Die Schweiz ist stolz auf die Pünktlichkeit ihrer Züge. Die SBB als grösster Bahnbetreiber weisen regelmässig eine Pünktlichkeitsquote von rund 92 Prozent aus. Doch nicht auf dem ganzen Schienennetz werden die verschiedenen Anbieter diesem Anspruch gerecht.
Eine Auswertung von CH Media zum Fahrplanjahr 2022 zeigt: Am unpünktlichsten kommen Züge an Schweizer Bahnhöfen an, die ihre Fahrt im Ausland starten.
Der unrühmliche Spitzenreiter ist der Regional-Express RE7 der Deutschen Bahn (DB) mit Abfahrt in Karlsruhe um 14:39 Uhr und fahrplanmässiger Ankunft in Basel Badischer Bahnhof um 17:22 Uhr. In fast 85 Prozent der Fälle hielt dieser Zug im vergangenen Jahr sein Versprechen nicht.
Auch zu anderen Tageszeiten waren die Züge auf dieser Strecke meist zu spät. Als zu spät gilt ein Zug, der drei oder mehr Minuten zu spät eintrifft. Alleine in den Top Ten der Züge mit der grössten Verspätung kommt der RE7 weitere dreimal vor.
Die Medienstelle der DB schreibt auf Anfrage, der RE7 sei auf der Rheintalbahn und damit auf einer der am stärksten ausgelasteten Schienenwege in Deutschland und ganz Europa unterwegs. Die Auslastung habe hier in den vergangenen zehn Jahren deutlich zugenommen.
Verspätungen hätten vielfältige Gründe und könnten sich gerade auf viel befahrenen Strecken auf Folgezüge oder auch vom Fern- auf den Regionalverkehr übertragen. Um die Situation zu verbessern, ist gemäss der DB mehr Kapazität nötig. Diese soll unter anderem durch zwei zusätzliche Gleise geschaffen werden.
Während der RE7 nur ganz kurz auf Schweizer Schienen unterwegs ist und für Pendlerinnen und Pendler eine geringe Rolle spielen dürfte, ist die Eurocity-Verbindung von München in Richtung Zürich auch für den innerschweizerischen Verkehr ein Ärgernis. Gerade wer etwa in der Rushhour in St.Gallen in diesen Zug einsteigen will, um nach Zürich zu fahren, wartet so gut wie immer.
In den Top Ten der am häufigsten verspäteten Züge taucht dieser EC wie der RE7 viermal auf. Dreimal mit Endbahnhof Zürich, einmal mit Endbahnhof St.Margrethen. Der unterschiedliche Endbahnhof liegt daran, dass bis Mitte April nicht alle Verbindungen auf der ganzen Strecke verkehrten. Ab April fuhr auch diese Verbindung bis Zürich weiter und war ab dann in etwa 75 Prozent der Fälle verspätet.
Obwohl dieser Zug von den SBB betrieben wird, können diese gemäss eigener Aussage nicht viel an der Situation ändern. Ein Grund seien etwa Baustellen oder auch Einschränkungen der Infrastruktur in Deutschland. SBB-Mediensprecherin Sabrina Schellenberg führt aus: «Die Infrastruktur in Deutschland mit einer langen Einspurstrecke und Zugskreuzungen im Allgäu macht den Betrieb sehr anspruchsvoll.» Mit Lenkungsmassnahmen versucht man immerhin für etwas Besserung zu sorgen.
Für den Verein Swiss Railvolution ist allerdings die langfristige Fahrplangestaltung Teil des Problems. Man wisse seit langem, dass die Züge auf der betreffenden Strecke in Deutschland verspätungsanfällig seien. Deshalb hätte das Bundesamt für Verkehr den Fahrplan anders gestalten müssen, sagt Generalsekretär Tobias Imobersteg.
Die erste Verbindung, die ihre Verspätung nicht aus dem Ausland in die Schweiz mitbringt, ist ein Zug der Rhätischen Bahn (RhB). Es handelt sich dabei – und auch bei der zweiten Verbindung der RhB in den Top Ten – um den Bernina-Express, die gemäss Werbung der RhB «spektakulärste Alpenüberquerung» von Chur ins italienische Tirano. Die beiden Verbindungen dieses Zugs mit Ankunft um 17:59 Uhr beziehungsweise 15:31 Uhr werden nur von Mitte Mai bis Mitte Oktober angeboten.
Diese saisonalen Züge würden dazu führen, dass die Infrastruktur beinahe 100 Prozent ausgelastet sei, hält RhB-Mediensprecherin Yvonne Dünser fest. Weil die Bernina-Strecke grösstenteils einspurig sei, könne nur an vorgesehenen Punkten gekreuzt werden. So übertrage sich die Verspätung von Gegenzügen auf den Bernina-Express.
