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Royal Arena macht Pause: Das sagen die Veranstalter dazu

Royal Arena macht Pause: «Mit einem Oldschool-Programm verkaufen wir nicht genug Tickets»

Das Hip-Hop-Festival Royal Arena findet nächstes Jahr nicht statt. Schuld daran sind rote Zahlen im sechsstelligen Bereich. Wir haben mit Co-Veranstalter Lukas Hohl gesprochen.
29.10.2023, 18:2229.10.2023, 18:45
Anna Böhler
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Seit 2007 findet in Orpund bei Biel jährlich das Hip-Hop-Festival Royal Arena statt. Dort werden Oldschool und alle Facetten der Hip-Hop-Kultur gelebt und gefeiert: ob Breaking, Graffiti oder Rap. Bis jetzt zumindest. Denn nächstes Jahr soll keines stattfinden. Die vier Organisatoren müssen sich überlegen, ob und wie das Festival weiterhin bestehen kann. Wir haben deshalb mit dem Co-Veranstalter und Medienverantwortlichen Lukas Hohl gesprochen.

Wie steht es ums Royal Arena?
Lukas Hohl: Vor der Pandemie waren wir mit dem Festival ziemlich gut unterwegs. Nach der pandemiebedingten Zwangspause bereitete uns das Booking, die Sponsorensuche und die in allen Bereichen gestiegenen Kosten grosse Mühe. Im Jahr 2022 hatten wir The Game als Headliner, der dann am Tag des Auftrittes nicht auftauchte. Weitere Last Minute Absagen kamen dazu – etwas, was wir so noch nie erlebten. Das war der Beginn einer Negativspirale.

Lukas Hohl, Co-Veranstalter Royal Arena Orpund
Co-Veranstalter Lukas Hohl spricht schweren Herzens über den Entscheid des Festivals.Bild: zvg

Was hat sich im Bereich des Bookings verändert seit der Pandemie?
Wir haben es in den Vorjahren immer wieder geschafft, grosse US-Namen für unser Festival zu gewinnen. Seit der Pause sind die Gagen nochmals gestiegen – so sehr, dass wir sie uns als mittelgrosses Festival, welches nicht zu einem internationalen Konzernmulti gehört, nicht mehr leisten können.

Welche Probleme trugen sonst noch zum Defizit bei?
Wir sind ein Spartenfestival, das sich mehrheitlich auf Oldschool-Hip-Hop konzentriert. Vor rund 10 Jahren waren wir praktisch die Einzigen, die Hip-Hop programmierten. Heute spielt jedes Festival oder Stadtfest Hip-Hop. Wir bewegen uns in einem sehr schwierigen Markt. Andere Schweizer Festivals gehören internationalen Konzernen, die eigene Ticketing Plattformen, Festivals und Künstleragenturen besitzen und können deshalb auf grosszügige Budgets zurückgreifen. Wollen wir als unabhängiger Veranstalter einen angesagten Act buchen, begegnen wir Preisschildern, die für uns unerreichbar geworden sind.

Bereits letztes Jahr habt ihr ein Defizit erwirtschaftet.
Schon damals diskutierten wir, wie es weitergehen soll. Weil die Pandemie dort aber gerade erst vorbei war, wollten wir sehen, ob sich die Situation 2023 wieder entspannt für uns. Einfach Aufgeben war keine Option.

Aber die Zahlen waren auch dieses Jahr nicht besser. Woran liegt das?
Wir hatten ein stimmiges Programm mit weltbekannten Acts wie beispielsweise Cypress Hill, auf welches wir sehr stolz waren – und unsere Rechnung ging trotzdem nicht auf. Wir konnten nicht genug Tickets verkaufen, mit einem Line-up, dass sich vor allem auf Oldschool-Hip-Hop konzentriert. Diese Feststellung war sehr ernüchternd.

Was ist die grösste Schwierigkeit beim Organisieren eines Festivals wie dem Royal Arena?
Wir sind bekannt für ein attraktives Oldschool-Programm. Jene abzuholen, die genau diese Musik lieben, gestaltet sich jedoch immer schwieriger: Die haben mittlerweile Familien, sind älter geworden. Beim Versuch, auch die jüngere Hip-Hop-Generation abzuholen, begegnen wir Künstlern mit Preisschildern, die unser Portemonnaie schlicht nicht stemmen kann.

