In einem noch unveröffentlichten Prüfbericht, das zeigen Recherchen, kommt die Eidgenössische Finanzkontrolle EFK zum Schluss: Im Bundesamt für Polizei (Fedpol) herrscht ein Unterbestand an Ermittlern, an Bundeskriminalpolizisten. Also an dem Polizeipersonal, das die Bundesanwaltschaft für ihre Strafuntersuchungen benötigt. Die Finanzkontrolle stelle auch fest, heisst es, dass die Bundesanwaltschaft immer wieder Fälle liegen lassen muss, weil es polizeiseitig an Ressourcen fehlt.
Die Finanzwächter kommen also zum gleichen Schluss wie im Januar die Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft AB-BA. Diese hatte die Zusammenarbeit zwischen Bundesanwaltschaft und Bundeskriminalpolizei untersucht und festgestellt, dass vor allem «im Deliktsfeld Kriminelle Organisationen zu wenig Ermittlungsressourcen mit den notwendigen Fähigkeiten wie zum Beispiel Sprachen vorhanden» seien. Dabei könnte – und müsste – die Bundesanwaltschaft angesichts der Kriminalitätslage deutlich mehr Strafverfahren gegen kriminelle Organisationen eröffnen, hielt die Aufsicht fest.
Sie erwähnte auch einen Fall von Wirtschaftskriminalität, wo es drei Monate dauerte, bis die Bundesanwaltschaft mit der Bundeskriminalpolizei «einen Termin für die Vornahme einer Verhaftung» finden konnte.
Die Botschaft, dass das Fedpol dringend mehr Leute braucht, ist auch bei der Politik angekommen – jedenfalls bei Teilen davon. Kürzlich überwies die Sicherheitskommission des Nationalrats mit 13 zu 9 Stimmen bei 3 Enthaltungen eine Kommissionsmotion ans Ratsplenum, die die «strategische Aufstockung des Personalbestandes des Fedpol» fordert. Denn nur so könne «die nationale Sicherheit gewährleistet werden», steht in der Motion. Als Berichterstatterinnen im Rat treten Jacqueline de Quattro (FDP, VD) und Linda de Ventura (SP, SH) auf.
Konkret fordert die Motion den Bundesrat auf, den Personalbestand des Fedpol über einen Zeitraum von zehn Jahren schrittweise um 10 bis 20 Stellen pro Jahr aufzustocken und somit bis 2035 100 bis 200 zusätzliche Stellen zu schaffen.» Und zwar für «Ermittlerinnen und Ermittler, Analystinnen und Analysten, Fachpersonen für IT-Forensik sowie Fachpersonen für internationale Zusammenarbeit». Ziel ist es, so die Sicherheitspolitikerinnen, «eine wirksame Bekämpfung der schweren Kriminalität auf Bundesebene sicherzustellen». Nun muss der Nationalrat über die Forderung befinden.
Nur die SVP-Delegation in der Sicherheitskommission ist gegen die Motion und vertritt die Ansicht, diese Aufstockung sei «verfrüht». Mauro Tuena (ZH) sagt auf Anfrage, auch die SVP sehe zwar die Dringlichkeit der Personalaufstockung bei der Bundeskriminalpolizei. «Aber zuerst wollen wir wissen, wo all die anderen Stellen hin sind, die wir in den letzten Jahren geschaffen haben.» Die SVP verlange eine Auslegeordnung, es müssten zuerst interne Umschichtungen geprüft werden.
Für Mitte-Nationalrat Reto Nause, ehemaliger Berner Polizeidirektor und selbst Mitglied der Sicherheitskommission, ist es aber höchste Zeit, vorwärtszumachen. «Bei den Ressourcen für die innere Sicherheit stehen wir im internationalen Quervergleich schlecht da. Wir haben die kleinste Polizeidichte in Europa. Dabei sind wir zunehmend exponiert, weil sich die internationale Kriminalität vermehrt auch zu uns ausbreitet. Und da ist natürlich insbesondere die Polizei des Bundes gefordert.»
Angestossen hatte die Aufstockungsdebatte Bundesanwalt Stefan Blättler. Schon kurz nach Amtsantritt Anfang 2022 kam er zum Schluss, Fedpol habe zu wenig Ermittler, er bekomme zu wenig Unterstützung. Die damalige Fedpol-Chefin Nicoletta della Valle reagierte gereizt. Sie arbeite mit den Mitteln, die man ihr gebe, sagte sie.
Aber auch Fedpol-intern gab es Kritik, dass nicht alles rund laufe. Die selbstbewusste Direktorin war für manche ein rotes Tuch, ihr Chef der Bundeskriminalpolizei Yanis Callandret auch. Seit Anfang Jahr ist della Valle in Rente und Nachfolgerin Eva Wildi-Cortés baut die Geschäftsleitung um. Anfang Woche wurde bekannt, dass Callandret zum Zoll wechselt. Im Juni hatte sich Wildi bereits vom Chef des Bundessicherheitsdienstes getrennt.
Sie polarisiere weniger als ihre Vorgängerin, höre zu und sei präzise, sagt ein Politiker über Wildi. Eigenschaften, die jetzt besonders gefragt sein dürften. Denn, was die Finanzkontrolle dem Vernehmen nach auch noch feststellte: Der Personalengpass rühre auch daher, dass die Bundesanwaltschaft bei sich zu viele Stellen aufgebaute habe, ohne sich mit der Bundespolizei abzusprechen. Also fehlte es auch an Kommunikation zwischen den Spitzen der beiden Behörden. (aargauerzeitung.ch)