Bald beginnt wieder der Festivalsommer. Ob das Openair Frauenfeld, Gurten Festival oder Openair St.Gallen – auch in der Schweiz besuchen wieder zahlreiche Menschen die Veranstaltungen. Überraschend ist jedoch die Auswahl der Headliner. Mit Will Smith beim Gurtenfestival oder Justin Timberlake beim Open Air Frauenfeld haben wohl die Wenigsten gerechnet.
Grosse Stars seien aber immer schwieriger zu bekommen, schreibt der Tagesanzeiger. «Es ist ein Problem, ein Riesenproblem», meint Roman Pfammatter, OK-Chef beim Openair Gampel. Der Job des Wallisers ist es, die grossen Acts fürs Festivalprogramm zu bekommen. Dies sei aber immer schwieriger. Bestätigt wird das auch durch andere bekannte Openairs auf Anfrage der Zeitung. «Die ganz grossen Bands wird man nicht mehr auf Festivals sehen», sagt Pfammatter.
Auch in diesem Jahr können die Schweizer Openairs mit einem ansprechenden Line-up auftrumpfen. Jedoch sind grosse Namen wie Coldplay, Foo Fighters oder Kendrick Lamar dabei vergeblich zu suchen. Dass diese Acts woanders auftreten, hat Gründe.
Ein Grund für das Fehlen der Stars sind deren hohe Kosten. Die Musiker fordern für ihr Erscheinen immer höhere Gagen. Dieses Phänomen ist seit Corona zu beobachten. Für Schweizer Festivals sind diese Ansprüche immer seltener zu erfüllen. «Es ist schwieriger geworden, die Acts zu buchen, die zuoberst auf der Wunschliste stehen», meint das Open Air Zürich. Das Budget müsse jedes Jahr angepasst werden.
Das Open Air Gampel setzt für einen Headliner rund 350’000 Franken an. Bands wie Muse oder die Foo Fighters, die in vergangenen Zeiten noch Auftritte im Wallis verzeichnen konnten, seien heute zu teuer. Pfammatter sagt: «Auch für die Toten Hosen reicht das nicht mehr.» Für beliebte Stars müsste schon mindestens mit einer halben Million gerechnet werden. Rémi Bruggmann vom Montreux Jazz Festival sagt: «Bands wie Coldplay fragen wir gar nicht mehr an. Das ist nicht realistisch. Auch Billie Eilish, Sabrina Carpenter, Olivia Rodrigo – solche Namen hätten wir gern bei uns gehabt.»
Musikerinnen und Musiker mit vielen Fans und den vorhandenen finanziellen Mitteln geben nun öfters Stadion-Tourneen. Grosse Namen wie Coldplay, AC/DC, Ed Sheeran oder Taylor Swift weiten ihre Konzerte auf mehrere Jahre aus, womit die Veranstaltungen auch immer mehr im Sommer stattfinden. Diese Künstlerinnen und Künstler können somit nicht mehr gebucht werden.
«Viele Musikerinnen und Musiker bevorzugen ein Stadionkonzert gegenüber einem Festival, weil sie dort die volle Kontrolle über das Erlebnis für ihre Fans haben», meint Montreux-Booker Bruggmann. Bei den eigenen Tourneen können die Acts ihr Merchandise verkaufen, sowie Vorbands, Optik und die Technik für das Konzert selber ausrichten und bestimmen.
Eigene Konzerte zahlen sich auch finanziell mehr aus. Wo früher noch der Verkauf der Musik das meiste Geld brachte, sind es heute die Liveauftritte. Diese dienten früher eher als eine Art Marketing-Mittel, um die Fans an sich zu binden. Mit wenig Geld konnte ein zusätzliches Publikum gewonnen werden.
«Festivals waren mal so etwas wie ein grosser Geldtopf, aus dem sich die Acts bedienen konnten. Mit eigenen Shows hat man eher Geld verloren», sagt Montreux-Booker Rémi Bruggmann. Das hat jetzt gewechselt.
Die Abnahme der Musikverkäufe muss von den Künstlerinnen und Künstlern durch die Liveauftritte ausgeglichen werden. Deren Shows sind deswegen immer grösser, pompöser und länger. Damit kann die Anhängerschaft stärker an sich gebunden werden sowie höhere Ticketpreise verlangt werden. Solch grosse Veranstaltungen können bei Festivals nicht mehr geleistet werden.
