«Ein Besuch pro Woche hält dich fit. Zwei Besuche pro Woche bringen dir Fortschritt. Drei Besuche in der Woche verändern dein Leben» – so beschreibt das Bikram-Yoga-Studio in Zürich den Yogastil, bei dem man bei 40 Grad exakt 26 Yogaposen und zwei Atemübungen macht.
Es ist der Yogastil, der in diesen Wochen Schlagzeilen schreibt. Denn kürzlich erschien eine Netflix-Doku über die Machenschaften des selbsternannten Gründers dieses Yogastils, Bikram Choudhury. Der Film zeigt, wie Bikram, wie ihn alle nennen, über Jahre Millionen anhäufte, Frauen missbrauchte und die Yogi-Welt zum Narren hielt.
Sein Konzept: Man darf nur ein Bikram-Studio eröffnen, wenn man auch bei ihm die neunwöchige Yoga-Lehrerausbildung für 10'000 Dollar absolvierte. Mittlerweile gibt es weltweit 1200 Bikram-Yoga-Studios. Auch in der Schweiz bieten zahlreiche Yogastudios das Yoga bei glühender Hitze an. Die Meinungen, wie man mit dem Bikram-Skandal umgehen soll, gehen hierzulande auseinander.
«Ich kann nicht hinter ihm stehen und habe mich komplett von ihm und der Bikram-Community distanziert», sagt Susanne Krick, Bikram-Yogalehrerin in Bern. Sie hat 2010 die Ausbildung beim umstrittenen Yoga-Guru absolviert. 2013 wurden die Vorwürfe von Frauen, die er sexuell missbraucht haben soll, publik. «Dann war für mich sofort klar, dass ich mein Studio nicht ‹Bikram-Yoga› nennen will. Zudem hätte ich mich nicht auf seinen Deal einlassen wollen.»
Denn wer ein offizielles Bikram-Yoga-Studio will, muss dem Ausbildner Choudhury Bewerbungsunterlagen schicken, um seine Genehmigung zu erhalten. Es gibt verschiedene Bedingungen, die man erfüllen muss. Das Studio muss beispielsweise mindestens 300 Quadratmeter gross sein und einen Teppichboden haben. Krick verzichtete auf das «Bikram» im Namen und nannte ihr Studio stattdessen «Hot Yoga».
«So, wie er in der Netflix-Doku gezeigt wird, ist er wirklich. Er spricht gegen Schwule, gegen Übergewichtige und ist frauenfeindlich», sagt Krick. Eine Szene zeigte, wie Choudhury eine Teilnehmerin anschreit und sie als «Bitch» und «Pfeife» bezeichnet. Doch er ging noch weiter: Im Film erzählen ausserdem Frauen davon, wie sie von ihm vergewaltigt oder sexuell genötigt worden seien. «Ich war glücklicherweise nicht sein Beuteschema, ich bin zu alt. Er sah es auf die Jüngeren ab. Ausserdem habe ich nie seine Nähe gesucht.» Die Bikram-Yoga-Community sei seit Längerem gespalten. «Es gibt die absoluten Anhänger, die auf seiner Seite sind und ihn verteidigen, und es gibt solche, die sich klar distanzieren», sagt die Bernerin.
Das Bikram-Yoga-Studio in Zürich war bei der Gründung 2004 das vierte in ganz Europa. Auch der Studioinhaber Stefan Tanner besuchte das Yoga College of India von Bikram Choudhury. Er habe ihn während der Ausbildung persönlich kennengelernt und später habe ihn Choudhury in Zürich besucht. «Als ich 2003 bei ihm in der Ausbildung war, wussten alle, dass man sich nicht einlullen lassen soll. Aber es gab auch Frauen, die das wollten und ihn massierten und ihm die Haare kämmten. Wir wollten das nicht.»
Choudhury sei ein grosser Showman und habe eine extreme Persönlichkeit. «Er hat eine raue Sprache und man wird auch mal zusammengeschissen.» Obwohl er schwul sei, habe er ihn nie deswegen beleidigt. Grundsätzlich sei es aber so, dass Choudhury es schaffe, die Teilnehmer an einen Punkt zu bringen, wo sie sonst nicht hingekommen wären. «Die Ausbildung ist eine Grenzerfahrung, man trainiert den ganzen Tag, deshalb braucht man diesen Push.»
Trotzdem betont Tanner: «Wir distanzieren uns von Bikram persönlich. Die Unterdrückung von Frauen, Rassismus und Homophobie unterstützen wir nicht.» Anders als seine Berufskollegin in Bern nennt er sein Studio immer noch «Bikram Yoga». «Auch wenn wir den Namen ändern würden, es ist immer noch seine Technik drin. Und diese macht Menschen glücklich und hilft ihnen bei gesundheitlichen Problemen, davon sind wir immer noch überzeugt.»
Dennoch wollte Stefan Tanner, dass sein Freund die Ausbildung auch bei Bikram absolviert. «Man wusste nie, wie lange er das noch anbietet. Ich wollte, dass er vom grossen Master lernt, keiner ist so gut wie Choudhury.» Also reiste sein Freund im vergangenen Jahr dafür nach Mexiko. Und erzählt: «Choudhury hat sich ziemlich verändert. Er kam keiner Frau zu nahe und war eher ruhig.»
In seinem Bikram-Studio sei die Netflix-Doku das Thema Nummer eins gewesen. Es habe Teilnehmer gegeben, die gefragt hätten, ob er Geld an Choudhury bezahlen müsse, weil sein Studio diesen Namen trägt. «Das tun wir natürlich nicht», bestätigt Yogalehrer Tanner. Obwohl sie besorgt gewesen seien, dass viele mit dem Bikram-Yoga aufhören wollten, sei das Gegenteil passiert: «Wir haben sehr viel neue Teilnehmer, die aufgrund des Filmes Bikram-Yoga ausprobieren wollen. Es erlebt ein regelrechtes Revival. Das bekommen wir auch von Amerika mit – dort gab es einen Boom», sagt Tanner.
Beim Schweizer Yogaverband unterrichtet keines der 750 Mitglieder Bikram-Yoga. Man stehe aber ganz klar nicht hinter Bikram Choudhury. «Dieses Verhalten passt nicht zu uns», sagt Reto Zbinden, Leiter Aus- und Weiterbildung beim Schweizer Yogaverband. Ein offizielles Statement wolle man aber an die Schweizer Yoga-Studios nicht versenden. «Wir können höchstens auf unsere Mitglieder Einfluss nehmen.» Und diese würden sich sowieso an den ethischen Kodex des Verbandes halten, so Zbinden.
Yoga ist etwas anderes und hat nichts mit bei halber Saunatemperatur schwitzend 26 Verrenkungen des Verenkungswillens zu machen und sich dabei noch anmachen zu müssen.
Auch die yogafernen Berner kommen noch dahinter, dass man diesen Namen aus ethischen Gründen meidet und jetzt nicht damit Profit macht. Das ist schändlich.