Die Not ist gross bei der grössten privaten Arbeitgeberin der Schweiz: Die Migros sucht verzweifelt nach Fach- und Arbeitskräften. Rund 1800 Stellen sind ausgeschrieben. «Es fehlt überall an Leuten, noch nie waren so viele Berufe betroffen», sagte jüngst Personalchef Reto Parolini gegenüber CH Media. Auf der Suche nach Personal sind kreative Ideen gefragt: So prüft die Migros wieder Blindbewerbungen, setzt auf Whatsapp-Kampagnen und hat ein internes Empfehlungsprogramm ins Leben gerufen: Migros-Angestellte, die Leute für offene Stellen finden, erhalten eine Belohnung.
Doch damit nicht genug. Der Detailhandelskonzern bildet neu im Schnelltempo die fehlenden Fachkräfte gleich selber aus: «M-Career» heisst das Programm, das von der Migros-Personalentwicklerin Corina Rrustemi initiiert worden ist und vorerst im IT-Bereich zum Einsatz kommt.
Angefangen hat alles als mit einem Strategiewechsel bei der Migros-IT: Der Konzern will – auch, um Kosten zu sparen – in Zukunft vermehrt auf interne IT-Experten zurückgreifen können, statt teure externe Berater und Beraterinnen zu mandatieren. Konkret: Gesucht hat die Migros Fachleute, die sich mit der Software des deutschen SAP-Konzerns auskennen. Doch das ist einfacher gesagt als getan. Bei der Rekrutierung merkte die Migros sofort, dass sie die Stellen nicht schnell besetzen kann, wie erhofft. Und da kam «M-Career»-Leiterin Rrustemi ins Spiel mit ihrer Idee, die Fachkräfte besser gleich selber auszubilden.
Das Projekt richtet sich an externe und interne Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger, an Berufsleute mit Fachkenntnissen etwa aus den Bereichen Finanzen oder Logistik und mit einem Interesse und Flair für SAP, die nochmals etwas anderes machen wollen. «Die Ausbildung dauert sechs Monate und kann im Teilpensum ab 60 Prozent absolviert werden», erklärt die Personalentwicklerin. «Von Tag eins an kann man direkt in der Fachabteilung mitarbeiten und sich praktisches Wissen aneignen, unterstützt durch das Besuchen von fachspezifischen Kursen.» Zudem erhielten alle Programmteilnehmenden von Anfang an den vollen Lohn. Das sei wichtig, Quereinsteiger brauchen eine finanzielle Sicherheit. «Und zuletzt erlangen unsere Absolventinnen und Absolventen eine modulspezifische SAP-Zertifizierung», ergänzt Rrustemi. Diese sei branchenweit anerkannt und könne somit im Lebenslauf aufgeführt werden.
Die Pilotgruppe startete im April 2022. Die zehn Plätze für die Schnellausbildung zum SAP-Berater und SAP-Entwickler waren mit Interessenten aus dem Migros-Universum schnell vergeben. Bei der zweiten, im Oktober gestarteten Runde wurden die zehn Plätze zusätzlich auch auf Linked-in und damit extern ausgeschrieben. «Wir haben sehr viele Bewerbungen erhalten», sagt Rrustemi. Konkret: Insgesamt 111 Personen haben sich um eine Quereinsteigerstelle als SAP-Berater beworben, 49 um einen Platz als SAP-Entwickler. Das sei viel, wie der Vergleich mit regulären Bewerbungen für IT-Jobs zeige: Da kämen im Schnitt nur gerade 13 Bewerbungen pro ausgeschriebener Stelle herein.
Einer, der sich einen Platz als SAP-Berater schnappen konnte, ist Mauro Greco, der seit 15 Jahren im Detailhandel arbeitet, davon sieben Jahre im Büro, in der Warenfluss-Abteilung. Der heute 40-Jährige hat sich schon immer für Informatik interessiert, dann aber einen anderen Weg eingeschlagen. Nun hat er eine zweite Chance erhalten. Es hat eine gewisse Überwindung gebraucht, sagt Greco, aber letztlich habe er seine Selbstzweifel überwunden und sich beworben – und einen der begehrten «M-Career»-Plätze ergattert.
Angesichts des Erfolgs will die Migros das Programm nicht nur fortführen, sondern nach und nach auch ausbauen respektive um andere Berufsbilder und Fachbereiche erweitern, wie Rrustemi erklärt. Für die im April startende dritte Runde hat sie noch ein paar wenige Plätze zu vergeben. Das Programm werde auch ständig verbessert, ergänzt sie. «Die Teilnehmenden haben den Wunsch geäussert, untereinander mehr Austausch zu haben. Das haben wir nun so angepasst.»
Rrustemis Glück ist jemand anderes Pech. Denn jeder interne Quereinsteiger hinterlässt eine Lücke woanders in der M-Welt. Dessen ist sich die Personalentwicklerin bewusst: «Doch es ist besser, einer Person die Chance zu bieten, sich intern weiterzuentwickeln, als sie ganz zu verlieren.» Und sie ergänzt: «‹M-Career› hat ausserhalb des Unternehmens so schnell an Aufmerksamkeit gewonnen, dass wir bereits jetzt einen guten Mix aus internen und externen Quereinsteigerinnen und Quereinsteigern ausbilden können.» (bzbasel.ch)
Ev. sollte die Migros da hinter die Bücher