Es war die erste und radikalste Volksinitiative gegen die Billag: Die Eidgenössische Volksinitiative «Radio und Fernsehen – ohne Billag» wollte nicht nur die Rundfunkgebühren abschaffen, sondern gleich die ganze Schweizerische Radio und Fernsehgesellschaft (SRG) auflösen und das verbleibende Vermögen zweckgebunden an die Filmförderung des Bundes überweisen. Gestern ist die Sammelfrist für die Initiative abgelaufen.
Initiant This Bürge vom Verein Solidarische Schweiz hat dies schon im April kommen sehen: «Wir werden das Sammelziel nicht erreichen», sagte er gegenüber der «Neuen Luzerner Zeitung». Nur etwas mehr als 10’000 Unterschriften seien zusammen gekommen.
Dass die politischen Amateure um This Bürge gescheitert sind, heisst aber nicht, dass die Angriffe auf die SRG aufhören werden. Die politische Rechte um Christoph Blocher und einige andere SVP-Exponenten haben begriffen, dass die SRG im parlamentarischen Betrieb nicht nach Wunsch geschwächt werden kann. Deshalb haben sich die nationalkonservativen Kräfte entschieden, über verschiedene ausserparlamentarische Bewegungen die Festung SRG zu schleifen. Dabei haben sie einen mächtigen Verbündeten ausserhalb der Politik.
Bis im Dezember hat das Komitee der «No Billag»-Initiative noch Zeit, rund 40’000 fehlende Unterschriften zusammenzukriegen. «Wir sind sehr zuversichtlich», sagt Olivier Kessler, Ko-Präsident des Vereins. Das Unterschriftensammeln gehe «sehr ring von der Hand»: «Die Menschen haben genug von der Billag», sagt er.
Die Initiative der Jungfreisinnigen und der JSVP, unterstützt von den SVP-Nationalräten Lukas Reimann und Sebastian Frehner, will die Radio- und TV-Gebühren abschaffen und dem Bund nur noch die Kompetenz überlassen, regelmässig die Konzessionen für Radio und Fernsehen zu versteigern und in Krisensituationen zu informieren. Der gesetzliche Leistungsauftrag der SRG, Artikel 93 der Bundesverfassung, der dem öffentlich-rechtlichen Fernsehen den Auftrag gibt zur Bildung und kulturellen Entfaltung, zur freien Meinungsbildung und zur Unterhaltung beizutragen, würde bei Annahme der Initiative wegfallen, die SRG müsste sich in Zukunft selbst finanzieren.
Erst so könne sie unabhängig berichten, sagt Ko-Präsident Kessler. Die selbsternannte Bürgerbewegung ist nämlich der Meinung, dass die staatsfinanzierte SRG nicht unabhängig über den Staat berichten kann. «Die Hand, die einen füttert, beisst man nicht», sagt Kesssler. «Die Medien und mit ihr die SRG sollten als vierte Gewalt aber der Exekutive, der Legislative und der Verwaltung auf die Finger schauen. Das tut die SRG heute viel zu wenig.»
Kessler ist designierter Nachfolger des langjährigen SVP-Nationalrats Ulrich Schlüer als Chefredaktor des originalen SVP-Parteizeitung «Schweizerzeit» und SVP-Mitglied.
Am 14. Juni stimmt die Schweiz über ein neues Finanzierungsmodell für die Radio- und TV-Gebühr ab. Mit der RTVG-Revision würden zukünftig alle Haushalte und grösseren Firmen Rundfunkgebühren zahlen, im Gegenzug würde die Gebühr leicht sinken. Am Auftrag der SRG ändert sich nichts. Die grosse Mehrheit der Betriebe würde auf dem Papier weniger Gebühren zahlen als heute. De facto werden aber mehr Betriebe mehr zahlen müssen als heute, die heute gar nicht zahlen. Derzeit kann das Gebühren-Inkasso bei den KMU nicht gewährleistet werden.
