsslich seine Rechtschreibfehler.
Bei Schawinski sagt Bärfuss dazu trocken: «Naja, ich hätte mir die letzten zwei Wochen anders vorstellen können.»
Gegen seine letzten paar Tage war «Schawinski» ein Spaziergang. Denn hier sass ihm der Einzige gegenüber, den er nicht beleidigt hatte: Roger Schawinski. Für ihn sprang er in seinem Essay sogar explizit in die Bresche: «Im Schweizer Fernsehen muss sich ein Moderator zur besten
Zeit Sendezeit auf eine Weise antisemitisch beschimpfen lassen, die
in keinem anderen Land möglich wäre», hat er geschrieben. Und
damit Schawinski gemeint, den Andreas Thiel vor nicht allzu langer Zeit in derselben Sendung «Papierli-Jude» nannte.
Das spricht Schawinski nicht an. Und bleibt auch sonst einigermassen zahm, Bärfuss aber auch sehr trittsicher. Sein faktischer Fehler im Essay, dass die Schweiz seit 1990 das niedrigste Wirtschaftswachstum aller OECD-Länder habe, lässt er grossmütig gelten: «Wenn ich als Journalist so etwas behaupten würde, würde man mich ohrfeigen!» sagt Schawinski. Bärfuss konstatiert: «Mir hat man auch ein paar Ohrfeigen verteilt. Das ist nicht exklusiv für Journalisten.» Man habe Gelegenheit gehabt, ihn zu kritisieren.
Ja, Bärfuss
liess sich ohrfeigen. Denn seine Empörung ist wahrhaftig, sein Anliegen dringlich. Kritische Fragen von Schawinski sind nichts dagegen. Bärfuss ist empört, richtig empört; über die Aushöhlung des Wortes ‹direkte Demokratie›, über Volksinitiativen die zu Propagandamitteln und Zeitungen, die zu Parteiblättern verkommen. Vor allem aber empört ihn die «rechtsextreme» SVP.
Es ist der vielleicht einzige Moment, wo sich Schawinksi – der wiederholt wie hervorragend er Bärfuss' Roman «Hundert Tage» fand – und der Schriftsteller nicht einig sind: «Das ist selten, dass ich die SVP verteidigen muss. Ist sonst nicht ganz meine Partei, aber ‹rechtsextrem›?», sagt Schawinski. Und Bärfuss bleibt dabei: «Wir erleben die Radikalisierung einer Partei, die nicht aufhören wird, sich zu radikalisieren, weil sie damit Erfolg hat.»
Und in fast heiligem Zorn hebt Bärfuss zum Schlusspurt an: «Das habe ich alles nicht erfunden. Ich
habe nur ein paar Zusammenhänge gemacht», sagt er. «Ich bin auch Schweizer». Und: «Ich werde mir immer das Recht nehmen,
etwas zu sagen, wenn ich nicht einverstanden bin.» Die Schweiz brauche eine kritische Öffentlichkeit.
Gegen Sendeschluss ist Bärfuss kaum zu bremsen. «Du sagst ‹darf ich ausreden› fast so oft wie Christoph Blocher», sagt Schawinski lachend. Und es scheint, als würde er Bärfuss ein bisschen zustimmen wollen. (rar)