Der Breitenrain ist das Berner Trendquartier schlechthin. Wer dort eine coole Wohnung findet, darf den Champagnerkorken knallen lassen. Denn mit einer Leerwohnungsziffer von 0,43% herrschen im Berner Nordquartier schon fast Verhältnisse wie in der «Mieter-Hölle» Zürich.
Ausgerechnet die genossenschaftlich organisierte Migros bleibt aber auf ihren Wohnungen sitzen. Am Breitenrainplatz im Herzen des Nordquartiers hat der orange Riese eine Siedlung mit 50 Wohnungen und integriertem Supermarkt hochgezogen. Von den 50 Appartements sind aber immer noch fünf verfügbar – obschon sie seit Frühjahr 2019 ausgeschrieben sind.
Was läuft da bei der Migros schief? Der Grossverteiler verlangt im «Breitsch» Preise, bei denen selbst Zürcher staunen. Eine 3,5-Zimmer-Wohnung (90 Quadratmeter/Duplex) etwa kostet 3155 Franken inkl. Nebenkosten. Eine «normale» 3,5-Zimmer-Wohnung 2985 Franken.
Was viele nicht wissen: Die Migros ist einer der grössten Player im Schweizer Immobilienmarkt. Der Detailhändler besitzt über 13'000 Wohnungen und hat eine grosse Marktmacht.
Dementsprechend fallen die Reaktionen der Bewohner im Breitsch aus. «Etliche Leute waren empört und protestierten gegen die hohen Mieten des Grossverteilers. Denn die Preise der Migros-Wohnungen liegen nach unseren Berechnungen über 500 Franken über dem quartierüblichen Schnitt bei Neubauten mit vergleichbarem Standard», sagt Urs Frieden, Präsident der Quartierkommission Dialog Nordquartier. Immerhin habe der «konstruktive» Austausch mit der Migros dazu geführt, dass die Aufenthaltsqualität im Innenhof für Aussenstehende verbessert werde, etwa für Picknick am Mittag.
Natalie Imboden, Generalsekretärin des Schweizerischen Mieterverbandes (MIV), wohnt selbst im Berner Nordquartier. Für sie ist die Breitenrain-Überbauung exemplarisch. «Die Migros ist nicht genossenschaftlich, sondern total renditegetrieben. Die Manager wollen sich den Standort vergolden lassen.»
Und wie erklärt die Migros die hohen Preise? «Der Neubau im Breitenrainquartier sei «nach neusten Energie- und Schallschutzvorschriften sowie modernstem Ausbaustandard an einer hervorragend erschlossenen Lage erbaut» worden, so eine Sprecherin. Die Mietpreise seinen marktgerecht.
Mit der Initaitive «Ja zu fairen Mieten», über die wir am 9. Februar abstimmen, will der Mieterverband Gegensteuer gegen Miet-Exzesse geben. Zehn Prozent der Wohnungen sollen künftig über die gesamte Schweiz genossenschaftlich gebaut werden. Ob damit die Preise tatsächlich sinken würden, ist umstritten.
Die Stadtberner haben bereits 2014 eine kommunale Wohn-Initative klar angenommen. Ab 2020 müssen bei Um- und Neueinzonungen mindestens ein Drittel preisgünstige Wohnungen gebaut werden.
Auf die Luxus-Überbauung der Migros haben beide Initiativen keinen Einfluss mehr. Würde sich aber bei solchen hochpreisigen Überbauungen bei Annahme des Volksbegehrens etwas ändern? «Grosse Immobilien-Player würden mit der neuen Regelung unter Druck geraten, mehr genossenschaftlich zu bauen», ist Imboden überzeugt.
Dass öffentlicher Druck wirksam sei, zeige das Beispiel SBB. Die SBB Immobilien sei wegen den Luxuswohnungen in der Zürcher Europaallee massiv in die Kritik geraten. Bei späteren Bauprojekten haben die SBB aus den Fehlern gelernt und günstigere Wohnungen gebaut.
Wie begehrt neue Mietwohnungen im Berner Nordquartier wären, zeigt die Überbauung Schönburg beim Rosengarten. 142 Wohnungen im mittleren Preissegment sind «innert wenigen Tagen» vermietet worden, wie Besitzerin Swiss Prime Site auf watson-Anfrage sagt. Acht luxuriöse Town-Houses stehen hingegen noch leer. Die Besichtigungen sind dort aber erst ab März möglich.