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Diese 162 Subventionen sind schlecht für die Umwelt

Schädliche Milliarden: Diese 162 Subventionen sind schlecht für die Umwelt

In der Schweiz existieren 162 staatliche Subventionen, die die Artenvielfalt beeinträchtigen, so eine neue Studie. Die Autoren fordern, die Hälfte davon zu streichen.
24.08.2020, 11:3324.08.2020, 11:34
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Zerschnittene, verschmutzte und zerstörte Lebensräume: Die Hälfte aller Lebensraumtypen und ein Drittel aller Tier- und Pflanzenarten sind hierzulande gefährdet.

Gleichzeitig beziffern sich die biodiversitätsschädigenden Subventionen auf mindestens vierzig Milliarden Franken pro Jahr. Das berechneten Forschende der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) und des Forums für Biodiversität der Akademie der Naturwissenschaften Schweiz (SCNAT) in einer Studie, die sie am Montag den Medien präsentierten.

Ein Schmetterlingsforscher auf der Suche nach Schmetterlingen in Urnenboden. Mit zwei Volksinitiativen wollen Umweltverbände gegen das Schwinden der Artenvielfalt und die Verbauung der Landschaft vorg ...
Ein Schmetterlingsforscher auf der Suche nach Schmetterlingen in Urnenboden.Bild: KEYSTONE

Verbilligung erhöht Verbrauch

Unter den Subventionen, die die Artenvielfalt bedrohen, fassten die Studienautoren jene zusammen, die durch Verbilligungen den natürlichen Ressourcenverbrauch erhöhen und Lebensräume sowie die darin lebende Artenvielfalt beispielsweise durch Bodenversieglung, Lärmemissionen oder Überdüngung beeinträchtigten.

Die Subventionen betreffen vor allem den Verkehr, die Landwirtschaft, die Energieproduktion und die Siedlungsentwicklung. Sie umfassen neben direkten Zahlungen auch Mindereinnahmen etwa durch Steuerreduktionen sowie externe Kosten wie Umweltschäden (eine Übersicht findest du am Ende des Artikels).

Viele Subventionen schwierig zu beziffern

Die ermittelte Subventionssumme gelte als Untergrenze, wie die Erstautorin Lena Gubler von der WSL im Gespräch mit der Nachrichtenagentur Keystone-SDA sagte. Denn ein Drittel der identifizierten Subventionen könne nicht quantifiziert werden.

Indes birgt ein Drittel sogenannte innerökologische Konflikte: «Eine Subvention mit einem umweltförderlichen Ziel kann biodiversitätsschädigende Nebeneffekte haben», erklärte Gubler. Als Beispiel nannte sie die Kleinwasserkraft, die die Gewässerbiodiversität beeinträchtigt.

Ein Bergbauer fuehrt am Dienstag, 5. Februar 2008 im Licht der aufgehenden Sonne den dampfenden Kuhmist auf den Stock vor dem Stall in Vermol, SG, hoch ueber dem Sarganserland. (KEYSTONE/Arno Balzarin ...
Viele Subventionen in der Landwirtschaft stehen mit der Förderung der Biodiversität im Konflikt.Bild: KEYSTONE

Befreiung von CO2-Abgabe

Eine weitere laut den Forschern problematische Subvention betrifft den Pendlerabzug. Zudem sind Treibstoffe von der CO2-Abgabe und internationale Flüge zusätzlich von der Mehrwertsteuer befreit. Ein Beispiel in der Landwirtschaft gilt dem Basisbeitrag: Dessen Höhe ist für extensiv bewirtschaftete Flächen gemäss den Autoren nur halb so hoch wie für intensiv bewirtschaftete Flächen.

Energieintensive Unternehmen wie etwa die Zement- und Stahlindustrie erhalten Vergünstigungen bei der CO2-Abgabe, kostenlose Emissionszertifikate und sind vom Netzzuschlag befreit. Andere Subventionen fördern Wohneigentum.

«Auch ökonomisch ineffizient»

Die identifizierten Subventionen seien auch ökonomisch ineffizient, sagte Gubler. Verursachen sie zunächst Schäden, so brauche es für deren Behebung oft weitere öffentliche Mittel – ebenso wie vielerorts für die Biodiversitätsförderung. Und gemäss dem Bundesamt für Umwelt nehmen die Kosten zu: In dreissig Jahren dürften die Verluste der Ökosystemleistungen rund vier Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) betragen.

Die Autoren empfehlen die Hälfte der Subventionen abzuschaffen. Damit sprechen sie vor allem die Steuererleichterungen und Vergünstigen an. Die andere Hälfte solle nur fliessen, wenn die Artenvielfalt nachweisbar nicht beeinträchtigt werde. Dazu hat sich die Schweiz bis 2020 mit der Biodiversitätskonvention verpflichtet. «Ein Abbauplan fehlt jedoch bisher», sagte Gubler. Die Studie liefere nun eine Arbeitsgrundlage.

