So richtig habe er das Handy in den Ferien nicht weglegen können, erzählte Moderator Sandro Brotz zu Beginn der «Arena» am Freitagabend. Zu vieles habe sich auf der weltpolitischen Bühne abgespielt.
In der ersten Sendung nach der Sommerpause warteten Brotz und sein Team denn auch mit einer Auslegeordnung der dringlichsten Themen auf: Zollhammer, Ukraine, Gaza. Und die Frage: Wie soll sich die Schweiz zu alledem positionieren?
Diesen kühnen Versuch wagte Moderator Sandro Brotz mit den nationalen Parteichefs und -chefinnen im Studio 8 in Leutschenbach:
Zunächst hiess Brotz das neueste Mitglied in der präsidialen Runde willkommen. Und fragte Philipp Matthias Bregy, wie gross der «Spassfaktor» in seinem Amt bisher sei. Bregy, seit Ende Juni Präsident der Mitte-Partei, erklärte, dass er sich den Start durchaus ruhiger vorgestellt hatte. Und ergänzte, mit einem Schmunzeln:
Diese Formulierung war nicht zufällig gewählt. Denn kurz vor dem 1. August hatte Donald Trumps Zollhammer – oder wie Brotz es formulierte: der «39-Prozent-Zollböller» – die Schweiz getroffen. Die Verhandlungen der Schweiz mit den USA in dieser Sache könnten noch bis im Herbst dauern.
Was der Bundesrat denn nun tun müsse, wollte Brotz von seinen Gästen wissen. Verhandeln, hiess es von bürgerlicher Seite einstimmig. Jedoch mit Grenzen, schränkte Bregy ein:
Sollte in absehbarer Zeit kein Deal zustande kommen, müsse die Schweiz jedoch mit Gegenmassnahmen reagieren.
Der scheidende FDP-Präsident Thierry Burkart mahnte: «Keine Panik». Wichtig für einen Deal mit Trump sei nun, sich in dessen Lage hineinzuversetzen: Der US-Präsident habe ein enormes Budgetdefizit zu decken und sein Wahlversprechen der Re-Industrialisierung umzusetzen. Mit diesem Wissen sollte der Bundesrat in die Verhandlung treten.
Parallel dazu sollte die Schweiz das «Klumpenrisiko» verringern und den Freihandel mit anderen Ländern – Indien, den Mercosur-Staaten oder Japan und China – vorantreiben und sich wirtschaftlich unabhängiger von den USA machen, so Burkart.
Die Frage, ob bessere Verhandlungskünste der FDP-Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter den hohen Zolltarif von 39 Prozent auf Importgüter aus der Schweiz hätten abwenden können, verneinte Burkart vehement:
Für SVP-Präsident Marcel Dettling war klar: Der überraschend hohe Zoll für die Schweiz habe gezeigt, dass diplomatische Verhandlungen mit den USA nur dann fruchten würden, wenn es einen «direkten Draht» zu Trump gebe. Das Ziel müsse also lauten: «Wir müssen bis zu ihm vordringen.»
Dettling hielt es hingegen für ungeschickt, dass die Schweiz so transparent über Verhandlungsschritte und Möglichkeiten informiere. Oder auch, dass Parteichefs und -chefinnen in der «Arena» öffentlich darüber diskutierten. Damit werde die Position der Schweiz geschwächt.
SP-Co-Präsidentin Mattea Meyer stellte sich als einzige in der Runde gegen die bisherige Verhandlungsstrategie. Die Schweiz – beziehungsweise Bundesrätin Karin Keller-Sutter – habe sich zu sehr bei den USA angebiedert. Dies würde sich nun rächen. Und die Schweiz habe dabei auch die europäischen Partner vor den Kopf gestossen.
Als Gegenmassnahme brachte Meyer ein weiteres Schlagwort in die Diskussion ein: den F-35. Die Schweiz solle die Bestellung der US-amerikanischen Kampfjets abbrechen, die Notbremse ziehen. Burkart pflichtete Meyer zwar bei, dass es sich bei der Beschaffung der Flieger um einen «absoluten Nightmare» handle. Das Programm abzubrechen, würde allerdings wirkungslos bleiben: «Das würde die USA nicht stören.»
Wieso sowohl die bisherigen Zollverhandlungen als auch der Kauf der F-35-Kampfjets im Debakel geendet hätten, sei ein und demselben Missverständnis geschuldet, war SP-Co-Präsidentin Meyer überzeugt.
Und zwar der Vorstellung, dass sich die Schweiz in einer besseren Verhandlungsposition als die EU oder andere Staaten befände. Die «Quittung» für diese angebliche Falschwahrnehmung habe die Schweiz nun gleich doppelt erhalten.
Für die Schweiz würde dies bedeuten, sich stärker mit der EU zu verbünden, anstatt den Alleingang zu wählen.
Meyer machte dies bildlich: Wenn ein «Ekelkind» auf dem Pausenplatz andere Kinder drangsalieren würde, würde man auch nicht über dessen Witze lachen, sondern sich mit den anderen Kindern zusammentun.
Mitte-Präsident Bregy stieg ebenfalls in die Suche nach der richtigen Metapher für das Verhalten der Schweiz ein. Diese müsse sich ihrer Aussenwirkung durchaus bewusst sein.
Alle wären zwar gern mit dem Kind zusammen, aber so richtig durchs Feuer ginge niemand für dieses.
55 Minuten Sendezeit waren bereits um, da lenkte Moderator Brotz die Diskussion auf die Kriege in der Ukraine und in Gaza.
Für Irritation in diesem letzten Drittel sorgte insbesondere ein Kommentar vonseiten des SVP-Exponenten Dettling, der seinen Unmut darüber kundtat, dass ukrainische Schutzsuchende in der Schweiz im wehrpflichtigen Alter nicht an der Front kämpfen würden.
Zum Schluss der Sendung schlug die Stimmung im Studio nochmals um. Nämlich in dem Moment, als Brotz das Bild einer ausgemergelten israelischen Geisel und Videoaufnahmen von hungernden Menschen in Gaza einblendete.
Betroffenheit in den Gesichtern der Parteispitzen und kurze Stille. «Das berührt jeden», sagte Dettling. Angesprochen darauf, ob sich der Bundesrat genügend gegen Völkerrechtsverletzungen in Gaza einsetze, erwiderte FDP-Präsident Burkart jedoch: «Ich sehe nicht, was er noch machen könnte.»
Meyer hingegen schon: Sanktionen, humanitäre Hilfe oder klarere Worte wünsche sie sich von der Schweizer Regierung.
Nach 120 Minuten Diskussion war sie dann vorbei, die präsidiale «Arena» mit dem Monster-Programm. Und in der neben den vier Parteispitzen vor allem einer omnipräsent war: Donald Trump, der Elefant im Raum. Und einmal mehr zeigte sich: Viel Platz daneben blieb nicht.