Der Gewerbeverband hat das Referendum ergriffen und weibelt auch deshalb gegen die Gesetzesänderung, die die KMU entlasten würde. An vorderster Front steht der Direktor des Schweizerischen Gewerbeverbandes: Hans-Ulrich Bigler. Er bezeichnete das neue Gesetz gegenüber der «Basler Zeitung» als «fiese Steuerfalle, die für alle zu Mehrkosten führen wird». Er ist der Meinung, dass Unternehmen Opfer einer Doppelbesteuerung werden, wenn sie die Steuer als juristische und als natürliche Personen zu entrichten hätten. Radio hören und fernsehen könnten nur natürliche Personen, meint er.
Der Schweizerische Gewerbeverband hat das Referendum gegen die RTVG-Revision ergriffen und ist auf Erfolgskurs. Gemäss dem ersten Abstimmungsbarometer liegen Befürworter und Gegner der Revision etwa gleich auf.
Die rechtsbürgerliche Anti-SRG-Kampftruppe «Aktion Medienfreiheit» hat im Zuge der RTVG-Abstimmung unverhofften Auftrieb erhalten. Sie ist der Meinung, dass die SRG Unterhaltungssendungen den Privaten überlassen sollte. «Wenn private Sender künftig digital über DAB+ vermehrt nationale Programme ausstrahlen können, braucht es SRF 3 als Unterhaltungssender nicht zwingend», sagte der Berner FDP-Nationalrat Christian Wasserfallen letzte Woche gegenüber dem «Bote der Urschweiz».
In einem Fünf-Punkte-Plan solle die SRG abspecken, forderte er in der «Schweiz am Sonntag». Die SRG solle sich mehr auf die kleinen Sprachregionen und weniger auf die Deutschschweiz konzentrieren sowie eine Audio- und Videothek im Internet bereit stellen, die nicht von redaktionellen Inhalten begleitet wird.
Hinter der «Aktion Medienfreiheit» steht als treibende Kraft der frühere SVP-Generalsekretär und heutige Nationalrat Gregor Rutz. Früher war der FDP-Rechtsausleger und ehemalige Verleger von Christoph Blochers «Basler Zeitung» Filippo Leutenegger prominenter Sprecher der Aktion Medienfreiheit. Derzeitige Präsidentin der Aktion Medienfreiheit: Siehe Punkt 4.
Zu den bekanntesten Feinden der SRG gehört Natalie Rickli. Sie ist zwar die Präsidentin der «Aktion Medienfreiheit», hat aber einen eigenen Eintrag verdient. Auch sie ist gegen das neue RTVG. «Mit der RTVG-Revision wird die Stellung der SRG zementiert und einige private Sender werden noch abhängiger vom Staat», sagte sie jüngst gegenüber dem «Blick». Sie wollte die Rundfunkgebühren auf parlamentarischem Weg auf 200 Franken senken lassen.
Die SVP-Nationalrätin ist auch Mitarbeiterin der Werbevermarkterin Goldbach Group. Diese vermarktet die Schweizer Werbefenster der ausländischen TV-Sender und von der Privatsenderkette 3+. Die Goldbach Media Group würde von jeder Schwächung der SRG-Programm-Abdeckung und der Stärkung privater Anbieter profitieren.
Die Schweizer Verleger mit ihren Zeitungen, Radio- und TV-Stationen und Internetangeboten sehen sich im freien Werbemarkt einer erdrückenden Konkurrenz durch neue Global Players wie Google, Facebook und Twitter konfrontiert, die Werbung günstiger und mit weniger Streuverlusten ans Publikum bringen. Statt sich neue Strategien zu überlegen, fokussiert der Verband Schweizer Presse auf die Zurückbindung der SRG-Angebote, insbesondere was deren Präsenz im Internet mit Online-News und -werbung anbelangt.
Verlegerverbandspräsident Hanspeter Lebrument und Pietro Supino, Verwaltungsratspräsident von Tamedia, dem grössten Schweizer Verlagshaus, üben regelmässig Kritik am Vorhaben der SRG, sich im digitalen Markt zu etablieren und dort allenfalls Geld zu verdienen. Zuletzt hatten sich die Verleger und die SRG um Zeichenwerte gestritten, die Newsartikel auf SRG-Newsportalen höchstens aufweisen dürfen. Der Bundesrat verbot der SRG aber vorerst, ihre Newsangebote im Internet zu bewerben.