Um diese Subventionen geht es:

Was ist eine biodiversitätsschädigende Subvention?
Biodiversitätsschädigende Subventionen vergünstigen die Produktion oder den Konsum und erhöhen damit den Ver-brauch natürlicher Ressourcen, sie führen zu Verschmutzung, Störung sowie Verlust von Lebensräumen und darin lebender Arten sowie ihrer Vielfalt.

Einträge mit * haben einen Innerökologischen Zielkonflikt.

Verkehr

On-Budget (Subventionen,die im Staatsbudgeterscheinen z. B. Finanzhilfen): • Abgeltungen Regional- und Ortsverkehr • Finanzierung von Schallschutzwänden* • Flugverkehr: Bundesmittel aus Spezialfinanzierung Flugverkehr, Kantonale und kommunale Beiträge an Fluginfrastruktur • Förderung E-Mobilität* • Öffentliche Ausgaben für Neubau, Ausbau sowie baulicher Unterhalt von National-, Kantons- und Gemeindestrassen • Öffentliche Ausgaben für Ausbau, Unterhalt und Erneuerung des Schienennetzes* • Programm Agglomerationsverkehr*

Off-Budget (Subventionen, die nicht imStaatsbudget erscheinen z. B. Steuererleichterungen): Emissionsabgabe: Befreiung Treibstoffe von CO2-Abgabe, geringe CO2-Kompensation von fossilen Treibstoffimporten • Energieabgabe: Vergünstigung der Mineralölsteuer • Flugverkehr: Abgabebefreiung auf Versicherungsprämien, Befreiung der Flugtreibstoffe von der Mineralölsteuer, Befreiung von CO2-Abgabe, Einbinden des Flugverkehrs in das EHS, Mehrwertsteuerbefreiung für internationalen Flugverkehr •Hohe Abschreibemöglichkeit Privatauto in der Vermögenssteuer •Steuervergünstigungen: Pendlerabzug, Vergünstigung der kantonalen Motorfahrzeugsteuer • Verkehrsabgabe: LSVA-Befreiung, Unvollständige LSVA-Abgabe-Ausschöpfung

Implizite Subventionen (z. B. nicht internalisierte externe Kosten: • Externe Kosten: Luftverkehr, Schienenverkehr, Strassenverkehr • Verkehrsabgabe: fahrstreckenunabhängige Nationalstrassenabgabe

Finanzielle Fehlanreize: Zweckbindung der Einnahmen aus Verkehrsabgaben für Verkehrs-infrastrukturfinanzierung

Landwirtschaft

On-Budget: • Absatzförderung Fleisch und Eier • Absatzförderung Milch • Administration Milchproduktion und -verwertung • Alpungsbeitrag* • Basisbeitrag • Beiträge für Entsorgung tierischer Nebenprodukte • Einzelkulturbeiträge • Finanzierung der Zulassungsevaluation • Förderung Tierzucht • Graslandbasierte Milch- und Fleischproduktion* • Hangbeitrag* • Hangbeitrag Rebflächen • Investitionshilfe für Strukturverbesserung • Marktstützung Fleisch, Einlagerungsbeiträge Kalbfleisch und Eier • Offene Ackerfläche • Offenhaltungsbeitrag* • Produktionserschwernisbeitrag* • Qualitäts- und Absatzförderung von weiteren Landwirtschaftsprodukten • Schoggigesetz bzw. Nachfolgelösung • Sömmerungsbeitrag* • Steillagenbeitrag* • Tierwohl BTS • Tierwohl RAUS • Übergangsbeitrag • Verkäsungszulage • Vollzug Schlachtvieh und Fleisch • Weitere Nettoausgaben Kantone • Zulage bei silofreier Milchviehfütterung*

Off-Budget: • Ausnahme von LSVA • Grenzschutz • Mineralölsteuer Rückerstattung • Motorfahrzeugsteuer Reduktion • Reduzierter MWSt.-Satz

Implizite Subventionen: • Externe ökologische Kosten durch Stickstoff, Phosphor, Pestizide, Treibhausgase • Geringe Biodiversitätsberücksichtigung in landwirtschaftlicher Beratung

Forstwirtschaft

On-Budget: • Defizitgarantien* • Forstliche Investitionskredite* • Programme Schutzbauten und Gefahrengrundlagen, Waldbewirtschaftung, Schutzwald* • Weitere Bereiche Forstwirtschaft*

Off-Budget: • Rückerstattung Mineralölsteuer

Implizite Subventionen: • Geringe Biodiversitätsberücksichtigung in der Ausbildung von Förstern und Försterinnen sowie Forstwart und Forstwartinnen

Energieproduktion und -konsum

On-Budget: • Einspeisevergütungssystem Kleinwasserkraft* • Einspeisevergütungssystem Windkraft* • Investitionsbeiträge Kleinwasserkraft* • Investitionsbeiträge Kehrichtverbrennungsanlagen (KVA)* • Kostendeckende Einspeisevergütung Kleinwasserkraft* • Mehrkostenfinanzierung Kleinwasserkraft* • Mehrkostenfinanzierung Windkraft* • Programm Kleinwasserkraft* • Programm Suisse Eole

