Trump wird Diktator – nicht nur für einen Tag
Der US-Präsident hat Lisa Cook, eine Gouverneurin der amerikanischen Notenbank (Fed) entlassen, angeblich, weil sie falsche Angaben beim Gesuch um einen Hypothekar-Kredit gemacht habe. Paul Krugman, mit dem Nobelpreis gekrönter Ökonom, kommentiert diese Entlassung auf Substack wie folgt: «Wer über Politik schreibt und glaubt, Trump kümmere sich um Hypothekar-Betrug – oder, wenn wir gerade dabei sind, der irgendetwas glaubt, was die Regierung darüber sagt, ohne dass es von unabhängiger Stelle bestätigt wird –, der sollte sich einen anderen Beruf suchen. Vielleicht sollte er sich als Erntehelfer melden und so dazu beitragen, den durch Trumps Deportationen verursachten Engpass zu lindern.»
Tatsächlich ist der Fall Lisa Cook der bisher eklatanteste Fall, wie Trump den Rechtsstaat malträtiert und die Justiz für seinen Rache- und Vergeltungsfeldzug instrumentalisiert. Nicht nur sind die Anschuldigungen gegen die Gouverneurin mehr als dubios – und selbst wenn sie zutreffen sollten, eine Bagatelle –, der Präsident ist per Verfassung gar nicht kompetent, diese Entlassung auszusprechen. Deshalb werden sich einmal mehr Richter aller Instanzen über diesen Fall beugen.
Den vermeintlichen Betrug hat ein gewisser Bill Pulte aufgedeckt. Es handelt sich bei ihm um einen MAGA-Enthusiasten, den Trump als Direktor der Federal Housing Finance Agency installiert hat. Den gleichen Vorwurf erhebt Pulte auch gegen Letitia James, die Staatsanwältin des Bundesstaates New York. Sie hat die Zivilklage gegen Trump geleitet, die in dessen Verurteilung und einer Busse in dreistelliger Millionenhöhe geendet hat. Ebenfalls des Hypothekar-Betrugs bezichtigt wird Adam Schiff, Senator aus Kalifornien. Er war Chefankläger im ersten Impeachment-Verfahren gegen den US-Präsidenten.
In seinem Wahlkampf hat Trump seinen Rachefeldzug immer und immer wieder angedroht und auch erklärt, er werde ein Diktator sein, wenn auch nur einen Tag. Das war offensichtlich mehr als ein Scherz, denn es zeigt sich immer klarer, dass Trump tatsächlich ein Diktator sein will, und zwar bis ans Ende seiner Tage. Deshalb hat er seinen Feldzug schon von langer Hand vorbereitet und dafür gesorgt, dass die entsprechenden Personen an die entscheidenden Stellen gerückt werden.
Das ist ihm gelungen. Mit Pam Bondi als Justizministerin, Pete Hegseth als Verteidigungsminister, Kash Patel als FBI-Direktor und Dan Bongino als Stellvertreter hat Trump willige Helfer gefunden, die seine Wünsche bedingungslos umsetzen, selbst wenn sie in krassem Widerspruch zu Gesetz und Verfassung stehen.
Im Fall Cook geht es nicht nur um Rechtsstaat und Demokratie, es geht auch um das Wohl der Wirtschaft. Trump verletzt damit ein Tabu, das Ökonomen aller Couleur hochhalten: die Unabhängigkeit der Notenbank. Eswar Prasad, Wirtschaftsprofessor an der Cornell University und führender Finanzexperte, erklärt denn auch in der «Financial Times»: «Es handelt sich hier um einen Akt der Aggression, der die Unabhängigkeit der Fed verletzt. Trump hat jetzt einer Institution den offenen Krieg erklärt und untergräbt damit die Dominanz des Dollars im globalen Finanzsystem.»
Sollten die Richter die Entlassung von Cook tatsächlich durchwinken, dann hat der US-Präsident die Möglichkeit, eine Mehrheit im Aufsichtsgremium der Fed zu erhalten. Zwei der sieben Mitglieder, Christopher Waller und Michelle Bowman, konnte er schon in seiner ersten Amtszeit ernennen. Die kürzlich zurückgetretene Adriana Kugler will er durch den Loyalisten Stephen Miran ersetzen – dessen Bestätigung durch den Senat ist noch hängig. Erhält er auch bei Cook freie Hand, hat er endlich die ersehnte Mehrheit und kann auf die Geldpolitik der Fed direkt einwirken.
Diese Aussicht lässt Experten die Haare zu Berge stehen, denn die historische Erfahrung lehrt uns, dass es in der Regel verheerende Folgen hat, wenn sich ein autoritärer Führer in geldpolitische Angelegenheiten einmischt. Als jüngstes Beispiel dafür wird gerne Recep Tayyip Erdoğan genannt. Der türkische Präsident hat mit seiner Gängelung der Notenbank eine Hyperinflation bewirkt. «Die Situation in den USA gleicht auf beängstigende Art und Weise dem, was wir in der Türkei beobachtet haben», erklärt denn auch Lars Christensen, Chef der Beratungsfirma Paice, in der «Financial Times». «Es braucht eine Zeit, bis die Glaubwürdigkeit einer Institution zerstört ist. Aber wenn es so weit ist, dann sind die Kosten immens.»
Wie Erdoğan will auch Trump die Notenbank zwingen, die Leitzinsen zu senken. Paradoxerweise schiesst er sich damit ins eigene Knie. Die Notenbank kann nämlich nur die kurzfristigen Zinsen beeinflussen. Die viel wichtigeren langfristigen Zinsen werden vom Markt bestimmt. Wenn die Investoren das Vertrauen in die Fed verlieren, steigen die Zinsen der T-Bonds und damit auch die Kosten der Staatsschulden.
Dank des Zollkrieges fliessen jetzt Milliarden von Dollar in die amerikanische Staatskasse. Dieser Geldsegen kann jedoch nicht annähernd das Loch in der Staatskasse stopfen, das durch die Steuergeschenke an Superreiche und Unternehmen gerissen wird. Es wird daher damit gerechnet, dass das jährliche Defizit der USA nach wie vor bei rund sechs Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP) verharren wird, ein für Friedenszeiten horrend hoher Wert, und das, obwohl die Gesamtschuld mit rund 37 Billionen Dollar bei rund 100 BIP-Prozenten angelangt ist.
Wie lange wird das Finanzsystem dieser Belastung noch standhalten können? Dieser Frage geht in «Foreign Affairs» der Harvard-Ökonom Kenneth Rogoff nach. Seine Antwort flösst wenig Hoffnung ein. Rogoff spricht vom «kommenden Crash Amerikas» und stellt die beunruhigende Frage: «Wird Washingtons Schulden-Sucht die nächste globale Wirtschaftskrise auslösen?»
