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Angst vor der 200-Franken-Initiative? SRF schiesst den Genderstern ab

Aus Angst vor der 200-Franken-Initiative? Das SRF schiesst den Genderstern ab

Beim Schweizer Radio und Fernsehen sind die publizistischen Leitlinien geändert worden: Der Genderstern wird nirgendwo mehr angewandt. Mitarbeiter vermuten einen Zusammenhang mit der Kampagne der SVP für eine tiefere SRG-Gebühr.
22.08.2023, 06:49
Francesco Benini / ch media
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In den publizistischen Leitlinien von Schweizer Radio und Fernsehen trägt ein Abschnitt die Überschrift: «Genderneutral und diskriminierungsfrei berichten.» SRF erliess die Regeln Mitte 2021. Seither sind sie leicht angepasst und gestrafft worden. In der aktuellen Version findet man zum Beispiel folgenden Satz nicht mehr: «Auf den sozialen Plattformen kann man auch den Genderstern einsetzen, wenn es den Erwartungen der Zielgruppe entspricht.»

Das SRF und der Himmel voller (Gender-)Sterne
Das SRF setzt nicht mehr auf den Genderstern.Bild: shutterstock/watson

Der Genderstern ist bei SRF generell nicht mehr erwünscht. Zu dieser Regelung passt, was Mitglieder einer Redaktion berichten: Intern sei dazu aufgerufen worden, man solle beim Gendern zurückhaltend sein. Unter anderem habe das ein Vorgesetzter so begründet: SRF wolle den Unterstützerinnen und Unterstützern der 200-Franken-Initiative keine Angriffsfläche bieten.

SRF überprüft die Genderregeln erneut

Roger Muntwyler, Mediensprecher von SRF, erklärt auf Anfrage: «Der erwähnte Aufruf zur Zurückhaltung beim Thema ‹Gendern› ist uns nicht bekannt.» Das Schweizer Fernsehen passe die publizistischen Leitlinien derzeit an. Das sei ein laufender Prozess, der sich nicht nur auf die Genderrichtlinie beziehe. «Ein Entscheid liegt nicht vor.»

Das Schweizer Fernsehen prüft also eine neue Änderung der Gender-regeln. Das Unternehmen erliess früher als andere Medienhäuser eine Richtlinie für den genderneutralen Gebrauch der Sprache. Darum meinten einige Politiker und Konsumentinnen, dass der öffentliche Rundfunk rigoros ans Werk gehe. Das stimmt aber nicht.

Die Regelungen sind ähnlich wie bei anderen Medien: Statt «Bürger» sollen die Journalistinnen und Journalisten «Bürgerinnen und Bürger» schreiben. Das sogenannte generische Maskulinum ist nicht verboten, steht aber tief im Kurs. Bei Aufzählungen empfiehlt SRF seinen Angestellten einen Wechsel des Genus: Köche, Gärtnerinnen und Bauern. Der Sender rät auch zu geschlechtsneutralen substantivierten Partizipien wie Studierende, Demonstrierende, Teilnehmende - auch wenn sie nicht schön klingen.

Auf seiner eigenen Website verwendet SRF weder Genderstern noch Genderdoppelpunkt. Und am Radio wird keine Genderpause gesprochen. Anders ist es hingegen auf digitalen Kanälen wie Instagram. «Neue Studie zeigt: Schweizer:innen haben im Schnitt vier enge Freundschaften», überschreibt das Schweizer Fernsehen da eine Meldung. Wo SRF ein eher junges Publikum ansprechen will, wird stärker gegendert als anderswo.

Zum eher vorsichtigen Umgang mit dem Thema trägt bei: Die Redaktionsleiter am Leutschenbach haben zwei Umfragen zur Kenntnis genommen, die in den vergangenen Monaten publiziert worden sind.

Das Institut LeeWas zeigte Ende Mai im «Tages-Anzeiger»: Die Mehrheit der Schweizer Bevölkerung legt beim Formulieren von Texten keinen Wert auf eine gendergerechte Sprache. 75 Prozent gaben an, dass sie keine entsprechende Anstrengungen unternähmen - unter Männern waren es 82, unter Frauen 65 Prozent. An der Erhebung fiel auch auf, dass in den jüngeren Altersgruppen die Sympathie für die gendergerechte Sprache nur leicht grösser ist als bei älteren Menschen. Der «Tages-Anzeiger» stellte besorgt fest, dass das Schweizervolk «wenig sprachsensibel» sei.

Der Genderdoppelpunkt regt viele Leute auf

Im Juli erschien dann das Wahlbarometer der SRG. Das Institut Sotomo fragte nicht nur nach Parteipräferenzen; es wollte auch wissen, was die Schweizerinnen und Schweizer ärgere. Die Antwort, die sie am drittmeisten nannten, lautete: «Genderdebatte und Wokeness».

Man ist also nicht nur zurückhaltend beim Einsatz gendergerechter Sprache - man regt sich auf, wenn man ihr begegnet. Den Genderstern und den Genderdoppelpunkt halten viele für unnötig und irritierend. Die SVP hat das gemerkt und macht ihren Einsatz gegen Gendern und Wokeness zum Thema vor den Wahlen im kommenden Oktober. Die Partei inszeniert einen neuen Kulturkampf.

SRF-Sprecher Roger Muntwyler betont: SRF nehme gesellschaftliche Entwicklungen, welche die Sprache veränderten, bewusst zurückhaltend auf und pflege einen zeitgemässen Umgang mit der Sprache. (aargauerzeitung.ch)

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377 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Wolf von Sparta
22.08.2023 07:00registriert Februar 2019
Grundsätzlich verstehe ich die Finanzierung über die SERAFE schon aber nicht, wenn ich mir einen SRF (oder auch andere) Sender einstelle und von 2 Stunden etwa 1 Stunde Werbung gesendet wird. Sorry aber in meinen Augen macht das einfach keinen Sinn und belästigt mich nur. Da ist man doch dann zusätzlich nicht mehr motiviert auch noch eine Gebühr von CHF 365 pro Jahr zu begleichen.
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Heinz666
22.08.2023 07:17registriert Dezember 2020
Ich werde gegen die Halbierung stimmen, gehe aber leider davon aus, dass die durchkommt wie ein heisses Messer durch Butter. Das liegt nicht am gendern, sondern dass gefühlt alles teurer wurde bei sinkendem Reallohn.
Wenn die Politik versagt bei der KK, Mieten, Energiekosten etc. zeigt sich der Frust auf diese Art.
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Bruno Wüthrich
22.08.2023 09:15registriert August 2014
Es war immer nur eine Minderheit, die gendern wollte. Ein Grossteil der Medienschaffenden gehörte wohl zu diesen Minderheit (oder schätzte die Verhältnisse falsch ein), weshalb sie auf den Zug aufsprangen. Insgesamt ist jedoch der Nutzen zu klein und der Sprache zudem nicht förderlich. Letztendlich viel Lärm um (fast) nichts.

Das sehen inzwischen auch die meisten Rückversicherungsgesellschaftsaktieninhaberinnen und Rückversicherungsgesellschaftsaktieninhaber so.
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