Die Verspätung dieser Gegenzüge entstehe oft in Poschiavo. Im Sommer seien dort oft so viele Bikerinnen und Biker unterwegs, dass 50 bis 100 Velos in den Zug eingeladen werden müssten. Zur Verbesserung der Situation soll eine neue Kreuzungsstelle im Raum Cadera beitragen. Zudem würden diverse Kreuzungsbahnhöfe ausgebaut, damit sich Züge rascher kreuzen können.
Würde man die Verbindungen aus dem Ausland sowie den nicht ganzjährig fahrenden Bernina-Express ausklammern und nur auf regelmässige Verbindungen innerhalb der Schweiz fokussieren, wäre der Spitzenreiter ein Zug der Berner Oberland-Bahn (BOB), der sonst auf Platz 11 zu liegen kommt.
Die BOB verkehrt als Schmalspurbahn zwischen Grindelwald und Interlaken Ost. Die notorisch verspätete Verbindung fährt jedoch nur zwischen Grindelwald und Lütschental. Die elf Minuten dauernde Fahrt schliesst die Bahn nur in einem von vier Fällen pünktlich ab. Im Schnitt erreicht sie ihr Ziel mit über zehn Minuten Verspätung.
Gemäss Kathrin Naegeli bringt dieser Zug die Verspätung oft schon auf dem Hinweg nach Grindelwald mit, weil bei der Abfahrt in Interlaken Ost Anschlüsse abgewartet werden. Naegeli ist die Kommunikationschefin der Jungfraubahnen, zu der die BOB gehört.
Auf den weiteren Rängen zeigt sich erneut, dass grenzüberschreitende Züge oft ein Problem sind. So trifft beispielsweise die von Tre Nord betriebene S11, die zwischen Mailand und Chiasso verkehrt, gerne zu spät in der Schweiz ein. Selbiges gilt für den ICE, der Berlin mit Basel verbindet, oder den Railjet von Budapest nach Zürich.
Von den Paradelinien der SBB tauchen nur der IC1 mit Ankunft um 00:31 Uhr in Bern und der IC8 mit Ankunft um 00:01 Uhr in Zürich in der Liste der 100 am häufigsten verspäteten Züge auf. Beide kommen zwar etwa jedes zweite Mal verspätet an, allerdings mit im Schnitt nur wenigen Minuten.
Dass zwei relativ spät verkehrende Züge in dieser Statistik auftauchen, erklärt SBB-Sprecherin Schellenberg mit zwei Gründen. Zum einen: «Am späten Abend beginnen vielerorts die Bauarbeiten, welche während der Nacht ausgeführt werden. Passieren die Züge diese Baustellen, müssen sie oft langsamer fahren. Dies kann zu Verspätungen führen.» Zum anderen würden gerade die letzten Züge auf einer Strecke, wenn immer möglich, Anschlüsse abwarten, damit die Reisenden ihr Ziel erreichten.
Dass die Züge der SBB insgesamt meist sehr pünktlich unterwegs sind, liegt gemäss Schellenberg an verschiedenen Faktoren. Ein entscheidender Hebel sei die Planung: «Die SBB ist bestrebt, möglichst genau und robust und mit den nötigen und angemessenen Reserven am richtigen Ort zu planen. So können tägliche Schwankungen im Betrieb – wie etwa Störungen an Zügen und Infrastruktur oder Witterungseinflüsse – besser aufgefangen werden.»
Deutlich länger wartet man auf andere Züge. Doch auch beim Fokus auf die durchschnittliche Verspätung einer Verbindung zeigt sich: Der internationale Bahnverkehr ist anfälliger.
Die Spitzenreiter in dieser Rangliste sind drei verschiedene Nachtzüge. Sie verbinden die Städte Wien, Berlin und Amsterdam über Nacht mit der Schweiz. Im Schnitt kommen diese Züge über eine halbe Stunde zu spät an.
Bei Zügen aus oder über Deutschland sind gemäss der SBB oft Bauarbeiten in Deutschland der Hauptgrund. Bei Zügen aus Österreich kommen Grenzkontrollen zwischen Ungarn und Österreich sowie Verzögerungen bei Kurswagenübergängen am Knoten Salzburg hinzu.
Auf den nachfolgenden Plätzen folgen die notorisch verspäteten Eurocity-Züge zwischen München und Zürich, Railjets aus Budapest und ICE aus Deutschland. (aargauerzeitung.ch)
Die Pünktlichsten Züge in Deutschland sind diejenigen die in der Schweiz starten oder ankommen 🙂.