Auch Social-Media-Trends und das Streaming nehmen Einfluss auf die Planung der Festivals. Laut den Schweizer Bookerinnen und Bookern ist die Entwicklung einer Karriere heutzutage viel schneller. Grund dafür sind die Algorithmen.
Früher gab es einen festen Ablauf: Nach einem neuen Album gab es Auftritte und dann wieder eine Pause. «Jetzt ist alles kreuz und quer. Alben gibt es seltener, und ein Act kann von heute auf morgen weltweit Erfolg haben», meint Roman Pfammatter vom Open Air Gampel. Die Künstler können aber genauso schnell wieder von der Bildfläche verschwinden.
Beispiele für einen schnellen Aufstieg sind Chappell Roan oder Sabrina Carpenter. In der Schweiz werden sie aber keine Festivalacts. «Es ist für uns essenziell, frühzeitig auf die richtigen Acts und Entwicklungen zu setzen, um unserem Publikum ein aktuelles Line-up zu bieten», sagt Christof Huber vom Open Air St. Gallen.
Aber auch mit einer breiten Datenanalyse ist es schwer zu erkennen, was die richtigen Acts seien. «Es ist wie Wetten. Wir gehen ein Risiko ein», sagt Booker Bruggmann. Ein anderes Problem ist die fehlende Erfahrung und die noch wenigen Songs der von jetzt auf gleich gehypten Stars. Auch wie viele Menschen diese Acts wirklich sehen wollen, ist unklar.
In Europa gibt es viele mittelgrosse bis grosse Festivals, welche sich alle um die grossen Stars bemühen. Konkurrenz gibt es aber auch immer mehr aus den USA. Durch dessen Angebote mit hohen Gagen gehen den europäischen Festivals immer mehr die grossen Namen aus. Ein anderer Effekt sei das Hochjagen der Gagen. Wer also mehr Geld auf den Tisch legt, kann den Act für sich verbuchen.
Grosse Stars entscheiden sich somit eher für international bekannte Open Airs auf, wie Glastonbury, Primavera oder Coachella. Einen Trumpf in der Tasche haben auch Festivals, die von den grossen Musikplayern Livenation und Eventim mitorganisiert werden. Diese können die hohen Gagen quer finanzieren und internationale Deals für mehrere Festivals aushandeln.
Auch zeitlich haben die Organisatoren Zugzwang. Sie müssen die Acts möglichst früh buchen, da Festivals wie das Primavera in Barcelona schon im Oktober das Line-up veröffentlicht haben, acht Monate vor Festivalbeginn. Grund dafür ist das Antreiben der Ticketverkäufe.
Für die Bookerinnen und Booker bedeutet dies Stress. Roman Pfammatter vom Gampel sagt: «Wir schreiben jetzt schon Offerten für 2026.»
Einfluss auf die Planung des Line-ups haben auch die Wünsche der Stars. Diese sagen beispielsweise ab, wenn am selben Abend eine Band spielt, welche ihrer Meinung nach nicht zu ihnen passe. Das sei eine schwierige Aufgabe, sagt Rémi Bruggmann. «Was wir uns ausdenken, deckt sich nicht immer mit den Vorstellungen der Künstler oder ihres Managements. Es gibt viele Diskussionen, bis alle mit dem Ergebnis zufrieden sind.»
Gründe für Absagen können auch das hohe Alter von Bandmitgliedern sein. Andere möchten die Umwelt nicht weiter belasten und verzichten auf lange Strecken.
Auch wenn nicht jeder Act gebucht werden kann, schauen die Organisatoren positiv in die Zukunft. Beim Gurtenfestival ist man der Meinung, man habe bislang immer einen guten Mix bezüglich des Line-ups hinbekommen. Ein Festival biete zudem noch anderes als nur die grossen Star-Auftritte. «Das Schöne an einem Festival ist, dass es nicht nur um die Headliner geht, sondern um das gesamte musikalische Bouquet, den roten Faden, der wohlüberlegt von der ersten Band bis zum letzten DJ kuratiert wird.»
Beim Openair Frauenfeld gibt es beispielsweise ein Freiluft-Gym, in Gampel ist für dieses Jahr ein Fussballfeld geplant. Laut Rémi Bruggmann vom Montreux Jazz Festival erwarten die Besuchenden aber grosse Namen. Gampel-Chef Pfammatter sagt: «Das Publikum kommt. Aber wir hätten wohl mehr Publikum, wenn wir grössere Namen im Programm hätten.» (kek)
was für eine Überraschung!
ich Totsch dachte doch tatsächlich dass es daran läge dass die grossen Act nicht gerne zelten oder Heineken saufen.