Off-Budget: • Befreiung CO2-Abgabe für WKK-Anlagen • CO2-Abgabebefreiung durch Einbinden ins Emissionshandelssystem (EHS) • CO2-Abgabebefreiung ohne Einbindung in das EHS, mit Reduktionsvereinbarung • Einbindung KVAs ins EHS* • Kostenlose Zuteilung Emissionsrechte an Erdölraffinerie • Ökologischer Mehrwert KVA* • Rückerstattung Mineralölsteuer und Netzzuschlag für Erdölraffinerie • Strommarktliberalisierung für Grosskunden und EVU • Verzicht auf Heimfallverzichtsentschädigung bei Konzessionserneuerung* • Vom Wettbewerb geschützte Wasserkraft* • Zu geringe Deckungspflicht der Haftpflichtversicherung der Kernkraftwerke • Zu geringe Deckungspflicht der Haftpflichtversicherung für Stauanlagen* •Zu niedrige Einlagen für Stilllegung und Entsorgung Kernkraft

Implizite Subventionen: • Externe Kosten Wasserkraft

Finanzielle Fehlanreize: Wasserzins*

Siedlungsentwicklung

On-Budget: • Beiträge für Wärmedämmung und Sanierung von Gebäudehüllen (Gebäudeprogramm)* • Geografisch-topografischer Indikator: Abgeltung für hoch gelegene und kleine Siedlungen, Abgeltungen für kleine, abgelegene, wenig besiedelte Gemeinden • Verbesserung der Wohnverhältnisse in Berggebieten

Off-Budget: • Abnehmende Grundstückgewinnsteuer mit zunehmender Besitzdauer • Abzug von Schuldzinsen und Unterhaltskosten von der Kapitalsteuer • Bemessung des Eigenmietwerts unter dem Marktwert der Steuerobjekte • Besteuerung nach dem Aufwand • Darlehen für Infrastrukturvorhaben im Rahmen der Neuen Regionalpolitik (NRP) • Geringe Mehrwertabgabe • Gewerbliche Bürgschaftsgenossenschaften: Bürgschaftsbestand mit Flächenrelevanz • Kantonaler Steuerwettbewerb • Liegenschaftssteuer: Bemessung unter dem Marktwert und Abzug von der Einkommenssteuer • Mehrwertsteuerbefreiung • Steuerliche Erleichterung im Rahmen der NRP • Steuerlicher Abzug des Baukreditzinses, der Gartenunterhaltskosten, der Hypothekarzinsen, der Kosten energetischer Sanierungen der Gebäudehüllen,* der Unterhaltskosten von privaten Liegenschaften • Umgehen der Erbsteuer mittels Schenkungssteuer und Nutzniessungsrecht • Unternutzungsabzug • Verbilligung des Eigenmietwerts im Falle von Vorzugsmieten • Vergünstigte Kausalabgaben: Beiträge zur Erschliessung neuer oder bestehender Grundstücke

Implizite Subventionen: • Gemeindebaulandveräusserung unter dem Marktwert* • Höhere Flächeninanspruchnahme dank energieeffizientem Bauen*

Finanzielle Fehlanreize: Aufschieben der Grundstückgewinnsteuer

Tourismus:

On-Budget: • Innotour • Schweiz Tourismus • Sportgrossanlässe und tourismusrele-vante Sportinfrastruktur • Tourismusförderung durch NRP

Off-Budget: • Kredite für die Beherbergungswirtschaft • Reduktion Abgabesatz für Spielbanken • Reduzierter MWST-Satz für Beherbergungswirtschaft • Rückerstattung Mineralölsteuer für Pistenfahrzeuge

Implizite Subventionen: • Tourismusabgaben

Abwasserentsorgung

Implizite Subventionen: • Externe Kosten durch stoffliche und physikalische Belastung sowie durch Ableiten des Regenwassers aus Siedlungen • Nicht-Berücksichtigen zukünftiger Investitionen zur Werterhaltung in den Gebühren (Quersubventionierung über Generationen) • Verwaltungskosten für Abwasserentsorgung (fehlende Umsetzung Verursacherprinzip)

Hochwasserschutz

On-Budget: Bundes- und Kantonsbeiträge Hochwasserschutz

Implizite Subventionen: • Mögliche Baulanderschliessung durch Auszonung aus Gefahrenzone

Einige Subventionen wurden zusammengefasst; deshalb entspricht die Anzahl in dieser Zusammenstellung nicht den 162 in der Studie identifizierten Subventionen.

(sda/mlu)

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5 Kommentare
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bebby
24.08.2020 14:50registriert Februar 2014
Das Grundübel ist, dass es für jede Subvention eine Lobby gibt, die oft sehr gut organisiert ist und sich mit Referendumsdrohungen so positionieren kann, dass eine Abschaffung sehr schwierig ist. Die bekannteste, aber bei weitem nicht die Einzige, ist die Bauernlobby.
Deshalb braucht es eine Erhöhung der Unterschriftenzahl, die für ein Referendum nötig ist. Und ein Faktencheck im Abstimmungsbüchlein :-)
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