Es ist eine beliebte, weil erfolgversprechende Masche: Dank einem gefälschten EU-Pass in der Schweiz zu einer fünfjährigen Aufenthaltsbewilligung zu kommen. Vor zehn Jahren machte vor Bundesgericht ein Türke von sich reden, der einen gefälschten italienischen Pass eingesetzt hatte. Derzeit fallen laut Branchenkennern beispielsweise Albaner oder Nordmazedonier auf, die falschen Papiere kommen aus Ländern wie Bulgarien, Portugal, Ungarn.
Schätzungen gehen davon aus, dass in der Schweiz jährlich mehrere tausend Aufenthaltsbewilligungen auf diese Weise erschlichen werden. Mit Dokumenten, die entweder gefälscht sind oder die nicht zur Person gehören, die sie vorweist.
Oft sind es Clans, kriminelle Netzwerke, die auf diese Weise ihr kriminelles Personal in die Schweiz einschleusen. Möglich gemacht oder zumindest erleichtert wird dieser Betrug allerdings durch Schweizer Gemeinden, die sich übertölpeln lassen. Die sich aus Mangel an Geld oder an Interesse zu wenig gegen derartigen Missbrauch wappnen.
Bekannt ist das Problem seit Jahren schon. Seit Jahren etwa fordert der Stadtberner Polizeiinspektor und Fremdenpolizeichef Alexander Ott, dass Gemeinden und Städte technologisch und ausbildungsmässig aufrüsten, um Fälschungen erkennen zu können. Dazu brauche es etwa Passlesegeräte, wie die Stadt Bern sie seit nunmehr knapp zehn Jahren einsetzt. Nur sind die Gerätschaften manchen Gemeinden und sogar einigen Städten zu teuer.
Jetzt gibt es Hoffnung. Otts politischer Vorgesetzter, der Stadtberner Polizeidirektor Reto Nause (Mitte-Partei), ist seit kurzem auch Nationalrat. Und in dieser Funktion bereitet er einen Vorstoss vor mit dem Ziel, den «missbräuchlichen Aufenthalt in der Schweiz gezielt zu bekämpfen», wie er festhält. Gemeinden und Städte, so steht im Entwurf des Vorstosses, sollen bei der Prüfung von Reisepässen und anderen Dokumenten unterstützt werden.
Nauses Vorstoss enthält zwei Kernforderungen, für die er gleich auch die nötigen Gesetzesänderungen formuliert.
Erstens: Im Rahmen der Erstanmeldung sowie bei der Verlängerung müssen die zuständigen Behörden – das sind in der Regel Einwohnerdienste der Gemeinden – eine systematische Überprüfung der vorgelegten Ausweispapiere durchführen. Ob die Papiere echt sind, ob sie zur fraglichen Person gehören.
Zweitens: Um diese Überprüfung durchführen zu können, brauchen die zuständigen Behörden technische Infrastruktur wie Pass-Scanner. Laut Nause soll der Bundesrat per Verordnung «die technischen Anforderungen an entsprechende Geräte, deren Beschaffung und die Anforderungen an die Schulung des Personals» regeln.
«Die Finanzierung der Infrastruktur in den Gemeinden soll durch den Bund sichergestellt» werden, so Nause. Wichtig sei: «Schweizweit sollen die Kontrollen einheitlich durchgeführt werden. Der Missbrauch soll flächendeckend bekämpft werden.»
Städte etwa ab 100'000 Einwohnern verfügen heute in der Regel über diese Gerätschaften. In den kleinen Gemeinden spiele noch die soziale Kontrolle, man wisse, wer wo arbeite. Problematisch seien heute aber vor allem mittlere und kleine Städte oder Agglomerationsgemeinden, in denen derzeit oft beides fehle: Technik und soziale Kontrolle.
Laut Alexander Ott, Chef der Stadtberner Fremdenpolizei, deckt allein die Stadt Bern pro Jahr etwa 80 Fälle von falschen oder der Person nicht zustehenden Dokumenten auf. Ott betont aber: Technische Geräte allein reichten nicht, wichtig sei, dass das Personal gut geschult und weitergebildet werde.
Wie gross das Problem ist, zeigen auch Zahlen des Bundesamts für Zoll und Grenzsicherheit (BAZG). Demnach stellte das Amt im letzten Jahre 1785 gefälschte Dokumente sicher, Tendenz im Vergleich zu den Vorjahren steigend. Es geht um Pässe, Identitätskarten, aber auch Aufenthaltsbewilligungen und, der grösste Posten, Führerausweise. Hinzu kamen 281 missbräuchlich verwendete Dokumente. Auch hier: Tendenz steigend.
BAZG-Sprecher Simon Erny schreibt dazu auf Anfrage: «Aufgrund der Personenfreizügigkeit und der damit verbundenen vereinfachten Einreise und des Aufenthalts im Schengenraum stehen Reisedokumente der EU/EFTA Staaten (inklusive der Schweiz) im Fokus der Fälscher. Mit solchen Dokumenten ist es den Inhabern unter Umständen möglich, sich in Europa frei zu bewegen.» Gefälschte Schweizer Dokumente würden «aufgrund der darin enthaltenen hochwertigen Sicherheitselemente von entsprechend geschultem Personal gut erkannt.»
Auch hier also: Das Personal muss gut geschult sein, was in vielen Gemeinden heute aber nicht der Fall ist. (aargauerzeitung.ch)