«Sein Vermögen in fremde Hände zu geben, heisst vertrauen»: Mit diesem Spruch werben die Privatbankiers von Reichmuth & Co aus Luzern um Kundschaft. Das überzeugte auch den Staatsbetrieb. Für die Cargo-Tochter der SBB beschaffen die Bankiers respektive ihre Investitionsgesellschaft Lokroll derzeit 35 Lokomotiven des Typs Vectron von Siemens. Die von Reichmuth beauftragte Asset-Managementfirma Northrail vermietet diese für fünf Jahre an SBB Cargo.
Es ist nicht das erste Mal, dass SBB Cargo auf solche Geschäfte setzt - aber der Grund ist dieses Mal aussergewöhnlich. Denn die Güterverkehrsfirma kann derzeit nicht langfristig planen. Das hängt damit zusammen, dass sie noch nicht weiss, wie stark der Bund in Zukunft den Güterverkehr finanziell unterstützen wird.
Am 2. November hat der Bundesrat zwei Varianten zur Weiterentwicklung in die Vernehmlassung gegeben. Die erste würde eine grössere finanzielle Unterstützung der Güterverkehrsanbieter auf der Schiene von rund 600 Millionen Franken während vier Jahre bedeuten. Das Geld würde in den sogenannten Einzelwagenladungsverkehr fliessen, also den Transport von relativ kleinen Mengen pro Kunde mit Güterzügen, die zusammengestellt und rangiert werden müssen. Daneben sollen technische Lösungen wie die digitale, automatisierte Kupplung subventioniert werden.
In der zweiten Variante hingegen würde der Bund den Einzelwagenladungsverkehr nicht unterstützen und nur 120 Millionen Franken ausgeben. Das würde zu deutlich weniger Güterverkehr auf der Schiene führen: Mit einer Zunahme von 650'000 Lastwagenfahrten pro Jahr rechnet der Bund. «Ein gutes Bahnangebot wäre nur noch dort verfügbar, wo grössere Transportvolumen anfallen - also in den urbanen Gebieten», hält er fest.
Entscheide fallen laut SBB-Cargo-Sprecherin Luana Quinter frühestens im Lauf des Jahres 2024. Darum könne SBB Cargo im Moment keine langfristigen Entscheidungen zum Rollmaterial treffen - und dementsprechend auch keine Lokomotiven kaufen. «Wir kennen die von der Politik zu treffende Lösung für den Schienengüterverkehr in der Schweiz aktuell noch gar nicht», sagt sie.
SBB Cargo müsse aber jetzt neue Loks beschaffen, weil es sonst zu einem Unterbestand komme. «Das bestehende Portfolio umfasst unter anderem 45-jährige Altbaulokomotiven, die an ihrem Lebensende sind», sagt Quinter. Das Leasing sei Ergebnis einer «betriebswirtschaftlichen Abwägung zu Gunsten von Flexibilität für strategische Veränderungen und Anschluss an technische Standards». Es ermögliche SBB Cargo auch, den nächsten Technologiesprung abzuwarten.
Würden die Loks gekauft, würden pro Exemplar Kosten von drei bis fünf Millionen Franken entstehen, insgesamt also bis zu 175 Millionen Franken. Nun wird es teurer: Im Vergleich zum Kauf entstünden «leicht höhere Kosten», sagt Quinter. Mit diesem Finanzierungsmodell hat SBB Cargo bereits 12 Rangierloks des Typs Alstom Prima beschafft.
Dabei handelt es sich um eine reine Miete, nicht um ein «sale and lease back»- oder gar «lease and lease back»-Geschäft. Mit diesen sorgte die Transportbranche in den Neunzigern für Aufregung. Die SBB, die BLS oder die Verkehrsbetriebe Zürich verleasten Teile ihres Rollmaterials an US-amerikanische Investoren, mieteten sie aber wieder zurück. So konnten die Firmen aus den USA Steuern sparen – und liessen die Schweizer Partner an den Ersparnissen teilhaben. Dieses Schlupfloch wurde Ende der 90er-Jahre geschlossen, die Verträge liefen aber teils noch jahrelang weiter.