Ein Hip-Hop-Festival scheitert in Zeiten, in denen jeder Hip-Hop hört. Das ist doch paradox.
Ein Hip-Hop-Act wird nie so breit abgestützt sein wie eine Band, die auf jahrelange Promo-Anstrengungen und ein altersmässig breites Publikum zurückblicken kann. Dafür ist das Genre doch zu spezifisch und in seiner Entwicklung zu dynamisch. Zudem verhalten sich die jungen Hip-Hop-Fans anders als früher. Früher ging man in grossen Gruppen ans Festival, freute sich aufs Campen, auf das gesamte Festival-Erlebnis.

Und heute?
Das ist schwierig zu beantworten. Das Verhalten der Jugend hat sich verändert. Früher pilgerte man in grossen Freundesgruppen von Festival zu Festival und genoss das Festival Feeling von A bis Z, inklusive Camping und allem, was dazu gehört. Heute ist dies nicht mehr der Fall.

Ein Blick nach Frauenfeld zeigt: Hip-Hop mischt sich immer mehr mit elektronischer Musik. Wollt ihr in Orpund vielleicht auch einfach weiterhin «wahren Hip-Hop» zelebrieren?
Die Pause nächstes Jahr hat zum Ziel, sich genau solche Fragen zu stellen. Wir möchten uns die Zeit nehmen, das Konzept nochmals zu überdenken.

Macht ihr das nicht sowieso jedes Jahr?
Optimierungen werden jedes Jahr vorgenommen. Aber sobald das Festival durch ist, beginnt schon die Arbeit für das Programm im darauffolgenden Jahr. Für eine allfällige Neuausrichtung brauchen wir genügend Zeit.

Welche Fragen wird sich das Organisationskomitee im kommenden Jahr stellen?
Wir müssen schauen, wie wir weitermachen können. Und ob wir überhaupt weitermachen können unter diesen Bedingungen.

Ganz aufzuhören ist also auch eine Option?
Vielleicht kommen wir zum Schluss, dass es gar nicht mehr weitergeht. Auch dies ist ein mögliches Szenario. Wüssten wir heute schon, wie es im Jahr 2025 weitergehen soll, hätten wir selbstverständlich anders kommuniziert.

Wie ist die Stimmung unter den Royal-Veranstaltern?
Es war eine traurige Entscheidung und gleichzeitig die schwierigste, die wir jemals treffen mussten. Wir sind in Orpund aufgewachsen und wurden mit diesem Festival gross. Wir und die ganze Crew steckten Jahr für Jahr extrem viel Energie und Herzblut in das Festival.

Wie fielen die Reaktionen auf euren Bescheid aus?
Wir erhielten mehrheitlich positive und verständnisvolle Reaktionen. Die Fans und auch die Crew bekundeten ihre Dankbarkeit für die vergangenen Jahre, was uns sehr berührt. Wir schätzen das Feedback unserer Community sehr.

Macht ihr euch nun auf die Suche nach Investoren, die euch finanzieren könnten?
Auch das Thema Finanzierung werden wir uns im kommenden Jahr genau ansehen und herausfinden, ob es Marken und Firmen gibt, welche bei einem der schönsten und familiärsten Festivals der Schweiz mitwirken wollen. Mit dem Royal Arena bieten wir eine sehr interessante Zielgruppe für potenzielle Sponsoren.

Das hört sich vielversprechend an.
Trotzdem ist es schwierig, als Spartenfestival Firmen zu finden, die sich für den Hip-Hop begeistern. Ein Openair mit breiterem Angebot hat mehr Möglichkeiten bei der Suche nach geeigneten Partnern. Aber wir werden sehen und bleiben dran.

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32 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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messiah
29.10.2023 18:55registriert Mai 2019
Die ganzen Trap-Artists und Sirupboys der letzten Jahre hinterliessen mir nicht grad ein Feeling von Old School..
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Opus1
29.10.2023 18:56registriert Oktober 2023
Dieses Jahr waren ja von den grossen Festivals einzig das Openair St.Gallen und das Paleo Festival ausverkauft. Unter den mittelgrossen und kleinen Festivals gibt es unzählige, die ebenfalls mit den Ticketverkäufen unzufrieden waren. Der übersättigte Festivalmarkt scheint nun leider erste Opfer zu bringen.
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plop
29.10.2023 20:29registriert Dezember 2015
Hm, ich erinnere mich an den Vorgänger unten am See in Täuffelen :)
Mit Orpund wurde ich nie ganz warm, obwohl ich ganz der Zielgruppe entspreche.
Finde es aber ganz grundsätzlich schade - ein Hiphop-festival passt halt immer noch zu Biel/Bienne..
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